Hamburg. Um hohe Zinsen zu erzielen, bewegen Anleger größere Summen – das alarmiert die Banken. Die Folgen können gravierend sein.
Auf der Jagd nach hohen Zinsen setzen sich viele Bankkunden einem gefährlichen Verdacht aus, wenn sie mit größeren Beträgen hantieren. Schneller, als man denkt, kann man in den Verdacht der Geldwäsche geraten. So wie Peter S. aus Hamburg. Er hatte einen mittleren fünfstelligen Betrag von seiner Hausbank an den Aktienbroker Trade Republic überwiesen, der dafür zwei Prozent Zinsen bietet.
Doch schnell kamen Fragen nach der Herkunft des Geldes vom Aktienbroker. S. schickte seine Jahressteuerbescheinigung. Doch der Beleg über seine Einkünfte reichte Trade Republic nicht aus. Dort wollte man noch mehr Nachweise. S. war das zu viel Aufwand, und er überwies das Geld zurück auf sein Girokonto.
Zinsen: Anleger geraten schnell unter Geldwäsche-Verdacht
„Ich fürchtete, dass das Konto bei Trade Republic gesperrt würde und ich dann überhaupt nicht mehr über das Geld verfügen kann.“ Keine unbegründete Annahme, wie der Hamburger Anwalt Achim Tiffe von der Kanzlei Juest und Oprecht bestätigt. „Wenn man auf solche Auskunftsbegehren nicht sofort reagiert, droht die Sperrung des Kontos“, sagt Tiffe. Dann gibt es für längere Zeit erst einmal überhaupt keine Zinsen mehr.
Wie können Verbraucher reagieren, die in Verdacht der Geldwäsche geraten? Was sind die Auslöser für die steigende Zahl der Verdachtsmeldungen? Warum nimmt ihre Zahl aktuell so stark zu? Was kann ich tun, wenn mein Konto gesperrt oder gar gekündigt wird? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum nehmen jetzt die Geldbewegungen wieder zu?
Jahrelang lag das Ersparte unberührt auf den Konten der Sparer. Es gab keine Zinsen, oder es wurden sogar Strafzinsen von den Banken kassiert. Mit der Zinswende sind die Verbraucher auf der Suche nach attraktiven Zinsangeboten. Meist gibt es die nicht bei der Hausbank und auch nur für Neukunden. Einige Beispiele: So bietet die zur Santander-Gruppe gehörende Openbank derzeit 3,25 Prozent auf dem Tagesgeldkonto für die ersten sechs Monate. Aber eben nur für Neukunden. Die schwedische TF Bank erhöhte von drei auf 3,15 Prozent. Wer davon profitieren will, muss Geld bewegen.
Wie oft geraten Bankkunden unter Verdacht der Geldwäsche?
„Früher war Geldwäsche und Kontosperrung für uns überhaupt kein Thema, jetzt kommen aber schon Verbraucher mit diesen Problemen zu uns“, sagt Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg. Einer ihrer jüngsten Fälle ist ein Kunde der Commerzbank, dem nach über 40 Jahren Konten und Depot völlig überraschend gekündigt wurden. Die Gründe dafür kennt er nicht. Die Zahl der Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche ist in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert.
„Die Banken melden lieber einen Verdacht zu viel als zu wenig, weil sie stärker kontrolliert werden und hohe Bußgelder fürchten“, sagt Föller. Im Jahr 2021 gab es fast 300.000 Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Das Meldeaufkommen hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre mehr als verzwanzigfacht. Auch die Hamburger Sparkasse bestätigt eine Zunahme der gemeldeten Verdachtsfälle, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Die steigende Tendenz setze sich in diesem Jahr fort, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg.
Gibt es tatsächlich so viele Fälle von Geldwäsche?
Eher nicht. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz bemängelt das Missverhältnis messbarer Erfolge im Vergleich zum Meldeaufkommen. Im Jahr 2021 erhielt die zuständige Behörde, die Financial Intelligence Unit (FIU), knapp 14.186 Rückmeldungen (bei 298.507 Verdachtsfällen) von den Ermittlungsbehörden zu den weitergeleiteten Sachverhalten. Davon führten gerade einmal 286 zu einem Urteil. Anklage wurde in 315 Fällen erhoben, was einer Quote von 2,22 Prozent der Rückmeldungen entspricht.
Was versteht man eigentlich unter Geldwäsche?
Es geht um das Einschleusen von illegal erwirtschafteten Geldern aus Drogenhandel, Prostitution und Korruption in den legalen Wirtschafts- und Finanzkreislauf. Nicht nur Geldinstitute sind zu Verdachtsmeldungen verpflichtet, sondern beispielsweise auch Notare, Immobilienmakler und Finanzvermittler.
Wie begründet der Aktienbroker sein Vorgehen?
Trade Republic verweist auf die gesetzlichen Vorgaben aus dem Geldwäschegesetz. „Die Abfrage zur Mittelherkunft ab gewissen Größenordnungen dient der Erfüllung unserer Sorgfaltspflicht als ein von der Finanzaufsicht BaFin reguliertes Wertpapierinstitut“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Belege des Arbeitgebers seien dabei grundsätzlich ausreichend. „Es kann aber in Einzelfällen erforderlich sein, dass weitergehende Informationen angefordert werden müssen, beispielsweise bei größeren Erbschaften“, so der Sprecher.
Ab welcher Höhe der Einzahlungen Prüfungen erforderlich sind, will der Unternehmenssprecher nicht sagen. „Es wird immer unter den Gesichtspunkten des jeweiligen Einzelfalls überprüft, ob und welche weitergehenden Nachweise angefordert werden müssen“, so der Sprecher. „Die institutsspezifischen Prozesse dienen der Sicherstellung eines effektiven Schutzes der Finanzwirtschaft vor Finanzkriminalität, weshalb sie von den Instituten nicht extern offengelegt werden können.“
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Kunde Peter S. vermutet, dass Trade Republic von Kunden überrollt wird, die sich die hohen Zinsen sichern wollen, und deshalb besonders streng prüfe. Das weist der Broker zurück. Man freue sich über jeden Kunden, und eventuelle Nachfragen resultierten nur aus den gesetzlichen Auflagen.
Wann hat die Bank einen Verdacht auf Geldwäsche?
Die Banken geben dazu keine Auskunft. „Kunden dürfen nach dem Geldwäschegesetz nicht gewarnt werden“, sagt Achim Tiffe, Fachanwalt für Banken- und Kapitalmarktrecht. Ein weiteres Problem: Banken nutzen unterschiedliche EDV-Systeme, Risikoanalysen und Schwellenwerte, um auffällige Geldbewegungen auf den Konten zu identifizieren. „Nach dem Geldwäschegesetz überprüfen wir Transaktionen dahingehend, inwieweit diese zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und dem Kundenverhalten passen“, sagt die Sprecherin der Haspa. Daran seien auch die internen Prüfmechanismen der Haspa ausgerichtet.
Alles, was von der Regel abweicht, kann zu einem Verdachtsfall werden: „Eine Erbschaft, eine Abfindung, ein Goldverkauf, auch Bareinzahlungen oder bestimmte Nationalitäten sind verdächtig“, sagt Tiffe. „Das ist ein latentes Problem für die Kunden, und es gibt keine befriedige Lösung. Denn mit der Kontensperrung sind alle Zahlungen blockiert, die Betroffenen bleiben Miete und viele andere Zahlungen schuldig.“ Auch eine Gewinngutschrift von wenigen Cent aus einem illegalen Glücksspiel oder der Handel mit Kryptowährungen kann eine Verdachtsmeldung auslösen. Bei Bareinzahlungen von mehr als 10.000 Euro bei der Hausbank müssen Kunden einen Nachweis über die Herkunft des Geldes vorlegen.
Welche Nachweise belegen, dass das Geld legal ist?
Die Finanzaufsicht BaFin nennt dafür einige Beispiele: Verkaufsbelege über die Veräußerung eines Autos oder von Gold, Kontoauszüge über das abgehobene Geld, Sparbuch, Schenkungsverträge oder Verfügungen des Nachlassgerichtes.
Zinsen: Wie kann man auf Kontosperrung wegen Geldwäsche-Verdachts reagieren?
Dann ist anwaltliche Hilfe ratsam, weil die Anwälte die Abläufe besser kennen. Mit der Bank lässt sich dann nicht mehr viel verhandeln, denn aus eigener Entscheidung wird sie die Sperre kaum aufheben, und sie nennt auch keine Gründe. „Die Bank wartet dann auf eine Entscheidung der FIU, und die wiederum gibt die Fälle an das Landeskriminalamt“, sagt Tiffe. „Nach unserer Erfahrung ist das Landeskriminalamt sehr aufgeschlossen, wenn Nachweise über die Herkunft des Geldes erbracht werden. Wir bekommen dann die Konten meist wieder frei.“ Wichtig sei, dass die Herkunft der Überweisungen belegt werden kann.
Haben Kunden Anspruch auf Auskünfte?
Von der Bank nicht. Aber man kann die FIU fragen, ob bei ihr Daten vorliegen. Die Stiftung Warentest verweist darauf, dass jeder nach Paragraf 49 Geldwäschegesetz ein Recht auf Auskunft hat.
Darf die Bank Konten einfach kündigen?
Die Bank darf ein Konto ohne Angabe von Gründen kündigen, auch nach langer Geschäftsbeziehung. Mindestens zwei Konten zu unterhalten ist also ratsam, rät die Stiftung Warentest.