Hamburg. Unternehmen stellen nach der Corona-Pandemie wieder mehr Lehrstellen zur Verfügung, doch die Zahl der Bewerber geht zurück.

Bei vielen Hamburger Unternehmen läuft es nicht so rund wie bei Montblanc: Schon im Februar waren beim Hamburger Schreibgeräte-Produzenten alle acht Ausbildungsplätze für das am 1. August beginnende Ausbildungsjahr besetzt. „Nur so können wir die handwerkliche Exzellenz unserer Produkte über Generationen sichern“, sagt Sascha Schneider, Personalvorstand des Unternehmens, bei der Präsentation von Ausbildungszahlen der Arbeitsagentur Hamburg bei Montblanc. 96 Prozent der Auszubildenden bleiben nach der Ausbildung bei dem Hersteller von edlen Schreibgeräten, Taschen und Uhren.

„Auch wir merken, dass es immer schwieriger wird, Bewerber zu finden“, sagt Schneider. Aber eine starke internationale Marke, sechs verschiedene Ausbildungsrichtungen – vom Werkzeugmechaniker bis zum Elektroniker – und viel Werbung in den sozialen Medien bringen ausreichend Bewerber.

„Wir gehen verstärkt dorthin, wo sich junge Menschen bewegen“, sagt Schneider. Das ist nicht mehr nur die Ausbildungsmesse. Auf der Suche nach den Fachkräften von morgen wagt sich Montblanc in Schulen, bietet Praktika an oder lockt Schüler mit kostenlosen Kalligraphiekursen in das Montblanc Haus.

Lehrstellen Hamburg: Viele Angebote im Einzelhandel und für Bürojobs

Bei Toni Ahmels war es nicht die Kunst des Schönschreibens, sondern die Eltern, die bei Montblanc arbeiten, waren ein guter Wegweiser zum künftigen Beruf. Im Januar 2024 wird sie ihre dreieinhalbjährige Ausbildung als Werkzeugmechanikerin beenden. Für die Fachabiturientin war klar, dass ihr beruflicher Weg eher im handwerklichen Bereich liegt.

„In der Schule hatte ich Praktika in sozialen Bereichen wie im Kindergarten ausprobiert“, sagt die 21-Jährige. Doch das lag ihr nicht so. Schon als Zwölfjährige spielte sie lieber mit Holz- und Metallbaukästen.

Kaufleute und Verkäufer gesucht

Drei Monate vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres im August stehen den Schulabgängern in Hamburg noch 5329 offene Lehrstellen zur Verfügung. Das sind knapp fünf Prozent mehr als vor einem Jahr. Darunter sind 445 freie Plätze für eine kaufmännische Ausbildung im Einzelhandel, 400 Stellen als Verkäuferin oder Verkäufer und 261 Ausbildungsplätze als Kauffrau oder Kaufmann im Büromanagement.

Wer eher handwerkliche Interessen mitbringt, kann sich als Elektroniker in der Energie- und Gebäudetechnik bewerben. Hier stehen noch 107 Ausbildungsplätze zu Verfügung.

Lehrstellen Hamburg: Angebot steigt nach Corona-Pandemie wieder

Auch bei Handwerkskammer und Handelskammer gibt es jeweils mehr als 1000 noch nicht besetzte Lehrstellen. „Im Handwerk wollen wir noch mehr Frauen für technische Berufe gewinnen“, sagt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg. Dafür gibt es speziell auf sie zugeschnittene Workshops und Schnupperpraktika.

Insgesamt wurden der Arbeitsagentur in diesem Jahr 8642 Ausbildungsplätze gemeldet. Das sind 15,4 Prozent mehr als im Vorjahr. „Hamburgs Wirtschaft konnte zuletzt wieder mehr neue Ausbildungsverträge verbuchen als während der Pandemie“, sagt Norbert Aust, Präses der Handelskammer Hamburg. „Um diesen Trend fortzusetzen, benötigen wir aber wieder mehr Jugendliche, die sich für eine duale Berufsausbildung entscheiden.“

13 Prozent weniger Bewerber für duale Ausbildung

Doch genau das ist das Problem. Denn bei der Arbeitsagentur Hamburg haben sich bisher nur 4283 Schulabgänger gemeldet, die sich für eine Ausbildung interessieren und sich bei den Jugendberufsagenturen beraten lassen wollen. Das sind 12,6 Prozent weniger als im Vorjahr.

Für jeden Interessenten würden also rein rechnerisch zwei Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Doch viele haben sich offenbar noch gar nicht mit der Berufsorientierung beschäftigt. Schulsenator Ties Rabe (SPD) beklagt einen gefährlichen Trend: nach der Schule erst einmal viel Zeit für andere Dinge einplanen. „Das kann man machen, nur merken wir, dass viele danach nicht wieder den Weg zurück zur Ausbildung finden“, sagt Rabe.

Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbandes Hamburg, Michael Thomas Fröhlich, verwies noch auf andere Hemmnisse bei der dualen Ausbildung. Um Bewerber aus anderen Regionen anzulocken, müsse man das Wohnungsproblem für die Azubis in Hamburg lösen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Das angekündigte Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“ sollte auch dafür genutzt werden.

Studienabbrecher sollen für Ausbildungsberufe gewonnen werden

Der Chef der Arbeitsagentur, Sönke Fock, forderte auch Schulabgänger aus den vorangegangenen Jahren auf, sich bei den Jugendberufsagenturen zu melden, wenn sie noch keine Ausbildung absolvieren. Nach seinen Angaben haben bereits 1700 einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag für dieses Jahr in der Tasche. „Die anderen orientieren und bewerben sich oder stecken in Auswahlverfahren“, sagt Fock.

Nach Austs Einschätzung brechen 30 Prozent der Studenten und Studentinnen ihr Studium ab. Rabe sprach bei den Lehramtsstudenten sogar von einer Abbrecherquote von 50 Prozent. Vor allem die Handelskammer will aus dem Kreis der Studienabbrecher weitere Bewerber gewinnen.

Maschinenbaustudium war zu theoretisch – jetzt wird die Praxis ausprobiert

Tjark Merker ist auch erst einmal falsch abgebogen, bevor er bei Montblanc mit rund 1000 Mitarbeitern in Hamburg eine Ausbildung als Zerspanungsmechaniker begann. Jetzt ist er im zweiten Ausbildungsjahr. Nach dem Abitur begann er ein Studium als Maschinenbauingenieur. Er ist ein Beispiel dafür, dass viele Abiturienten in der Schule doch unterschwellig auf das Studium orientiert werden. „In dem Gymnasium in Pinneberg, wo ich zwar nicht das Abitur gemacht habe, war es so, dass die duale Ausbildung für jene sei, die eben kein Abitur haben“, sagt Merker.

Doch beim Studium merkte er schnell, dass es nicht seinen Vorstellungen entsprach. „Die Vorlesungen waren sehr oberflächlich, und dann kam auch noch die Corona-Pandemie hinzu“, sagt Merker. „Das erschwerte die Bildung von Lerngruppen, dabei ist der Stoff für das Maschinenbaustudium sehr anspruchsvoll.“

Noch mehr als 5000 Ausbildungsplätze in Hamburg frei

Vier Semester war Merker eingeschrieben, nur zwei hat er studiert. „Die Orientierungsphase, die dann folgen soll, hat doch etwas länger gedauert“, sagt er. Statt mit der Theorie wollte er es jetzt mit der Praxis versuchen. Zerspanungsmechniker ist die praktische Seite des Maschinenbauingenieurs. Der 24-Jährige fertigt die Metallteile für die Füllfederhalter und Kugelschreiber, während sich seine Kollegin Toni als Werkzeugmechanikerin um die Spritzgusswerkzeuge für die Produktion kümmert.

Beide wollen nach der Ausbildung bei Montblanc bleiben und sich beruflich weiterqualifizieren. Denkbar ist eine Ausbildung zum Meister. Nur eines ist sicher: Studieren wollen beide nicht mehr.