Hamburg. Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisiert Unternehmer – und erntet tosenden Applaus. Haben OMR-Besucher ein grünes Gewissen?

Es war, sagte OMR-Gründer Philipp Westermeyer, seine größte Sorge, und sie wurde wahr: Während sich mitten am zweiten Tag des OMR Festivals erneut 70.000 Besucherinnen und Besucher auf dem 100.000 Quadratmeter großen Gelände der Messehallen tummelten oder bei Flat White mit Stulle auf einem Liegestuhl auf dem Außengelände networkten, begann es plötzlich zu tröpfeln. Fatal, wenn eines der Hauptargumente für den Verkauf eines 399 Euro teuren Tickets das Netzwerken mit Gleichgesinnten unter freiem Himmel ist.

Doch kaum begannen die Massen, in die Hallen zu strömen, hatten die Veranstalter bereits Regentonnen mit schwarzen Stockschirmen aufgestellt. Und doch fragte man sich auch am Mittwoch erneut: Was zieht diese Massen an Menschen nach Hamburg? Sind es wirklich Masterclasses wie „F*CK BEREAL: So slayst du die GenZ mit Communities in 2023“ oder „Wie Spiritualität dein Business wachsen lässt“? Wohl kaum.

OMR 2023: Luisa Neubauer kritisiert Premium-Partner des Festivals

Trotz Party am Dienstagabend und eines Konzerts der Deutschrapper „KIZ“, bei dem nach Angaben der Band „10.000 Online-Marketing-Unternehmer in verschwitzten, lachsfarbenen Polohemden ein Moshpit formten und gegeneinander pogten“, war die große Konferenzhalle bereits am frühen Mittwochmorgen fünf Minuten vor der Begrüßung durch OMR-Gründer Philipp Westermeyer gefüllt. Sie war sogar so voll, dass die in Pastellfarben gekleideten überwiegend unter 40-Jährigen auf dem Boden in den Gängen saßen – selbstverständlich Selfies schießend von sich und den anderen Medienschaffenden.

Muchsmäuschenstill begab sich die Menge daraufhin geduldig mit Westermeyer auf den Weg in eine andere Welt. In eine Welt aus blauem Licht, lauter stimmungsvoller Musik und Raumschiffen, die auf überdimensionalen Bildschirmen herumschwebten. Doch auch wenn man nicht genau wusste, warum eigentlich, so war die Gänsehaut in der Halle förmlich zu spüren. Vielleicht ist es das Bedürfnis nach Zugehörigkeit oder bei etwas Großem dabei zu sein. Etwas, das noch in der Zukunft liegt und nach dem doch alle Anwesenden irgendwie suchen.

„Winner“ oder „Loser“ – die Reichweite entscheidet

Vielleicht hörten alle dem Gründer deshalb so genau zu, als er aktuelle „Winner“ und „Loser“ der Digitalszene präsentierte und die wohl alles entscheidende Frage hinter allem versuchte aufzudecken: Wie um alles in der Welt wird man erfolgreich? Wobei Erfolg sich laut Präsentation offenbar lediglich am Indikator Reichweite messen lässt und damit an Aufmerksamkeit und somit also in Geld. Zu den „Winnern“ der vergangenen zwölf Monate gehörten laut Westermeyer beispielsweise das Sport Streaming mit „gigantisch“ gestiegenen Werten von Live-Sportrechten oder etwa der Bereich „Climate Tech“, in den mittlerweile ein Viertel des weltweiten Venture Capitals fließe.

Apropos Klima: Da war der Vortrag von Daniel Grieder auf der größten OMR-Bühne ein Vorspiel. Grieder hat als Hugo-Boss-Boss seit 2021 das schwäbische Mode-Unternehmen zurück in die Erfolgsspur gebracht. Auf der Bühne beeindruckte der Schweizer aber vor allem mit seinem Outfit. Sneaker, klar, aber auch: Sakko mit Einstecktuch. Da hatte einer also Mut zum altmodischen Auftritt. Modern wollte er aber auch sein, und das heißt heute: klimabewusst. Auch wegen des Polyester-Ausstoßes der Modebranche gebe es bei gleichbleibender Entwicklung 2050 mehr Plastik als Fische in den Gewässern, wusste Grieder zu berichten. Da will Hugo Boss perspektivisch besser werden, weil, so Grieder: „No planet, no fashion“.

Luisa Neubauer kritisiert Greenwashing-Methoden

So etwas ist leichter gesagt als getan. Luisa Neubauer, die bekannteste Öko- und Klimaaktivistin, weiß das sehr gut. Sie kam direkt nach Grieder auf die Bühne, und sie sorgte für die größte Zuhörerdichte des Festivals. Für ihn sei Neubauer in diesem Jahr der wichtigste Gast, sagte Westermeyer. Und dann legte die 27-Jährige los. In einem furiosen Vortrag adressierte sie die Entscheider in Politik und Wirtschaft – und kritisierte dabei deren Greenwashing-Manöver.

„Vier von fünf Firmen haben nicht den Hauch einer Idee, wie sie ihre formulierten Klimaziele erreichen können“, erklärte Neubauer. Was das Agieren der großen Unternehmen angeht, fielen ihr etliche Beispiele ein, wie man es besser nicht machen sollte. Pikanterweise nannte sie im Hinblick auf den Dieselskandal („Krimineller Kundenbetrug“) OMR-Premiumpartner Audi. Mit entsprechender Publikumsreaktion. Neubauers Rede war pointiert und engagiert, auch alarmierend, aber was die Motivation der Zielgruppe angeht, nicht ungeschickt. Man müsse, sagte Neubauer, das Klima wirklich schützen und nicht nur so tun, als ob.

Neubauer: Unternehmertum oftmals Klimakiller

„Geschichte schreiben statt Märchen erzählen“ (Neubauer) also. Einen kleinen Seitenhieb erlaubte sie sich dann doch und sprach davon, nicht nur das zu machen, „was in den Businessplan passt“. Dafür sind die Start-up-Unternehmer und Digital-Träumer aber in die Messehallen gekommen. Darauf hat auch OMR-Gründer Westermeyer seine Erfolgsgeschichte gebaut: auf erfolgreichem Unternehmertum. Bedauerlicherweise ist das bislang so oft gleichbedeutend gewesen mit Klimakillen. Kein Wunder, dass Westermeyer auch im anschließenden Gespräch mit Neubauer etwas nervös wirkte. Die bekam nach ihrem Vortrag übrigens donnernden Applaus – OMR-Besucher haben, scheint’s, ein grünes Gewissen. Bis zum nächsten Pitch.

Auch Joe Kaeser, ehemaliger Siemens-Chef, griff das Thema Klimaschutz bei seinem Auftritt auf. Nahezu selbstgefällig philosophierte der äußerlich durch Hemd und Jackett fast aus dem Rahmen fallende Ex-Boss im bayerischem Dialekt über die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, attestierte der Welt aber: „Wir haben eine Klimakrise.“ Alle, die das noch nicht begriffen hätten, sollten sich gefälligst wieder hinlegen. Die Nachricht, dass der deutsche Heizungsbauer Viessmann sein Geschäft in die USA verkauft, habe Kaeser dennoch „getroffen“. Zwar wollte der 65-Jährige sich politisch nicht zu der Novellierung des viel diskutierten Gebäudeenergiegesetzes mit den neuen Vorgaben zum Heizungstausch äußern, verteidigte das Familienunternehmen jedoch in seiner Entscheidung und äußerte Verständnis.

Kaeser: Innovationen statt CO2-Einsparungen

Darüber hinaus seien Kaeser zufolge die Bestrebungen Deutschlands, die CO2-Emissionen bis 2023 durch Einsparungen zu halbieren, zwar unterstützenswert. Die entscheidende Frage aber sei, „welche Lösungen wir gegen die CO2-Emissionen mithilfe von Innovationen finden und wie Deutschland dadurch seinen Wohlstand sichern“ könne.

Direkt nach dem mächtigen Ex-Siemens-Boss betrat der erfolgreiche Instagram- und TikTok-Influencer Nader El-Jindaoui eine der größten Bühnen des Festivals. „Die Jindaouis – Deutschlands wachstumsstärkstes Social-Media-Phänomen erstmals im Interview“, so der Titel des Auftritts. Auch das ist das OMR-Festival. „Nader wer? Und bitte was?“, dürfte sich in diesem Moment nicht nur die Volksbank-Frau gefragt haben. Die Jindaouis sind ein junges Elternpaar, das ihr Familienleben und den Versuch des Vaters, einen Profifußballvertrag zu unterschreiben, über ihre Social-Media-Kanäle begleitet.

Dass mehr als eine Milliarde TikTok-Klicks aber nicht automatisch dazu befähigen, vor Tausenden Menschen ein Bühnen-Interview zu geben, bewies Jindaoui am Mittwochmittag. Ob er denn eine genaue Strategie bei seinen Beiträgen verfolge?, wollte der OMR-Fragensteller von dem 26 Jahre alten Berliner wissen. „Ähm, nö. Eigentlich nicht“, antwortete der Fußballer aus der zweiten Mannschaft von Hertha BSC und grinste. Okay, immerhin ehrlich. Nächster Versuch des Interviewers: Was denn sein Erfolgsgeheimnis sei?, wollte der OMR-Mann von seinem Gast wissen. Antwort Jindaoui: „Immer alles geben.“

Bahnbrechende Erkenntnisse gab es demnach nicht, und die Antwort auf die alles entscheidende Frage nach Erfolg blieb auch aus.

Hier die diskutierte Rede von Luisa Neubauer zum Nachlesen im Wortlaut:

„Schön hier zu sein, und danke für die freundliche Spende von OMR an unseren Aktivismus.

Endlich kann ich mal mit richtig guten Nachrichten um die Ecke kommen. Als wir vor 2019 angefangen haben, mit Fridays for Future auf die Straße zu gehen, hätten wir uns nicht ausmalen können, wo wir im Jahr 2023 landen würden.

Damals schien die Idee, dass ein Land wie Deutschland eines Tages vollständig aus der Kohleaussteigen könnte, wie ein naiver Wunschtraum. Damals schien undenkbar, dass Discounter große Nachhaltigkeitskampagnen machen würden, oder der Kohlegigant RWE auf Windkraft setzen würde, oder dass ausgerechnet Shell, der Öl-Riese aus den Niederlanden bis 2030 klimaneutral werden möchte. Heute ist es selbstverständlich, dass nicht nur Staaten, sondern auch Städte, Kommunen und Konzerne Klimaziele haben. Überall will man loslegen.

Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Wir sind mit der Klimabewegung losgezogen, um zu kämpfen, und was kann ich sagen: Alles geht. Naja, fast alles.

Es gibt nur einen Haken: Während Wirtschaftswelt und Politik den Eindruck vermitteln, wir würden alle schon längst die Welt retten, erzählt die Welt da draußen eine ganz andere Geschichte. Deutschland wird seine Klimaziele bis 2030 Stand jetzt nicht einhalten können, die größten fossilen Unternehmen planen weiter zu expandieren, die globalen Emissionen sind zuletzt pro Jahr mehrgestiegen als je zuvor.

Während ich hier spreche, müssen zehntausende Menschen in Kanada vor Bränden evakuiert werden. In Pakistan erleben wir live, wie Regionen unbewohnbar werden, in denen im Sommer nun Temperaturen von 50 Grad erwartet werden. Vor zwei Tagen sind 400 Menschen bei Erdrutschen im Kongo gestorben. In Deutschland breitet sich das West-Nil-Virus aus, übertragen durch eine giftige Mückenart, die es hier eigentlich gar nicht geben sollte - würde sich das Klima nicht verändern.

Menschen denken bei der Klimakrise oftmals an einen großen Knall, an die eine filmreife Apokalypse. Doch so funktioniert es nicht. Viel mehr stirbt eine Welt nach der anderen, mal leise, mal laut. Und dann ist die eigene Heimat auf einmal nicht mehr sicher, weil die Kohlebagger kommen, dann sind die Kinder nicht mehr sicher, weil sie von der Luftverschmutzung Asthma bekommen. Und dann ist der Urlaub kein Urlaub mehr, wo will man auch noch hin - nach Frankreich in die Dürre, nach Italien in die Überschwemmungen, nach Spanien in die glühende Hitze, man weiß es nicht mehr.

Was wir gerade erleben, ist eine neue Phase in der Klimakrise. Auf der einen Seite eskaliert die ökologische Lage wie nie zuvor - und auf der anderen Seite spricht man so viel über das Klima wie nie zuvor. Statt aber vom Reden ins Handeln zu kommen, und all die bekannten Lösungen zu nutzen, um von den Emissionen wegzukommen - hat man in einen neuen Modus geschaltet.

Es ist der Modus der grünen Märchen.

Für die Politik heißt das, man findet neue Begriffe für alte Praktiken, da wird eine Autobahn, die mitöko-gewissen gebaut ist, zur “Klimaautobahn”, da wird fossiles Gas vom Klimakiller zur “Brückentechnologie”.

Und in der Wirtschaft? Ja, da passiert gerade etwas, was man wohl als größten Greenwashing-Skandal der Geschichte bezeichnen kann.

Jedes Jahr untersucht das New Climate Institute die Klimaziele von deutsche und internationalen Unternehmen und ob sie diese Ziele erreichen können. Dabei gucken sie vor allem auf Unternehmen,die sich schon als “klima-bewusst” herausstellen. Das Ergebnis: Ja, die Firmen haben alle Klimaziele, aber vier von fünf Firmen haben nicht den Hauch eines Planes, diese Ziele einzuhalten. Und ein Klimaziel ohne Plan ist nichts anderes als ein grünes Märchen von Veränderungen, die nichtkommen werden. Es ist Greenwashing.

Um zu verstehen, wie sowas ganz konkret aussieht, muss man gar nicht weit gucken, hier auf den OMR-Bühnen kann man ganz hervorragend viel darüber lernen.

Christian Sewing, der Vorstandschef der Deutschen Bank, spricht hier. Ich war auf der letzten Hauptversammlung, da hat er erklärt, man wolle “aus tiefster Überzeugung” den globalen Wandel “zu einer nachhaltigen, klimaneutralen (...) Wirtschaft mitgestalten”.

Und was sagen die Zahlen? Aktuell ist die Deutsche Bank weltweit in den Top 25 der Banken mit den größten fossilen Investitionen. In den letzten 7 Jahren - also seitdem man durch das Pariser Abkommen festgelegt hat, dass man sich von fossilen Energien verabschieden muss - hat die Deutsche Bank Kredite im Wert von 1,8 Milliarden US Dollar an TOTAL gegeben. Das ist einer der dreckigsten, gefährlichsten Öl-Konzerne weltweit, aktuell plant Total sie in Uganda den Bau der größten Roh-Öl-Pipelines der Geschichte, mitten durch einige der wertvollsten Naturschutzgebieten auf dem afrikanischen Kontinent.

Es gibt aber noch eine Tochter der Deutschen Bank, die DWS, hat einen eigenen Öko-Fonds für Anleger mit grünem Gewissen.

Nun, es stellt sich heraus, dass DWS im letzten Jahr klimaschädliche Aktien im Wert von fast ein Milliarde Euro gekauft hat. Das ist nicht nur falsch, das ist möglicherweise kriminell, zumindest guckt sich jetzt das Bundeskriminalamt dort um.

Joe Kaeser ist ja auch hier, er ist der Aufsichtsratsvorsitzende von siemens energy, auch hier willman ganz dringend Klimaschutz machen man hat sich eine “ambitionierte decarbonisierungsstrategie” auferlegt. Und was sagen die Zahlen? Alleine die Produkte, die Siemens Energy letztes Jahr verkauft hat, werden über ihre Lebensdauer hinweg ca. 16 x so viel CO2 verursachen wiesämtliche RWE-Kraftwerke in einem Jahr ausstoßen. Weltweit ist Siemens Energy hochaktiv im Geschäft rund um neue Gaskraftwerke, Pipelines und Gasfelder sei es in den USA, in Mosambik, Nigeria oder Brasilien.

Und dann wäre da zum Beispiel noch Audi, der Premium Partner der OMR

Ja, die haben zusammen mit ihren Freunden im Diesel-Skandal praktisch die Mutter alle Greenwashing-Kampagnen ins Leben gerufen, hochprofessionell und hochgradig kriminell. Da hat nicht ein Praktikant dern grünen power-point-öko-booster gedrückt, sondern da hat man Kundenbetrug von industriellem Ausmaß begangen. Man wollte den Kunden SO SEHR versprechen, dass die Autos doch gar nicht so schlecht sind für die Luft, es wurde ja auch immer öffentlicher wie viele Millionen Menschen auf der Welt jedes Jahr an Luftverschmutzung sterben, man wollte nur AUF KEINEN FALL irgendwas substanziell am Geschäftsmodell oder Produkt verändern müssen.

Ähnliche Muster, wie bei den drei Firmen, sehen wir überall, im großen und im kleinen, in Summe in gigantischen Ausmaßen. Die Welt brennt, und statt Wasser zum Löschen holt man die grüne Farbe raus. Wer jetzt denkt “Chill mal, die Leute, die versuchen es doch, und überhaupt, gebt denen doch ein bisschen Zeit”. - Zeit zum Einlenken ist genau das, was man in der Vergangenheit reichlich hatte,aber in der Zukunft immer weniger. Seit 40 Jahren ist die Klimakrise bekannt, seit 30 Jahren gibt es globale Klimagipfel und seit 8 Jahren das Pariser Abkommen. Bis 2030 müssen die Emissionen global halbiert werden, um die schlimmsten Katastrophen noch zu verhindern, das ist in 7 Jahren. Diese Jahre - das ist wichtig,sich bewusst zu machen - diese Jahre bis 2030, das ist ein heiliger Zeitraum, die entscheidenden Jahre, in denen wir die schlimmsten Katastrophen stoppen können - wenn jetzt gehandelt wird. Doch genau das wird verhindert, indem man statt auf echtes Handeln auf Greenwashing setzt. Und mein Eindruck ist: Es wird maximal unterschätzt, wie gefährlich das für uns alle wird.

Greenwashing ist kein kleines H&M-Instagram Problem, bei dem man etwas überambitioniert mit grünen Überschriften hantiert hat: Sage und schreibe 200 Milliarden US Dollar stecken fossile Industrien und alles was dazu gehört laut Untersuchungen jedes Jahr in ihr Marketing. Tendenz steigend. Immerstärker wird dabei auf das nachhaltige Image gesetzt, immer mehr setzt man auf Öko-Bullshit-Slogans mit den abgelenkt statt eingelenkt wird

Der UN Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnet Greenwashing als riesen Problem in unseren Bemühungen, die Klimakrise einzudämmen - denn statt sich ehrlich zu machen, verschwendet man Zeit an Fake Lösungen und grüne Märchen.

Der Greenwashing-Modus, an dem sich weite Teile der Wirtschaft beteiligten, würde nichtfunktionieren ohne die Welt des Marketings. Mit großer Kreativität wägt man Menschen in falscher Sicherheit und gaukelt ihnen vor, dass Produkte nachhaltig oder Firmen verantwortungsvoll wären.

Je mehr man darüber nachdenkt, desto ekliger ist es: Man nimmt das hart erarbeitete Klimabewusstsein der Menschen und manipuliert es für die eigenen Profitinteressen.

Und im schlimmsten Fall hält das Menschen vom Handeln ab - warum sollte man sich noch einsetzen, wenn doch alles schon so grün glänzt. Wenn es dann öffentlich wird, wie viele von den grünen Versprechungen eigentlich ein Scam waren -dann zerbricht das Vertrauen von Menschen und Kunden. Das wiederum trifft die wirklichnachhaltigen Projekte am allermeisten, denn das Vertrauen in alle Arten von Labels und Überschriften wird gebrochen. Man verliert die Menschen für die Sache.

Grüne Märchenschlösser, so weit das Auge reicht. Und manchmal ist es ein Märchenschloss im Märchenschloss, das ist der Fall beim Offsetting - ein beliebter Weg um Klimaziele zu erreichen, man kauft Zertifikate in der höhe der eigenen Emissionen und dann werden die Emissionen irgendwo anders, in Wäldern etwa, reduziert. und ja, in seltenen Fällen klappt das.

Wie aber immer mehr Untersuchungen zeigen: der allergrößte Teil der offiziellen CO2-Zertifikaten sind wieder einmal - ein leeres Versprechen, kreatives Accounting, man verschwendet wertvolle Zeit an Lösungen, die keine sind.

Ich verstehe auch warum all das funktioniert. Es klingt so wahnsinnig gut. Wir können es dem Klima und unserer Bequemlichkeit und der Bilanz gerecht machen, zu schön um wahr zu sein - im wahrsten Sinne des Wortes.

Es funktioniert noch, zumindest. Denn es wird absehbar, immer schwerer werden, mit Greenwashing durchzukommen, immer öfter landen die Fälle vor Gericht, in diesen Monaten werden dazu Gesetze verhandelt.

Es geht nur nicht schnell genug.

Gerade während wir nun erleben, wie zäh es in der Klimapolitik werden kann, muss die Wirtschaftdringender denn je einlenken - und eigenständig eine wettbewerbsfähige Ökonomie aufbauen, die innerhalb der planetaren Grenzen funktioniert.

Es ist ja nicht so, als wäre die Alternative zu “Weiter-so”, dass wir alle einpacken. Sobald man anerkennt, dass Geschäftsmodelle, die auf die Steigerung von fossilen Absatzmärkten arbeiten, keine Zukunft haben, macht man ja Platz für all die wirklich nachhaltigen und zukunftsfähigen Ideen. Diese Ideen und Konzepte dürfen keine Nischen bleiben, sondern müssen in den Mainstream kommen. Und man darf vermuten, dass die meisten Menschen, die am Vermarkten von Fake-Lösungen und begrünten Märchen beteiligt sind, selbst ahnen, dass das nicht aufgeht.

Für alle die heute, in einem Job, in einer Firma oder Organisation arbeiten, die sich grüner gibt als sie ist, die wertvolle Arbeitskraft von Mitarbeiter:innen nutzt um lieber das gestrige Geschäftsmodell zu schützen, als die Bewohnbarkeit unseres Planeten - Für all diese Menschen haben sich Experten angeguckt, was der wirkungsvollste und vielleicht auch notwendige Beitrag ist, den man leisten kann:

Macht da nicht mehr mit.

Kündigt. Nicht alle haben die Freiheit, ihren Arbeitsplatz frei wählen zu können, aber viele Menschen haben das, vielleicht gerade jetzt mehr denn je - in den Zeiten wo überall händeringend qualifizierte Menschen gesucht werden.

Wenn ihr die Wahl habt: Lasst eure Ideen, eure Zeit, eure Energie und Kreativität nicht dort, wo Klimaziele gesteckt, aber nicht eingehalten werden, wo man meint, mit Offsetting durchzukommen, und mit grünen Erzählungen mitten im Weg von echten Veränderungen steht. Bietet eure Arbeitskraft nicht mehr fossilen Geschäftsmodelle an, die nicht dazu lernen wollen.

Sondern: Geht an die Orte die fossilfrei arbeiten wollen - und es auch wirklich tun werden. Denn dort ist die Marketing-Welt, ja so dringend gebraucht: Jahrhundertelang sind Fantastilliarden in die Vermarktung fossiler Träume und fossiler Produkte geflossen, ob es Autos sind, oder FastFashion, Flugreisen oder oder oder oder. Mehr denn je werden jetzt Menschen gebraucht, die echte Lösungen groß und bekannt machen. Mehr denn je werden Menschen gebraucht, die zeigen, wie das gute Leben aussehen kann, wenn wir wirklich das Klima schützen, und nicht nur so tun.

Unternehmen und Institutionen - wie RWE oder die Deutsche Bank, die das Klima weiter zerhäckseln wollen, die in den nächsten Jahren um jeden Preis weitermachen wollen wie bisher - diese Unternehmen wird es immer geben. Aber dann sollen sie - sorry to say - auch die Eier in der Hose haben, dazu zu stehen, statt zum wirklich unmoralischten aller Mittel zu greifen, und Menschen und Kunden um ihr Gewissen zu betrügen.

Dieses Jahrzehnt ist entscheidend, und wir alle werden uns einmal fragen „Was haben wir in diesem Jahrzehnt, in den 20ern des 21. Jahrhunderts gemacht?” Wo waren wir, wo haben wir gearbeitet,und wofür? Dabei gibt es zwei große Pfeiler, die uns in diesem Jahrzehnt Orientierung gebenkönnen:

1 . Der fossile Absatzmarkt kann nicht weiter wachsen. Schon heute verbrauchen wir in Deutschland Ressourcen von drei Planeten - um davon wegzukommen, braucht es Wendepunkteweg von allem was fossile Energien und Ressourcen verschleißt - Fleisch, Fast Fashion, Fliegenfossile Industrien, Verbrenner und so weiter. Das ist alles andere als radikal, selbst Studien der Bundesregierung sehen vor, dass der Fleischverzehr radikal runter gefahren werden muss, genau wie die Zahl an Autos auf deutschen Straßen.

Und 2 : Der Zeitraum bis 2030 ist entscheidend, wir rennen ja gegen die Zeit an. Bis 2030 heißt es,alles umzukrempeln, was geht. Das braucht es nicht zuletzt, weil international so dringend Vorbilder und Taktgeber gebraucht werden.

Schon jetzt gibt es Organisationen im Marketing, die sich dem verschrieben haben. Unter “cleancreatives” tun sich zum Beispiel Menschen weltweit zusammen, die aufgehört haben Werbung für Ideen von Vorgestern zu machen. Mittlerweile haben sich nicht nur tausende Kreative, sondern auch hunderte Agenturen dem Netzwerk angeschlossen.

Sie alle verstehen: Wir Aktivistinnen werden das Klima nicht ehrenamtlich retten können, wenn andere es hauptberuflich zerstören, wie Eckart von Hirschhausen sagt.

Der erste Schritt ist - dass wir uns ehrlich machen und aufhören Märchen zu erzählen - wenn wir doch eigentlich Geschichte schreiben können.

Und jetzt kommen wir zur wirklich guten Nachricht, die ich euch heute mitgebracht habe: Wenn wir uns in aller Ehrlichkeit die Welt angucken und die Krisen als das anerkennen, was sie sind - dann ist das - in meiner Erfahrung - gar kein Moment der Verzweiflung. Dann ist das ein Moment der Befreiung. Sobald wir die Wirklichkeit nicht mehr verklären und zu dem umbauen, was gerad ein unser Businessplan reinpasst, sobald wir uns ehrlich machen über die Welt, in der wir navigieren, können wir losziehen und für echte Lösungen einstehen. Dann können wir losziehen und echte Lösungen berühmt machen.

Und wisst ihr was - ich verspreche euch: Es wird sich lohnen. Es wird sich sowas von lohnen. Dankeschön.“