Hamburg. Bei CarbonStack können Unternehmen Klimazertifikate erwerben. Das Geld fließt in die Aufforstung. Welche Rolle Airbus dabei spielt.

Seit 2020 können Autofahrer an Shell-Tankstellen für 3 Cent pro Liter einen „CO2-Ausgleich“ erwerben. Bis Ende April 2023 sind damit nach Angaben des Mineralölkonzerns knapp 670.000 Tonnen des Klimagases kompensiert worden, was der CO2-Aufnahme von fast 1,4 Millionen Bäumen entspreche.

Einen Teil der mit dem Kraftstoffpreis-Aufschlag finanzierten Klimaschutzmaßnahmen hat das Hamburger Start-up CarbonStack organisiert. Das im November 2021 gegründete Unternehmen entwickelt Aufforstungsprojekte, die der Atmosphäre CO2 entziehen und speichern. Anders als bei vielen Wettbewerbern geht es hier aber nicht um Wälder auf der Südhalbkugel der Erde – CarbonStack ist gewissermaßen vor der eigenen Haustür aktiv.

Co2 – Was ein Hamburger Start-up gegen das Waldsterben macht

„Bisher sind auf Flächen von 186 Hektar im Harz und im Sauerland mehr als 300.000 Bäume gepflanzt worden“, sagt Firmenchef Julian Kakarott, einer der vier Gründer. Außer für Shell werde man weitere Projekte für andere Großunternehmen aus Deutschland realisieren: „Wir haben einiges in der konkreten Planung“.

Allerdings brauchen die Partner Geduld: Bis die jeweiligen Vorhaben durch einen externen Prüfer wie etwa den TÜV eine Art Gütesiegel nach einem der international anerkannten Standards erhalten haben und gültige CO2-Zertifikate ausgestellt werden können, dauert es schon einmal bis zu zwei Jahre. „Für ein Start-up ist das eine sehr lange Zeit“, sagt Kakarott.

CarbonStack überwacht die gepflanzten Bäume mit Satellitenbildern von Airbus

Trotz der Prüfung nach festgelegten Standards hat die deutsche Öffentlichkeit nach der Beobachtung des CarbonStack-Gründers „nur geringes Grundvertrauen“ in solche Klimaschutzprojekte und die entsprechenden Ausgleichszertifikate. „Wir glauben, dass Transparenz der Schlüssel ist, um das zu ändern“, sagt Kakarott.

Dabei hilft nicht nur die räumliche Nähe zu den Aufforstungsflächen. Sehr viel stärker als Wettbewerber setzen die Hamburger auf Technologie, um die Nachhaltigkeit der Klimawirkungen zu sichern. „Jeder Baum in unseren Wäldern wird bis zu 30 Jahre lang jährlich mithilfe hochauflösender Satellitenbilder überwacht“, so Kakarott. „Wir können dadurch frühzeitig Ausfälle identifizieren und agieren.“

Die Software zur Bildauswertung arbeitet mit künstlicher Intelligenz

Dafür arbeitet CarbonStack mit Airbus zusammen. Denn das Start-up nutzt Bilder von zwei Erdbeobachtungssatelliten vom Typ Pléiades Neo, die von Airbus Defence and Space entwickelt und gebaut wurden und über eine Auflösung von 30 Zentimetern verfügen. „Damit können wir einzelne Bäume erkennen und ihr Wachstum überprüfen“, erklärt der Firmenchef.

Satellitenbilder hat sein Team aus inzwischen elf Personen aber schon vor dem Start der Pflanzungen verwendet. „Wir haben Aufnahmen mit 1,5 Millionen Bäumen mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet“, sagt Kakarott. „So kann unsere Software jetzt auf den neuen Fotos die unterschiedlichen Baumarten identifizieren und die bisherige Kohlenstoffaufnahme ermitteln.“

CarbonStack-Gründer haben alle einen technischen Hintergrund

Alle vier Gründer von CarbonStack haben einen technischen Hintergrund. Kakarott hat einen Abschluss als Wirtschaftsingenieur der Universität Hamburg, an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg hat er später eine Masterarbeit über die Reform des CO2-Emissionshandels der Europäischen Union geschrieben.

Zweifellos hat die Nutzung der Hochtechnologie, auf die CarbonStack zurückgreift, ihren Preis. „Auf längere Sicht spart es uns aber Geld“, ist Kakarott überzeugt. So werden aufwendige Inspektionsreisen zu den Waldflächen durch die Satellitenbilder überflüssig.

Bis zu 20 verschiedene Baumarten stehen in den neu gepflanzten Wäldern

Ausgefeilte Computertechnik setzt das Start-up auch für die Auswahl geeigneter Flächen für die Aufforstung sowie für die Auswahl der anzupflanzenden Baumarten ein. Dazu verwendet man Simulationsrechnungen, in die Daten von allen Wetterstationen Deutschlands einfließen.

„In der Regel wählen wir auf dieser Basis vier bis fünf Kernbaumarten aus“, sagt Kakarott. „In den vom Borkenkäfer befallenen Regionen zählen hierzu insbesondere Douglasie, Küstentanne und Lärche. Insgesamt werden meist um die 20 Baumarten gepflanzt.“

Umweltschützer: CO2-Ausgleich löst das Problem des Klimawandels nicht

Auch wenn sich Kakarott vorstellen kann, in den nächsten Jahren auch außerhalb Deutschlands Projekte zu starten, zum Beispiel in Skandinavien, sei das Potenzial in der Bundesrepublik noch sehr groß: „Allein hier sind schätzungsweise 500.000 Hektar Waldfläche, fast fünf Prozent des gesamten Bestands in Deutschland, durch Dürreperioden, den Borkenkäfer und durch Stürme zerstört worden – letztlich also als Folge des Klimawandels. Wir finden es schade, dass es für die Waldbesitzer wenig Hilfen gibt, diese Lücken wieder zu schließen.“

Dazu sollen nun die Klima-Ausgleichs-Investitionen der CarbonStack-Kunden beitragen. 40 bis 60 Euro koste die Kompensation einer Tonne CO2, so Kakarott, wobei 80 bis 90 Prozent des eingenommenen Geldes tatsächlich in die Aufforstung fließen.

Sind die Klimazertifikate der Hamburger auch teuer genug?

Allerdings sehen Umwelt- und Klimaschützer solche Projekte durchaus kritisch. „Zur Lösung des Klimawandel-Problems tragen die Ausgleichszertifikate nicht bei“, sagt Christiane Blömeke, Hamburger Landesvorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND. „Sie können sogar dazu führen, dass man CO2-Emissionen nicht vermeidet, obwohl das möglich wäre, sondern sich nur ein gutes Gewissen kauft.“

Zwar heißt es auf der CarbonStack-Internetseite: „Speichern Sie mit uns Ihren unvermeidbaren CO2-Ausstoß durch die Wiederaufforstung eines deutschen Waldes“. Ob jeder Liter Benzin oder Diesel, dessen Klimawirkung durch ein CO2-Zertifikat „ausgeglichen“ wird, aber auf einer tatsächlich unvermeidbaren Fahrt verbrannt wird, dürfte zumindest fraglich sein.

CO2 – Start-up aus Hamburg pflanzt Bäume als Klimaschutz-Ausgleich

Ganz abgesehen davon stellt sich auch die Frage, ob die Bewertung einer Tonne CO2 mit 40 bis 60 Euro angemessen ist. Kakarott weist darauf hin, dass es hier um freiwillige Kompensationsausgaben der Unternehmen geht.

An der Börse kosten Zertifikate aus dem – für manche Branchen verpflichtenden – EU-Emissionshandel jedoch inzwischen mehr als 80 Euro. Und das Umweltbundesamt empfiehlt, einen Preis von sogar 237 Euro pro Tonne CO2 zu verwenden, um die gesellschaftlichen Kosten des Klimawandels zu bewerten.