Hamburg. Transport von Medikamenten und Gewebeproben aus dem OP sollte längst im Regelbetrieb laufen. Woran es hakt und wann es losgehen soll.

Die Mischung aus Hubschrauber und Flugzeug in Miniaturformat hätte schon längst über den Dächern von Hamburg fliegen sollen. Mit einem sogenannten Gyrocopter sollten bei Tumoroperationen entnommene Gewebeproben aus den OP-Sälen der Krankenhäuser in Pathologien transportiert werden, über die nicht jede Klinik verfügt. Normalerweise legen diese Schnellschnitte den Weg per Krankenwagen auf dem Landweg zurück.

Doch die Hansestadt startete das Pilotprojekt Medifly. Künftig könnten Drohnen diese Transporte erledigen, so die dahinter stehende Idee. Operations- und Narkosezeiten des Patienten sollen so verkürzt werden. Nach erfolgreichen Testflügen war der Start des regelmäßigen, für sechs Monate angesetzten Testbetriebs in der Phase zwei zunächst für vergangenen Herbst und dann für Februar dieses Jahres avisiert – doch abgehoben ist das Fluggerät bisher immer noch nicht.

Krankenhaus: Hamburger Flughafen verkompliziert die Lage

„Solche Drohnenflüge bedürfen einer Genehmigung. Dafür ist viel Abstimmungsarbeit notwendig, unter anderem mit der Deutschen Flugsicherung, den Hubschrauberstaffeln und der Landesluftfahrtbehörde“, sagt auf Anfrage Angus Baigent, Sprecher des Branchennetzwerkes Hamburg Aviation. Der anspruchsvollste Teil sei das Aufstellen der Regularien und die Abstimmung mit den Behörden.

Und das ist in Hamburg mit dem Helmut-Schmidt-Airport in Fuhlsbüttel mitten in der Stadt besonders schwierig. Schließlich sei Medifly das erste Projekt, bei dem innerhalb der Kontrollzone eines Flughafens über dicht besiedeltem Gebiet außerhalb der Sichtweite des Drohnenpiloten geflogen werden soll.

Sicherheit gilt in der Luftfahrt als oberste Prämisse

So gab es bei den ersten Testflügen im Februar 2020 noch strenge Auflagen für die Testflüge. Auf der etwa fünf Kilometer langen Teststrecke zwischen Bundeswehr- und Marienkrankenhaus waren sieben Streckenposten aufgestellt, die im Notfall auf Sicht hätten eingreifen können.

„Es ist sicherlich komplexer, medizinische Drohnen in einer Großstadt einzusetzen als auf dem Land“, sagt Baigent. Die Behörden würden hier ganz genau hinschauen, „und das ist auch gut so“. Schließlich gilt in der Luftfahrt die oberste Prämisse, bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten.

Medifly muss mehr Abstimmungsrunden durchlaufen

Derzeit werde in der Luftfahrt vieles umgekrempelt, um das Fliegen nachhaltiger zu machen und neue Technologien wie Transport- oder Passagierdrohnen zu erproben, sagt Baigent: „In manchen Bereichen bedeutet das, dass innovative Vorhaben wie Medifly eine weitere Abstimmungsrunde drehen müssen und daher nicht so schnell umgesetzt werden können wie erhofft.“

Wegen der hohen Anforderungen sei die Flugsicherheitsarchitektur in Europa verständlicherweise ein starres Gebilde. Man sei Wegbereiter für sämtliche Drohnenanwendungen, die von der Hamburger Vorarbeit profitieren könnten, so Baigent: „Da es hier also noch keine Blaupause und Erfahrungen gibt, auf die man zurückgreifen kann, dauern die Abstimmungen verständlicherweise etwas länger.“

Derzeit gibt es Gespräche mit Flugsicherung

Der Stand des Genehmigungsverfahrens sehe so aus: Aktuell arbeite man mit der Deutschen Flugsicherung an einem Verfahren für die Flüge in der Kontroll­zone. Für Flüge außerhalb der Sichtweite des Drohnenpiloten wird eine Sicherheitsdokumentation notwendig sein, in der das geplante Vorhaben mit Blick auf die Luftsicherheit überprüft wird.

Im Anschluss werden die Verfahren in Kooperation mit den Fluglotsen erarbeitet. Das Ergebnis dieser Betrachtung wird anschließend dem Bundesaufsichtsamt für Flug­sicherung zur Begutachtung übergeben. Danach kommt die Landesluftfahrtbehörde ins Spiel und soll die Betriebsgenehmigung erteilen.

Im vierten Quartal soll Betriebsgenehmigung kommen

Man stimme sich also mit vielen Partnern sehr genau ab, sagt Baigent: „Unser aktueller Plan sieht vor, dass wir für Phase zwei im vierten Quartal 2022 eine Betriebsgenehmigung von der Landesluftfahrtbehörde erhalten.“ Aufgrund der Erfahrung der vergangenen Monate gehe man aber mit etwas vorsichtigeren Erwartungen in die Abstimmungsgespräche als am Anfang.

Professor Harald Ittrich (Schön-Klinik), Medifly-Projektleiterin Sabrina John und Jörg Schamuhn vom Drohnenhersteller Airial Robotics stehen auf dem Gelände des Schön-Klinikums hinter der Drohne, die künftig Gewebeproben in Hamburg transportieren soll. (Archivbild)
Professor Harald Ittrich (Schön-Klinik), Medifly-Projektleiterin Sabrina John und Jörg Schamuhn vom Drohnenhersteller Airial Robotics stehen auf dem Gelände des Schön-Klinikums hinter der Drohne, die künftig Gewebeproben in Hamburg transportieren soll. (Archivbild) © Roland Magunia

In der zweiten Projektphase soll es aber nicht nur um die Abstimmung der Prozesse in der Luftfahrt gehen, sondern auch um die Abläufe in den Krankenhäusern. So wählte die Schön-Klinik in Eilbek eine Wiese am Grete-Zabe-Weg als Start- und Landepunkt für die Drohne, weil direkt nebenan das OP-Gebäude liegt. Das sorgt für kurze Wege und spart Zeit.

Mehrere Kliniken und ein Dienstleister sind dabei

Zu den weiteren Teilnehmern gehören die fünf Asklepios-Kliniken Heidberg, St. Georg, Rissen, Altona und Harburg, das Universitätsklinikum Eppendorf, das Bundeswehrkrankenhaus und der medizinische Dienstleister Intermed.

Doch damit die Flüge – die auch dem Transport von Medikamenten dienen sollen – überhaupt stattfinden können, müssen sie auch in Auftrag gegeben werden können. Die dafür notwendige Bestellsoftware sei in der Zwischenzeit vorangetrieben worden, sagt Baigent. Das Feedback der Krankenhäuser dazu sei positiv.

Drohne verbindet Krankenhäuser – sehr, sehr leise

Auch am ausgewählten Fluggerät halte man fest. Eingesetzt werden soll der vom Harvestehuder Unternehmen Airial Robotics hergestellte GT20 Gyrotrak, der in der Spitze 170 Kilometer pro Stunde schafft. Über Hamburgs Dächern dürfte er mit 70 bis 80 km/h fliegen, weil er dann am wenigsten Energie verbraucht. Der Gyrocopter ist 1,56 Meter lang, 1,15 Meter breit und knapp 50 Zentimeter hoch. Trotz seiner 2,62 Meter Rotordurchmesser soll er nur eine Fläche von fünf Metern brauchen, um zu landen. Die Abweichung am Ziel liege bei maximal 50 Zentimetern.

Bezüglich der Ausstattung wird er auf die Bedürfnisse von Medifly zugeschnitten sein, indem er eine größere Batterie erhält und mit dem Flarm-System ausgestattet ist, das vor gefährlichen Zusammenstößen der voll beladen bis zu 20 Kilogramm schweren Drohne mit anderen Fluggeräten warnen soll. Abstürze sollen verhindert werden, indem die Drohne stets mit einem zweiten Motor an Bord unterwegs ist – eigentlich gilt auch nur eine Antriebsquelle als ausreichend für den sicheren Betrieb.

Bevor die Medifly-Drohne über dem Stadtgebiet in die Luft steigt, werde sie zunächst natürlich ausführlich getestet. Auffallen soll sie dann äußerlich mit ihren rot-weißen Farben – aber nicht bezüglich des Lärms. Maximal 56 Dezibel werde das Fluggerät laut, das entspreche etwa Zimmerlautstärke, sagt Airial-Robotics-Chef Jörg Schamuhn bei einer Präsentation vor einem Jahr: „Wir stellen die leiseste Drohne her, die es auf dem Weltmarkt gibt.“