Ratzeburg. Chefköche, die mit Töpfen nach Azubis werfen? Das war früher. Hotels und Restaurants bieten viele Chancen, zeigt ein Berufskundetag.
Auf Kreuzfahrtschiffen um die Welt reisen, in Hotels oder Restaurants in den angesagtesten Städten der Welt arbeiten – das bieten Gastronomie und Hotellerie. Dem stehen jedoch Vorurteile gegenüber wie lange Arbeitszeiten, rauer Umgangston oder schlechte Bezahlung. Die Folge: Ein Fachkräftemangel, der durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde. Mit ihrem ersten Berufskundetag für Berufsberater an Schulen und in Jobcentern versucht die Herzogtum Lauenburg Marketing und Service GmbH (HLMS) gegenzusteuern.
„Wir wollen diesen Klischees begegnen und einen Einblick in die Praxis geben“, sagt Carina Jahnke von der HLMS, die den Berufskundetag organisiert hat. Mit dabei waren am Montag, 6. März, Frank Denker, Vorsitzender des Dehoga-Landesausschusses für Berufsbildung, André Weidemann, Berufsschullehrer am Beruflichen Bildungszentrum (BBZ) in Mölln, sowie Jan Kremling, Chef des Ratzeburger Restaurants und Hotels Der Seehof sowie seine Azubis Ramiz Alkoka, Regina Dill und Mia Rönnau.
Gastronomie: HLMS organisiert Berufskundetag
Das Ziel: Die 15 Teilnehmer, die allesamt in der Ausbildungsvermittlung tätig sind, sollten Einblicke in den Berufsalltag gewinnen. „Ich hatte schon vorher Respekt vor dem, was die Mitarbeiter in der Gastronomie leisten. Diese Wertschätzung ist jetzt noch einmal gestiegen, weil ich nun hinter die Kulissen blicken konnte und weiß, wie viel Arbeit dahiSie geben vor, wo die Personen sitzen werden. „So kommt man aber nicht mehr an den Tisch heran, unter steckt“, sagt Denniese Steinfurth vom Möllner Jobcenter. Gemeinsam mit weitere Jobcenter-Mitarbeitern sowie Lehrern aus Ratzeburg, Mölln und Büchen, die an ihren Schulen für die Berufsorientierung zuständig sind, hatte sie einen festlichen Tisch gedeckt und festgestellt: „Das ist komplexer, als ich es mir vorgestellt habe.“
Allein das Tischtuch aufzulegen, erweist sich als hohe Kunst. Die Falten, die beim Zusammenlegen des weißen Tuches entstehen, heißen in der Fachsprache Ober- und Unterbruch – je nachdem, ob der Knick hochsteht oder nicht. Warum das wichtig ist, erläutert BBZ-Lehrer Weidemann: „Der Oberbruch darf nie quer zum Eingang liegen. Das wirkt abweisend.“ Robert Jürgensen, Lehrer an der Gemeinschaftsschule Ratzeburg, will es genau wissen, lässt den Tisch drehen und gibt dann zu: „Es stimmt. Wenn der Knick hoch steht, wirkt es wie eine Sperre.“
Die Kunst, einen Tisch richtig zu decken
Bis zu eineinhalb Stunden braucht es, bis zwei Tische für je acht Personen festlich gedeckt sind. Liegt das Tischtuch richtig, werden die Stühle gestellt:m ihn zu decken“, sagt Lehrer Weidemann und zeigt, wie es geht: Die Stühle werden auf dem linken hinteren Fuß um 90 Grad nach links gedreht. Eine zum Quadrat gefaltete Serviette gibt vor, wo Gabeln, Messer und Löffel für Suppe, Salat, Vor- und Hauptspeise sowie Dessert platziert werden, dann folgen Gläser und Teller.
Einer, der es gekonnt beherrscht, ist Ramiz Aloka: Der aus dem Irak stammende Ratzeburger ist über ein Langzeitpraktikum zu seinem Ausbildungsplatz im Seehof gekommen, ist jetzt im dritten Lehrjahr: „Es ist mein Traumberuf.“
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„Ich bin offener geworden, gehe selbstbewusster auf die Menschen zu“
Auch die Azubis Mia Rönnau und Regina Dill bereuen ihre Berufsentscheidung nicht. „Ich habe als Schülerin schon mal nebenbei gekellnert, aber da hat es noch nicht Klick gemacht“, sagt Dill. Erst am BBZ habe sie nach Gesprächen mit Lehrer Weidemann eine Ausbildung in der Gastronomie in den Fokus genommen. In den drei Jahren ihrer Ausbildung sei sie im Kontakt mit den Gästen auch persönlich gewachsen, sagt Dill: „Ich bin offener geworden, gehe selbstbewusster auf die Menschen zu.“
Schwierig sei die Schichtarbeit, sagt Rönnau, „vor allem, wenn man Partner oder Eltern mit geregelteren Arbeitszeiten hat.“ Andererseits sei Schichtarbeit kein Alleinstellungsmerkmal der Gastrobranche, so die Auszubildende: „Dafür ist es ein sehr facettenreicher Beruf.“
Übernahmegarantie für Auszubildende in der Gastronomie
Jan Kremling, seit vier Jahren Hoteldirektor im Vier-Sterne-Superiorhotel, hat viele Facetten seines Berufes kennengelernt: Nach dem Hotelmanagementstudium an der Hotelfachschule Heidelberg hat er als Restaurantleiter in Häusern in Österreich, der Schweiz und zuletzt in Dubai gearbeitet, bevor es ihn wieder nach Deutschland zog.
Fliegende Kochtöpfe in der Küche seien mittlerweile passé: „Ich kenne noch cholerische Küchenchefs, die sind aber absolut am Aussterben – und das ist auch gut so“, sagt Kremling. Heutige Spitzenköche seien vielmehr Teamplayer.
Beim Schleswig-Holstein Gourmet-Festival, das zuletzt im September vergangenen Jahres im Seehof zu Gast war, konnte der Hoteldirektor das hautnah erleben: „Wir haben gleich mehrere Sterneköche gehabt. Das sind absolute Motivatoren, die meine Mitarbeiter mitgezogen haben.“ 37 Vollzeitmitarbeiter beschäftigt Kremling, darunter zehn Azubis. Hinzu kommen noch zwölf Aushilfskräfte. Es könnten auch gern mehr Azubis sein, sagt der Hoteldirektor, denn gerade in der gehobeneren Gastronomie sei die Fluktuation hoch: „Wer bei uns anfängt, hat eine Übernahmegarantie.“
Gastronomie: Lockdown hat zu Fachkräftemangel geführt
Während diese Wechsel innerhalb der Branche normal sind, hat die Corona-Pandemie mit dem Lockdown jedoch zu einem echten Fachkräftemangel geführt: Mehr als 30 Prozent der Fachkräfte haben sich bundesweit umorientiert, sind vor allem in den Einzelhandel oder den Logistikbereich gewechselt. Das erhöht den Stress für die verbliebenen Fachkräfte, denn die Branche hat fast wieder das Niveau der Vor- Corona-Zeit erreicht.
Mit einer Neuordnung der Berufe im vergangenen Jahr und erheblich gestiegenen Ausbildungsvergütungen versucht das Gastgewerbe, verlorenes Terrain gutzumachen. So gibt es mittlerweile zweijährige Ausbildungen zur Fachkraft Küche oder Fachkraft Gastronomie. Auch die Vergütungen für Azubis sind von 2018 bis 2022 um etwa ein Viertel gestiegen: So verdient ein Koch im dritten Lehrjahr 1171 Euro. Zum Vergleich: beim Kraftfahrzeugmechatroniker sind es 1014 Euro, beim Augenoptiker 859 und beim Maurer 1491 Euro. „Wenn wir auf Berufsmessen sind, gibt es da immer vor allem Schüler, die beim Beruf Koch leuchtende Augen bekommen“, sieht Jahnke die Betriebe auf einem guten Weg.