Hamburg. Das Wirtschaftsministerium ist gegen die Beteiligung von Cosco am HHLA-Terminal Tollerort. Das Innenministerium bleibt gelassen.
Eigentlich sollte das Geschäft schon lange abgeschlossen sein. Im September 2021 hatten die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und die chinesische Reederei Cosco einen Vertrag unterzeichnet, nach dem die Chinesen eine Minderheitsbeteiligung am Containerterminal Tollerort erwerben sollten. Damals ging es um 35 Prozent. Abhängig war das Geschäft nur noch von der Zustimmung der Bundesregierung Doch das zuständige Bundeswirtschaftsministerium wollte das Geschäft verhindern und leitete ein Investitionsprüfverfahren ein.
Erst im Oktober 2022 kam es dann auf Betreiben des Kanzleramts zu einem Kompromiss: Dieser erlaubte den Chinesen den Einstieg am CTT mit weniger als 25 Prozent, damit sie keine Kontrollrechte an dem Terminal erwerben konnten. Also änderten HHLA und Cosco ihren Vertrag dahingehend und legten ihn Anfang 2023 erneut dem Bundeswirtschaftsministerium zur endgültigen Zustimmung vor. Doch das verweigerte sein Okay erneut. Nun sieht das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) neue Gründe, um das geplante Geschäft genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Abendblatt erklärt, worum es geht.
Cosco-Deal: Was hat sich geändert?
Unter der Drucksachennummer 20(9)242 hat das Ministerium den Wirtschaftsausschuss des Bundestages einen neuen Bericht vorgelegt, wonach das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das Containerterminal Tollerort als kritische Infrastruktur einstuft. Dadurch ergebe sich ein neuer Sachverhalt, der nun geprüft werden müsse, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.
Um seinem erneuten Prüfanspruch zu untermauern, verwies das Wirtschaftsministerium in seinem Bericht an den Bundestagsausschuss darauf, dass die HHLA Tollerort bereits zum 2. April vergangenen Jahres beim BSI als kritische Infrastruktur hätte anmelden müssen. Also zu einem Zeitpunkt, als das Investitionsprüfverfahren in vollem Gange war. Die Anmeldung sei aber erst Anfang Januar 2023 erfolgt. Das Wirtschaftsministerium sieht darin eine Ordnungswidrigkeit, die man ahnden könne. Zuständig sei das BSI.
Warum gilt das HHLA-Terminal jetzt als kritische Infrastruktur?
Als kritisch gelten Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Die HHLA selbst ist als Muttergesellschaft des CTT bereits seit 2018 als Betreiber einer kritischen Infrastruktur registriert, und zwar für die Steuerung der Containerterminals im Hamburger Hafen über ein zentrales IT-System.
Neu ist, dass sich die Verordnung, nach der Infrastrukturanlagen als kritisch einzustufen sind, geändert hat. Seit Anfang 2022 gilt das auch für den Betrieb einer Umschlaganlage in See- und Binnenhäfen mit einer Frachtmenge von 3,27 Millionen Tonnen pro Jahr. Der Container Terminal Tollerort (CTT) – wie auch alle anderen Terminals in Hamburg – unterliegen dieser Definition. Nach Meinung des Bundeswirtschaftsministeriums hätte die HHLA diesen Sachverhalt bis zum 1. April melden müssen, hat dies aber versäumt.
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Muss die HHLA jetzt ein Ordnungswidrigkeitsverfahren fürchten?
Beim SPD-geführten Bundesinnenministerium wie auch bei dem ihm untergeordneten BSI sieht man die Situation wesentlich entspannter als im Grünen-geführten Wirtschaftsministerium: eine Pflicht zur Ahndung sehe das Gesetz nicht vor, sagte eine Ministeriumssprecherin. „In Fällen, in denen die Registrierung innerhalb der gesetzten Nachfrist erfolgt, wird in der Regel kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.“ Und diese Nachfrist hat die HHLA eingehalten, verlautete aus dem BSI. „Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wäre die Ultima ratio. Wir sind eher darauf bedacht, mit den Firmen einvernehmlich festzustellen, welche Anlagen sie melden müssen. Da packen wir doch nicht gleich die Keule aus“, sagte ein Sprecher.
Wie sind die politischen Einschätzungen des Falls?
Die unterschiedliche Bewertung des Falls in den Behörden und Ministerien folgt kontroversen Auffassungen in der Politik. Während die Grünen – mit Ausnahme der Mitglieder des Hamburger Senats – den Einstieg von Coco am Tollerort bundesweit ablehnen, finden sich in der SPD mehrheitlich Befürworter. Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard betonte bei der Vorstellung des neuen Hamburger Außenwirtschaftskonzepts am Dienstag, dass der Wunsch der HHLA zur Beteiligung von Cosco dazu diene, Ladung an den Hafen zu binden, damit Cosco auch weiterhin nach Hamburg komme. Es müsse aber klar sein, dass jede Beteiligung zu untersagen sei, bei denen die Chinesen Zugriff auf die IT bekämen.
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, ist dagegen der Meinung, die Bundesregierung solle die neuen Erkenntnisse erneut zum Anlass nehmen, den geplanten Einstieg von Cosco sehr kritisch zu prüfen: „Die Beteiligung von Cosco am Hamburger Hafen ist ein Fehler.“ Auch die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag verlangt, das Geschäft mit Cosco zu unterbinden. Der Fraktionsvize Alexander Dobrindt (CSU) sagt: „Die Bundesregierung muss den chinesischen Einstieg beim Hamburger Containerterminal sofort stoppen. Die Warnungen der Experten sind unmissverständlich: Cosco unterhält engste Verbindungen zum chinesischen Machtapparat, zur Volksarmee und den chinesischen Sicherheitsbehörden.“
Sogar die wirtschaftsfreundliche FDP ist gegen den Deal: „Bei Beteiligungen autoritärer Staaten an kritischer Infrastruktur ist äußerste Vorsicht geboten. Eine enge Kooperation kann auch gelingen, indem man den chinesischen Partnern eine Gewinnbeteiligung ohne Zugang zur Betreibergesellschaft gewährt“, so der Hamburger Landesvorsitzende der FDP-Bundestagsabgeordnete, Michael Kruse. „Es ist für mich deshalb schleierhaft, warum Olaf Scholz diese Beteiligung mit aller Kraft durchbringen will. Im Koalitionsvertrag ist Reziprozität vereinbart, das bedeutet: Wir erlauben chinesische Beteiligungen in der Infrastruktur nur, wenn deutsche Unternehmen dort auch in Infrastruktur investieren können. Das ist aber aktuell nicht der Fall.“ Es sei gefährlich, wenn Europa immer abhängiger von China werde, während China immer unabhängiger von Europa sei.
Was spricht für eine Genehmigung des Cosco-Einstiegs?
Mit dem Einstieg Coscos gelänge es, eine der größten Reedereien an den Standort Hamburg zu binden und langfristig Ladung und eine Auslastung des Standorts abzusichern, sagt Jan Ninnemann, Logistik-Professor an der Hamburg School of Business Administration (HSBA). Ninnemann hält den Einfluss, den China auf den Hafen gewänne, für „überschaubar“. Ähnlich sehen es andere Schifffahrtsanalysten, der Verein Hamburger Spediteure sowie die Vereinigung der Schiffsmakler.
Was spricht gegen den Cosco-Deal?
Einer Analyse des Mercator Institute for China Studies (Merics) zufolge stellen die Einzelinvestitionen von Cosco keine sicherheitspolitische Gefahr dar, in Summe führen sie aber zu mehr Abhängigkeit Europas von China. So sei Cosco nicht nur einfach eine weitere Reederei. Während Konkurrenten wie Hapag-Lloyd oder Maersk gegenüber den Aktionären treuhänderische Pflichten hätten, um die Kapitalrendite und den Shareholder Value zu maximieren, sei Cosco für Peking ein Instrument, um seine strategischen Interessen voranzutreiben.
Zudem sei Cosco aufgrund des ungleichen Marktzugangs auch in der Lage, größere Marktanteile zu gewinnen und die Abhängigkeit Europas von der chinesischen Schifffahrt zu erhöhen. Und Cosco habe seine Präsenz auf dem EU-Binnenmarkt bereits stetig ausgebaut – mit Beteiligungen an 15 verschiedenen europäischen Häfen in Griechenland, Malta, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden sowie Deutschland.
Cosco-Deal: Wie wird das Verfahren ausgehen?
Bleibt das SPD-geführte Bundesinnenministerium bei seiner Haltung, so dürfte der Konflikt über die verspätete Anmeldung des Containerterminals Tollerort als kritische Infrastruktur wohl nicht als Grund ausreichen, um den Einstieg der Chinesen zu unterbinden. Möglicherweise findet das Bundeswirtschaftsministerium aber noch einen weiteren Grund. Was auch noch geschehen könnte: Das Geschäft platzt deshalb, weil die Chinesen ihr Interesse verlieren – sie warten immerhin schon eineinhalb Jahren auf die Zustimmung.