Hamburg. Anwalt setzt sich für das Aufspüren von Tierkindern auf Feldern ein. Drohnen spielen wichtige Rolle. Aber es gibt ein Problem.
Der Hamburger Andreas Alfred Brandt führt gleich drei Leben: An Werktagen sitzt er am Schreibtisch, kümmert sich als Anwalt um Erbstreitigkeiten, wälzt Akten und liest Gesetzestexte. Am Wochenende klettert er auf den Hochstand, beobachtet Wild und streift mit seinem Teckel Casper durch die Wälder – er ist passionierter Jäger, schon sein Großvater war von diesem archaischen Hobby fasziniert.
Besonders emotionale Momente erlebt Brandt allerdings bei seiner dritten Leidenschaft: Wenn er durch Wiesen streift, auf der Suche nach Rehkitzen, und die hilflosen Tierbabys vor dem Mäher rettet.
Suche mit Drohne: Hamburger Anwalt will Rehkitze retten
Denn immer mehr große Maschinen auf stets wachsenden Grünflächen bringen es mit sich, dass immer mehr Wildtiere vor den Messern der Mäher gerettet werden müssen – mithilfe von Drohnen. Um diese Arbeit zu perfektionieren, hat der 61-Jährige auch die Deutsche Wildtierrettung (mit) ins Leben gerufen.
Der Verein sitzt in Hamburg und organisiert die Kitzrettung in ganz Deutschland. Gut 100.000 Rehkitze müssten in ihren ersten Lebenswochen bundesweit sterben, wenn es die ehrenamtlichen Helfer nicht geben würde.
In Hamburg werden noch 100 Helfer für Tierrettung gesucht
Am Montag haben sich Vertreter der Wildtierrettung, aber auch der Jägerschaft, etliche Hegeringe und andere Freiwillige aus Hamburg und der Region in der Hansestadt getroffen, um die diesjährige Saison zu planen.
Eine wichtige Botschaft: Allein in Hamburg werden noch etwa 100 Helfer für die Tierrettung gesucht. Mitstreiter, die morgens früh aufstehen und mit Teams aus Jägern, Naturschützern und anderen Freiwilligen durch die Wiesen streifen, um Rehkitze aufzuspüren.
Hamburger Jäger sucht weitere Helfer für die Kitzrettung
Wichtige Gebiete in der Hansestadt sind etwa die Vier- und Marschlande, Bergstedt oder Altona und Blankenese. „Die Suche ist kosten- und zeitintensiv“, sagt Brandt, ganz jägermäßig in gedeckten Naturfarben gekleidet. Und man brauche eben auch „Man- und Womanpower“, beschreibt es der in Marienthal lebende Netzwerker auf Neudeutsch, deshalb wünscht er sich weitere Unterstützer, die sich in den kritischen Wochen einbringen. „Wir haben noch nicht genug Teams, um alle Flächen abzusuchen“.
Wer Interesse hat, findet im Internet unter deutsche-Wildtierrettung.de Infos, eine Kitzretterkarte mit Einzugsgebieten in einzelnen Bundesländern und die Möglichkeit, zu spenden oder für Teams Patenschaften übernehmen.
Drohnen auf großen landwirtschaftlichen Flächen in Hamburg
Auch wenn Hamburg sicher nicht als Agrarzentrum gelten kann – landwirtschaftlich genutzt werden in der Metropole große Gebiete. Die betroffene Gesamtfläche ist halb so groß wie der Hafen. Die Herausforderung für die Bauern: Die hilflosen Tiere müssen gefunden werden, bevor sie wegen ihres noch nicht ausgeprägten Fluchtreflexes dem Mäher zum Opfer fallen.
Der erste Schnitt auf den Wiesen steht kurz bevor. Etwa Mitte Mai beginnt die Saison, um Heu für Milchkühe oder Pferde zur produzieren. Das Gras ist im Frühjahr besonders nahrhaft, deshalb können die Bauern nicht später mähen.
Hamburger Retter der Jungtiere von Drohnen unterstützt
Doch das ist unglücklicherweise genau die Zeit, wenn die Nachkommen der Rehe, aber auch die Gelege von Vögeln wie Kibitzen, Bekassinen oder den seltenen Wiesenweihen ungeschützt auf den Grünflächen liegen.
Unterstützt werden die Retter heute in der Regel von Drohnen, die mit Wärmebildkameras Tiere wie Kitze oder Junghasen aufspüren. Die technische Ausrüstung ist nötig, weil die abzusuchenden Flächen immer größer werden: „Haben Landwirte früher sieben Hektar gemäht, sind es heute oft 70 Hektar“, beschreibt Martin Lüdeke vom Bauernverband Hamburg die Auswirkungen der modernen Landwirtschaft.
Auf Unverständnis der Wildretter stößt angesichts dieser Entwicklung eine Regelung, welche die Suche mit Drohnen in Hamburg teilweise verbietet. In Naturschutzgebieten, und das sind in der Hansestadt etwa die Hälfte der bewirtschafteten Areale, dürfen die Tierretter die Drohnen nicht einsetzen, denn hier ist Flugverkehr untersagt.
Hamburger Behörden verbieten Drohnen auf vielen Grünflächen
„In den meisten Naturschutzgebieten ist das Fliegen von Drohnen anhand der jeweiligen Schutzgebietsverordnung verboten“, sagt dazu David Kappenberg von der Umweltbehörde. Das Verbot begründe sich hauptsächlich „in der Annahme einer Störung sensibler, streng geschützter Tierarten, wie beispielsweise Greifvögel, vor allem zu den Brut- und Aufzuchtzeiten“.
Doch das ist paradox, findet Brandt: Denn die rot-grün geführte Bundesregierung fördere die Anschaffung von Drohnen für die Rettung von Wildtieren allein im laufenden Jahr mit zwei Millionen Euro.
„Und in Hamburg untersagt die Naturschutzbehörde genau diese Drohnen“, wundert sich Brandt. Dabei agierten andere Länder – auch das von den Grünen regierte Baden-Württemberg – in dieser Frage weniger rigoros. „Es schmerzt uns sehr, dass die Behörde hier dichtmacht“, findet auch Jörn Finnen, Drohnenbeauftragter des Hamburgischen Landesjagd- und Naturschutzverbands.
Tierretter streifen mit Drohne durch die Felder
Viele Kitzretter müssten in Hamburg als Folge der hiesigen Vorschriften also noch aufwendig mit Menschenketten durch die Wiesen streifen. „Dabei wäre es für den Artenschutz hilfreich, wenn die Suche mit der Technik unterstützt werden könnte“, findet Brandt auch mit Blick auf seltene Vogelarten wie Rebhühner.
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Für Brandt ist die Suche nach Rehen auf Grünflächen nicht nur ein berührendes Erlebnis, weil Tiere gerettet werden. Landwirte sind dem Juristen schon vor Erleichterung um den Hals gefallen, weil sie früher mit dem Hammer im Gepäck über ihr Land fahren mussten, um verletzte Kitze zu erlösen – eine traumatische Erfahrung.
Rehkitz-Suche mit Drohne: Rettung ist auch Imagepflege für Jäger
Der Hamburger möchte mit der Rettung der Wildtiere auch darauf aufmerksam machen, dass Jäger durchaus ein Interesse an Naturschutz haben und auch mit Gruppen zusammenarbeiten, mit denen die Waffenträger sonst zuweilen in Konflikte geraten. „Wir wollen dem Vorurteil entgegenwirken, dass wir nur rausgehen, um Tiere totzuschießen.“
Er halte es da, sagt Brandt, Freund geschichtlicher Literatur, mit Hermanns Löns. Der Heimatdichter setzte sich schon vor gut 100 Jahren dafür ein, dass das „rohe Vergnügen“ Jagd nachhaltig betrieben werden sollte – keinesfalls aus Lust am Schießen, sondern zur Bewahrung eines artenreichen Wildbestands.