Hamburg. An fast 30 der rund 200 Stationen der Mineralölkonzerne in der Hansestadt kann man das E-Auto laden – in wenigen Minuten.
Die Elektromobilität hat in Hamburg nun erheblich Fahrt aufgenommen: Im vorigen Jahr ist der Bestand an rein elektrisch angetriebenen Pkw um gut 7500 auf mehr als 20.500 Autos gewachsen, hinzu kommen gut 24.000 Wagen mit von außen aufladbarem Hybrid-Antrieb (Plug-in-Hybrid).
Dazu passt, dass der Absatz von Benzin und Diesel in Deutschland ohnehin Jahr für Jahr sinkt. Auf diese Marktentwicklung reagieren jetzt auch die Mineralölkonzerne. Von den rund 200 Tankstellen in Hamburg sind bereits knapp 30 zu den großen Ketten gehörende Stationen mit Ladesäulen ausgestattet – Tendenz deutlich steigend.
Tankstellen in Hamburg: Viele sind schon mit Ladesäulen ausgestattet
Mit 16 Tankstellen hat die Shell-Gruppe, deren Deutschlandgeschäft von Hamburg aus geführt wird, die Nase vorn. Vor wenigen Tagen nahm Shell am Georgswerder Bogen im Hamburger Hafen sogar erste Ladesäulen im öffentlichen Raum für E-Lkw ans Netz. Es soll der Startschuss für den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur auch für den Schwerlastverkehr sein. Aral, der Tankstellen-Marktführer in Deutschland, hat in anderen Teilen der Bundesrepublik ebenfalls schon Lkw-Ladepunkte installiert.
In Hamburg hat Aral bisher acht Stationen mit Pkw-Lademöglichkeiten ausgerüstet. Dabei dürfte es nicht bleiben. Denn die BP-Tochter will nach eigenen Angaben die Zahl der Ladepunkte in Deutschland bis zum Jahresende von aktuell rund 1500 auf 3000 verdoppeln und dafür bis zu 100 Millionen Euro investieren, für 2025 werden mehr als 5000 Punkte angepeilt.
Man kann 350 Kilometer Reichweite in zehn Minuten aufladen – theoretisch
Dabei setzt Aral auf besonders leistungsstarke Anschlüsse mit bis zu 350 Kilowatt (kW) Ladeleistung. Damit kann man ein Fahrzeug mit 350 Kilometer Reichweite in nur zehn Minuten vollständig aufladen – theoretisch jedenfalls. Denn die Autos sind noch nicht so weit. Selbst ein Porsche Taycan, der derzeit im Hinblick auf die Ladeleistung an der Spitze liegt, schafft nur kurzzeitig maximal 270 kW und im Schnitt 224 kW.
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„Wir glauben aber dennoch, dass im Ultraschnellladen die Zukunft liegt, denn nur wenn Laden so schnell geht wie Tanken, können wir größere Kundengruppen dafür gewinnen“, sagte Aral-Vorstand Alexander Junge dem Portal T-Online. Shell setzt auf Schnelllader mit mindestens 150 kW, an denen man „bis zu 160 Kilometer Reichweite innerhalb von 10 Minuten“ nachtanken könne, wie es von dem Unternehmen heißt.
Eine neue Technik soll den Bau von Schnellladern deutlich erleichtern
Allerdings gibt es da ein Problem: Solche leistungsfähigen Ladesäulen benötigen bisher Spezial-Transformatoren und damit nach Angaben von Shell „kostspielige Bauarbeiten“, die zudem einen teils langwierigen Genehmigungsprozess voraussetzen. Aus diesem Grund hat Shell vor wenigen Tagen an einer Tankstelle in Göttingen eine „innovative“ 150-kW-Ladestation der Volkswagen-Tochter Elli in Betrieb genommen. Diese Säule nutzt ein Batteriespeichersystem, das den direkten Anschluss an ein Niederspannungsnetz ermöglicht und einen Transformator überflüssig macht.
Zwar will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Mineralölwirtschaft verpflichten, bis Ende 2027 an jeder Tankstelle mindestens einen Schnellladepunkt zu errichten. Doch die Branche geht im Hinblick auf die Elektromobilität längst auch andere Wege. So hat Shell im vergangenen Jahr die ersten Ladesäulen an den Parkplätzen von Rewe-Märkten und Penny-Discountern eröffnet. In den nächsten Jahren sollen bundesweit 400 dieser Standorte versorgt werden. „Der Einzelhandel spielt eine zentrale Rolle für den Hochlauf der alltagstauglichen E-Mobilität“, sagte Telerik Schischmanow, Finanzchef der Rewe-Gruppe.
In Hamburg kommen doppelt so viele E-Autos auf eine Ladesäule, wie empfohlen
Trotz solcher Initiativen ist die Zahl der E-Autos zuletzt schneller gewachsen als die der Ladepunkte im öffentlichen Raum. In Hamburg kommen derzeit auf rund 44.500 Autos mit Batterie- oder Plug-in-Hybrid-Antrieb gut 2200 solcher Punkte. Somit müssen sich mehr als 20 Autos einen Ladepunkt teilen, während die Europäische Union (EU) und die Internationale Energieagentur ein Verhältnis von nur zehn Autos pro Ladepunkt empfehlen.
„Das Verhältnis von Lademöglichkeiten zu Fahrzeugen ist im bundesweiten Vergleich nach wie vor gut“, sagt dazu ein Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde – im Bundesschnitt liegt das Verhältnis bei 22 Autos pro Ladepunkt. „Ein starker Aufwuchs von Elektrofahrzeugen, der derzeit zu verzeichnen ist, verringert zwar das Verhältnis, gleichwohl werden aber stetig weitere Lademöglichkeiten entwickelt.“ Insbesondere im privaten Bereich sei ein großes Wachstum zu verzeichnen, „sodass neben dem öffentlichen Grund verstärkt Flächen wie Parkhäuser, Supermarktparkplätze und Tankstellen für den Aufbau von Ladesäulen genutzt werden.“
Sind Tankstellen nach dem Verbrenner-Aus überhaupt noch wirtschaftlich?
Auch die Elektromobilitätsstrategien der Tankstellenbetreiber sind inzwischen breit gefächert. So bietet Aral nun auch seinen Firmenkunden Ladesäulen für ihre Stellplätze an. Shell hat 2021 die Berliner Firma Ubitricity übernommen, die Straßenlaternen zu Ladesäulen aufrüsten will.
Daraus ergibt sich die Frage, ob Tankstellen künftig – auch im Hinblick auf das im Jahr 2035 in der EU bevorstehende Verbot der Neuzulassung von Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor – überhaupt noch wirtschaftlich betrieben werden können. Der französische Ölkonzern Total ist da offenbar skeptisch. Er will sein Tankstellennetz in Deutschland und in den Niederlanden verkaufen und sich in Zukunft auf Elektromobilität sowie Wasserstoff fokussieren.
Tankstellen in Hamburg: Wie sich der Marktführer Aral die Zukunft vorstellt
Zwar hat die Bundesregierung bei der EU durchgesetzt, dass Pkw, die nur nachhaltigen Verbrenner-Kraftstoff tanken können, auch nach 2035 noch verkauft werden dürfen. Die Mineralölbranche ist aber von den Erfolgsaussichten solcher alternativer Kraftstoffe auf dem Pkw-Massenmarkt nicht einhellig überzeugt. Während sich der Bundesverband freier Tankstellen (bft) vehement für sie einsetzt, glauben Total und Shell offenbar nicht so recht daran. „Wir sehen die Anwendung von flüssigen E-Fuels zurzeit eher in Bereichen, die aktuell schwer zu dekarbonisieren sind – also in der Luft- und gegebenenfalls Schifffahrt“, erklärt eine Shell-Sprecherin.
Aral-Vorstand Junge glaubt: „Die Tankstelle wird definitiv nach dem Verbrenner-Aus noch bestehen, aber sie wird anders aussehen müssen und andere Funktionen übernehmen.“ Schon im Jahr 2020 hat Aral in Berlin eine Art Tankstelle der Zukunft unter der Bezeichnung „Mobility Hub“ eröffnet. Neben der Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr finden sich da E-Auto-Ladestationen sowie Angebote für Carsharing, E-Roller und Leihfahrräder – und ja, Benzin und Diesel gibt es dort auch noch.