Hamburg. Kunden sind wegen Jugendgruppen verunsichert. Europa Passage stockt Sicherheitspersonal auf. Forderung nach mehr Polizeipräsenz.
Als am Ostermontag vor der Europa Passage Dutzende Jugendliche am Ballindamm aufeinander losgingen, war das eine traurige Eskalation der gewaltsamen Streitigkeiten an einer der ersten Adressen der Hamburger City. Die rivalisierenden Gruppen waren unter andern mit Messern und Schlagstöcken bewaffnet. Eine junge Frau soll einen Macheten-ähnlichen Gegenstand dabeigehabt haben. Per Notruf von Passaten herbeigerufene Polizisten konnte die Meute nur mit einem großen Aufgebot auseinanderbringen. Dabei wurden auch zwei Beamte verletzt.
Seit mehreren Jahren ist der Bereich vom Alsteranleger Jungfernstieg bis zum Ballindamm Treffpunkt von jungen Leuten – und immer wieder auch Schauplatz von lauten bis brutalen Streitigkeiten. Für den Einzelhandel an der beliebten Flaniermeile wird das zum Problem. Besonders betroffen ist die Europa Passage, vor deren Eingang auf der Alsterseite sich der Brennpunkt in den vergangenen Monaten verlagert hat.
Brennpunkt Jungfernstieg: Zusätzliches Sicherheitspersonal in der Europa Passage
„Wir haben deutlich mehr Jugendliche und Gruppen vor der Tür“, klagt Centermanager Jörg Harengerd. „Das ist nicht gut. Kunden fühlen sich verunsichert.“ Die beliebte Einkaufspassage mit Geschäften wie dem Herrenmode-Händler Wormland, der Uhren- und Schmuckmarke Bering und zahlreichen Restaurants hat inzwischen nach eigenen Angaben das Sicherheitspersonal deutlich aufgestockt. „Wir haben dadurch Mehrausgaben in sechsstelliger Höhe“, so Harengerd. Trotzdem helfe das nur begrenzt. Das Problem: Der Platz vor dem Shoppingcenter ist öffentlicher Raum.
„Wir würden unser Hausrecht gerne in diesem Bereich erweitern“, sagt der Centermanager. Das hatte das zuständige Bezirksamt Mitte bei einem Ortstermin vor einigen Wochen allerdings ausgeschlossen. „Auf öffentlichem Raum hat die Polizei die Zuständigkeit. Nur die Polizei“, sagt Behördensprecherin Sorina Weiland auf Abendblatt-Anfrage. Inzwischen haben die Ordnungshüter ihre Präsenz in Sachen sicherer Jungfernstieg weiter erhöht. Die Soko Alster mit sechs Beamten ist in dem Bereich im Einsatz und soll gezielt gegen die Häufung der Gewalttaten vorgehen. Dazu gehört Präsenz, aber auch die Aufarbeitung von ungeklärten Fällen der Vergangenheit.
Immobilienbesitzer plant Gitter als Schutzmaßnahme
Für die Einzelhändler ist das ein guter Schritt, ob sich was ändere, müsse sich zeigen, heißt es. „Es ist wichtig, dass wir eine hohe Polizeipräsenz in der Innenstadt haben, um dem allgemeinen Unwohlsein vorzubeugen“, sagt Citymanagerin Brigitte Engler zu dem Dauerproblem. „Wir werden wegen der Jugendgruppen regelmäßig von Unternehmen angesprochen.“ Unter anderem seien deshalb schon vor Jahren Lichtmasten an der Alster aufgestellt worden.
Jetzt sind weitere Maßnahmen geplant. „Wir merken das schon in den Geschäften“, erklärt Hans-Georg Jacobus, Inhaber des Lederwaren-Händlers Alligator mit Filialen am Jungfernstieg und in der Bergstraße. Vor allem in dem Laden in der Bergstraße in direkter Nachbarschaft zur Europa Passage sei die Zahl der Ladendiebstähle gestiegen.
Brennpunkt Jungfernstieg: Entwicklung sei „kritisch“
So richtig los gehe es am frühen Abend ab 18 Uhr. Um zu verhindern, dass die Jugendlichen sich nach Geschäftsschluss im Eingangsbereich des Geschäftes sammelten, wolle der Hausbesitzer jetzt ein Absperrgitter anbringen lassen. Jacobus sieht die gesamte Entwicklung kritisch. „Wenn Hamburger Angst haben, abends ins die Stadt zu gehen, ist das problematisch.“
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Verschiedene Unternehmen wollten sich auf Anfrage des Abendblatts nicht äußern. Grund der Zurückhaltung: Über sicherheitsrelevante Themen wolle man nicht in der Öffentlichkeit sprechen. Auch die Interessengemeinschaft (IG) Jungfernstieg, in der Einzelhändler der traditionsreichen Einkaufsstraße zusammengeschlossen sind, lehnte eine Einschätzung zur Brisanz der Lage ab. „Die Struktur der IG-Mitglieder ist divers. Daher ist auch die Sicht der Dinge bezüglich des von Ihnen angesprochenen Themas unter den Mitgliedern unterschiedlich“, teilte Geschäftsführer Michael Birkhold schriftlich mit.
Brennpunkt Jungfernstieg: Polizei hat die Zahl der Beamten verstärkt
Auch bei der Polizei ist der Brennpunkt Jungfernstieg ein Dauerbrenner. „Insbesondere unsere besondere Fußstreife (BFS) stehe in engem Austausch mit den Einzelhändlern in der Innenstadt“, erklärte ein Polizeisprecher. Zu Ladendiebstählen in dem Gebiet konnte er keine Angaben machen. Erhoben werden diese nur für den gesamten Bezirk Mitte. Dort allerdings waren die Ladendiebstähle von Januar bis März dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 121,8 Prozent auf 2959 angezeigte Fälle gestiegen.
Gerade in der Innenstadt und speziell rund um die Binnenalster seien aktuell nicht nur Kolleginnen und Kollegen des örtlich zuständigen Polizeikommissariats, sondern auch viele Zusatzkräfte, unter anderem der Landesbereitschaftspolizei eingesetzt worden, um allen – also sowohl den Besuchen als auch den Anliegen – ein entsprechendes Sicherheitsgefühl zu vermitteln.
Aus Sicht von Jörg Harengerd, Centermanager der Europa Passage, reicht das im Ernstfall nicht. Er erwartet jetzt in der Hauptferienzeit mehr Präsenz und Einsatz von der Polizei. Dabei geht es ihm auch darum, dass die Jugendlichen sich gar nicht erst vor dem Einkaufszentrum sammeln. „Da tut die Polizei zu wenig“, klagt er. Tatsächlich können die Ordnungshüter in den öffentlichen Bereichen nur eingreifen, wenn etwas Unrechtmäßiges passiert ist. Harengerd hat sich deshalb eine andere Strategie überlegt. Gemeinsam mit einigen Gastronomen aus dem Center will er weitere Sondernutzungsflächen in dem Bereich beantragen. „Dann haben wir dort Hausrecht.“