Hamburg. SkyBus soll mit 40 Passagieren senkrecht starten können und effizienter sein als ein Hubschrauber. Wird er in Hamburg produziert?
Den Airbus kennt man in Hamburg, den SkyBus noch nicht. Er ist bisher nur das ehrgeizige Projekt der gebürtigen Hamburgerin Freshta Farzam. Zwar kann der „fliegende Bus“ den Planungen zufolge nur 40 Passagiere befördern und damit viel weniger als die Jets von der Elbe. Aber dafür soll er eine Fähigkeit haben, die ihnen fehlt: Er soll senkrecht starten und landen können wie ein Hubschrauber, jedoch zu erheblich niedrigeren Kosten.
Bislang existieren nur Konzeptgrafiken. Sie zeigen kurze Tragflächen vorn und hinten am knapp 20 Meter langen Rumpf, die mitsamt den insgesamt acht Propellern für Start und Landung nach oben geschwenkt werden. Seit gut drei Jahren arbeitet Farzam zusammen mit zwei Mitgründern der Firma Lyte Aviation daran, ihre Idee zu realisieren. Nach einem Betriebswirtschaftsstudium an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) war sie zunächst jahrelang international als Vermittlerin zwischen jungen Firmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien und Finanzinvestoren tätig.
Ein „fliegender Bus“ aus Hamburg will Airbus Konkurrenz machen
Während sie eine Privatpilotenausbildung begann, beschäftigte sich Farzam mit den Konzepten verschiedener Flugtaxi-Entwickler, zu denen auch Airbus gehört. „Ich habe mich gefragt: Warum sollte man nur höchstens vier Personen auf diese Weise befördern, warum nicht 20 oder 40?“, sagt sie. Dann stieß sie auf die Geschichte des britischen Fairey Rotodyne, einem Mittelding aus Hubschrauber und Flugzeug, das um 1960 erfolgreich erprobt wurde und für 40 bis 50 Passagiere ausgelegt war. Farzam ist überzeugt: „Wenn man so eine Konstruktion vor mehr als 60 Jahren bauen konnte, dann müssten wir das heute doch viel besser können.“
Anders als die in der Entwicklung befindlichen Flugtaxis wie der CityAirbus und ähnliche Projekte von Volocopter oder Lilium setzt Lyte Aviation nicht auf einen reinen Elektroantrieb. Für die vier äußeren, kleineren Triebwerke sind zwar mit Wasserstoff gespeiste Brennstoffzellen vorgesehen. Die vier inneren, stärkeren Triebwerke aber werden herkömmliche Propellerturbinen sein, auch wenn sie mit nachhaltigem Kraftstoff betrieben werden können.
Die Frachtversion könnte den Güterverkehr im Hafen beschleunigen
„Da kommt die deutsche Geschäftsmentalität durch“, sagt Farzam. „Wir wollten uns nichts Utopisches vornehmen, sondern weitgehend auf erprobte Technologie vertrauen.“ Zudem könne man so bis zu 1000 Kilometer Reichweite schaffen, was mit Batterien nicht möglich wäre. Das ist wichtig, weil eine Frachterversion des SkyBus, der SkyTruck, für den Einsatz in großen Entwicklungsländern mit spärlicher Straßeninfrastruktur vermarktet werden soll. „Ein SkyTruck könnte aber auch den Güterverkehr im Umfeld des Hamburger Hafens stark beschleunigen.“
Ansonsten sei der SkyBus gut geeignet, um zum Beispiel Inselgruppen in der Karibik oder in Asien jeweils besser zu verbinden, sagt Farzam. Darüber habe man schon Gespräche mit Regierungen geführt. Einsatzmöglichkeiten gebe es aber auch in dicht besiedelten Gebieten – zum Beispiel in der Region Seattle: „Fast 53.000 Beschäftigte von Microsoft in Redmond kommen mit Fähren oder auf ständig verstopften Straßen zur Arbeit. Mit dem SkyBus könnte man den Arbeitsweg von 90 Minuten auf nur zehn Minuten verkürzen.“
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All dies wäre im Prinzip zwar auch mit Hubschraubern machbar – und die Airbus-Gruppe hat Helikopter für immerhin rund 20 bis knapp 30 Passagiere im Programm. „Aber weil ein SkyBus für den Geradeausflug ja Tragflächen nutzt, kommt er für die gleiche Zuladung mit einem Fünftel des Treibstoffs aus, den ein Hubschrauber benötigt“, erklärt Farzam. Außerdem sei ein Helikopter wesentlich lauter – ein relevanter Faktor für den Einsatz auf innerstädtischen Start-und-Landeplätzen.
Auch im Mittleren Osten ist man an der Produktion des SkyBus interessiert
Nachdem eine Finanzierungsrunde kurz vor dem Abschluss steht, sollen demnächst rund 40 Personen eingestellt werden, um das Projekt voranzubringen. Hauptsitz von Lyte Aviation soll Hamburg sein. „Es ist nicht nur meine Heimatstadt, hier finden wir auch sehr viel Know-how, das wir nutzen können“, sagt die Gründerin. Einen weiteren Standort wird es in London geben. Von dort aus hat Farzam lange gearbeitet, es geht aber auch um Kontakte zu britischen Universitäten, die zur Entwicklung beitragen könnten.
Innerhalb von zwei Jahren will Lyte Aviation einen Prototypen in Originalgröße erstellen, weitere zwei Jahre später soll er erstmals fliegen. Wo die Produktion angesiedelt sein wird, steht noch nicht fest. „Es kommen Hamburg oder Großbritannien infrage, wir haben aber auch Angebote aus Frankreich, aus den Niederlanden und aus dem Mittleren Osten erhalten“, sagt Farzam.
Ein „fliegender Bus“ aus Hamburg will Airbus Konkurrenz machen
Auch an die Weiterentwicklung des Konzepts denkt sie schon: „Langfristig könnten wir den Antrieb voll auf Wasserstoff umstellen – und zumindest die Frachterversion könnte später auch ohne Piloten fliegen.“
Der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hält es für eine kluge Entscheidung, für den Antrieb zunächst einen Hybridansatz zu verfolgen: „Es gibt schon viel zu viele Projekte, bei denen man hofft, allein mit Batterien nennenswerte Reichweiten erzielen zu können.“ Auch im Hinblick auf die Größe ist der SkyBus nach Einschätzung des Branchenkenners richtig platziert: „Das ist eine Passagierzahl, mit der ein Betreiber schon Geld verdienen kann.“
Übergang vom Senkrecht- in den Geradeausflug „technisch äußerst anspruchsvoll“
Allerdings sei der Übergang vom Senkrecht- in den Geradeausflug und umgekehrt mit schwenkbaren Propellern „technisch äußerst anspruchsvoll“, wie man an ähnlichen Konzepten auch etablierter Hersteller sehen könne, die viele Jahre bis zu einer Zulassung gebraucht hätten. „Aber selbst wenn bei Lyte Aviation am Ende kein fertiges Produkt herauskommen sollte, ist so ein Projekt für den Standort Hamburg Gold wert“, sagt Großbongardt. Denn: „Die Chance, an einer echten Innovation beteiligt zu sein, hilft dabei, die Luftfahrt für junge Menschen attraktiv zu halten.“