Hamburg. Das Hamburger Schuhhandelshaus befindet sich in einem Sanierungsverfahren. Doch nun sieht es erneut kritisch aus.
Der angeschlagene Schuhhändler Görtz kommt nicht zur Ruhe. Das Hamburger Unternehmen hatte im vergangenen September Insolvenz angemeldet und befindet sich seitdem in einem Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung. Im Februar hatte die Geschäftsführung angekündigt, dass Görtz weitermachen könnte – allerdings nur mit der Hälfte der zeitweilig 160 Filialen, deutlich weniger Personal und neuen Geldgebern.
Die Gründerfamilie Görtz hatte sich im Zuge des Prozesses komplett aus der vor knapp 150 Jahren gegründeten Firma zurückgezogen. „Wir sind sehr froh, dass es uns gelungen ist, in so kurzer Zeit einen Investor zu finden, damit es weitergeht“, hatte Görtz-Geschäftsführer Frank Revermann damals dem Abendblatt gesagt. Doch nun sieht es erneut kritisch aus. Um das Unternehmen zu retten, könnte es weitere Filialschließungen geben. Schon jetzt ist nicht zu übersehen, dass das Sortiment in den Läden reduziert worden ist.
Görtz verkauft deutlich weniger Schuhe als erwartet
Der Hintergrund: Die Umsätze des Filialisten lagen im ersten Quartal 2023 deutlich unter den Erwartungen. Das hatte zur Folge, dass der zuständige Sachwalter Sven-Holger Undritz Ende März beim Amtsgericht eine sogenannte „drohende Masseunzulänglichkeit“ anmelden musste. Hinter dem Fachterminus verbirgt sich, dass die liquiden Mittel bei Görtz bis Ende März reichten, um die Kosten zu decken.
Lieferanten, Dienstleister und Gläubiger könnten für den Zeitraum aber leer ausgehen, weil für sie kein Geld vorhanden ist. Gerichtstermine über die Erörterung und Abstimmung des Insolvenzplans für die Muttergesellschaft Ludwig Görtz sowie die beiden operativen Tochtergesellschaften am 12. April waren daraufhin aufgehoben worden. Neue wurden bislang nicht angekündigt.
Als Gründe für die gedämpfte Nachfrage nennt Görtz „die anhaltende Kaufzurückhaltung durch hohe Inflation, erheblich erhöhte Energiepreise und das schlechte Wetter der letzten Wochen“. Dazu kommt, dass an den verbliebenen Standorten lange Zeit viele Schuhe aus vorherigen Saisons und mit hohen Rabatten angeboten wurden.
Görtz: Neuer Sanierungsplan in Arbeit
Trotzdem will der Schuhhändler nicht aufgeben. „Die Geschäftsführung ist fest entschlossen, den Sanierungskurs von Görtz fortzusetzen. Der Geschäftsbetrieb geht weiter, die Stores sind geöffnet, und Görtz kommt im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten seinen Verpflichtungen nach“, heißt auf Abendblatt-Anfrage aus der Firmenzentrale.
Demnach setzen die Görtz-Geschäftsführer Frank Revermann und Tobias Volgmann darauf, dass sich die Umsätze im zweiten Quartal wieder positiver entwickeln. Aktuell arbeiten die Beteiligten mit Sachverwalter Undritz an einen neuen Sanierungsplan, der von den Gläubigern aber noch nicht bestätigt worden ist. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.
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Die finanzielle Schieflage des Konzerns macht sich allerdings weiterhin in den Filialen bemerkbar. So ist in Hamburg, wo Görtz aktuell noch mit sieben Geschäften vertreten ist, die Auswahl deutlich ausgedünnt. In den Regalen im Flagshipstore an der Spitalerstraße stehen ähnlich wie bei preiswerteren Anbietern wie Deichmann jetzt stapelweise Schuhkartons.
Im Untergeschoss wird zudem erstmals preisreduzierte Mode verkauft. Eine Sprecherin begründete dies auf Nachfrage „mit einem Testlauf“. Die ausgedünnte Auswahl lässt darauf schließen, dass Lieferungen nicht mehr in dem Maße wie früher erfolgen. Auf eine konkrete Nachfrage des Abendblatts zu dieser Problematik gab es nur ausweichende Antworten des Unternehmens.
Elf Görtz-Filialen vor dem Aus?
Auch eine weitere Schrumpfkur des Filialnetzes ist Thema. Das Branchenblatt „Textilwirtschaft“ hatte gemeldet, dass laut einem neuen Sanierungsplan elf weitere Geschäfte vor dem Aus stünden und die dortigen Beschäftigten freigestellt werden könnten. Görtz will sich dazu nicht äußern, schließt den Schritt aber offenbar nicht aus.
„Die Geschäftsführung setzt im Rahmen des Sanierungsverfahrens alles daran, möglichst viele Arbeitsplätze und Filialen zu erhalten. Voraussetzung ist, dass die Stores profitabel arbeiten“, heißt es auf Abendblatt-Anfrage. Wie bereits in den vergangenen Monaten laufen Gespräche mit Vermietern über notwendige Mietreduzierungen. Die Ergebnisse seien noch offen.
Der Überlebenskampf des Schuhhändlers wirft ein Schlaglicht auf die kriselnde Branche. Zahlreiche Fachgeschäfte sind in den vergangenen Jahren verschwunden. Die Kunden kaufen eher online, vor allem aber weniger Schuhe – und wenn, dann Sneaker. Die Folge: Zuletzt mussten unter anderem auch große Namen wie Reno und Salamander Insolvenz anmelden.
Görtz will sich nicht zu Investoren äußern
Ob und welche Auswirkungen die Entwicklung bei der Schuhhandelskette auf den geplanten Einstieg der neuen Investoren hat, ist ebenfalls offen. Nachdem der Name der Geldgeber zunächst nicht genannt worden war, wurde inzwischen bekannt, dass die Fürderhin GmbH mit Sitz in München die Anteile der Görtz-Gründerfamilie übernimmt und als Hauptanteilseigner bei dem Schuhhändler einsteigt. Gesellschafter ist das Unternehmerpaar Leonie und Burkhard von Wangenheim.
Die Privatinvestoren haben das „interessanteste Fortführungskonzept sowie das tragfähigste Angebot unterbreitet“, hieß es im Februar. Leonie von Wangenheim ist gebürtige Hamburgerin. Eine Interview-Anfrage des Abendblatts ließ sie unbeantwortet. Den Gläubigern sollen inzwischen potenzielle neue Investoren vorgestellt worden sein. „Görtz beteiligt sich nicht an Spekulationen“, heißt es dazu. Inzwischen drängt allerdings die Zeit. Schon im Mai/Juni werden die ersten Schuhe für die Saison 2023/24 geliefert.