Hamburg. Lars Brzoska, der Chef von Jungheinrich erklärt, wie sein Unternehmen ohne größere Schäden durch die Corona-Krise gekommen ist.

Als Lars Brzoska im September 2019 den Vorstandsvorsitz von Jungheinrich übernahm, schaltete er sofort in den Krisenmodus. Dabei ging es dem Hamburger Unternehmen mit seinen 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern damals bestens. Der neue Chef sparte trotzdem, wo er konnte, hielt das Geld zusammen, riskierte einen Absturz des Aktienkurses – und steht heute wie ein Hellseher da.

Denn Jungheinrich ist ohne große Blessuren durch die Pandemie gekommen, musste nur minimal staatliche Hilfen beantragen. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht Brzoska über Corona-Prämien, das Ende der Krise – und die Frage, wie groß Jungheinrich noch werden kann.

Das sagt Lars Brzoska über …

… seinen Einstand als Krisenmanager:

„Ich bin kein Hellseher, glaubte aber bei meinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender, genug Anzeichen erkannt zu haben, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung verlangsamen würde – natürlich ahnte auch ich im September 2019 nichts von Corona. Dass wir damals bereits in den Krisenmodus geschaltet hatten, hat uns dann bei der Bewältigung der Corona-Pandemie sehr geholfen. In dieser Zeit gab es aber nicht wenige Stimmen, die zunächst nicht nachvollziehen konnten, was und warum wir als Vorstand so entschieden hatten, schließlich ging es Jungheinrich zu dem Zeitpunkt blendend. Glücklicherweise gab es innerhalb des Unternehmens ein sehr großes Verständnis für die Maßnahmen, auch im Aufsichtsrat. Am Kapitalmarkt sind wir dafür allerdings erst einmal abgestraft worden, der Aktienkurs fiel im Verlauf der Krise sogar bis auf zehn Euro, das war der tiefste Stand in den vergangenen zehn Jahren. Aber heute ist das Unternehmen dafür mehr wert als jemals zuvor. Und als im März 2020 die Corona-Pandemie auch in Europa begann, war ich froh, dass wir die sechs Monate vorher genutzt hatten, uns auf eine wirtschaftliche Krise vorzubereiten. Das war Zufall und ein großes Glück zugleich, weil wir dadurch beste Voraussetzungen hatten, wirtschaftlich gut durch die Pandemie zu kommen.“

… ein Unternehmen im Krisenmodus:

„Unser Ziel war, die gesamte Belegschaft durch die Krise zu bringen; was wir unbedingt vermeiden wollten, waren betriebsbedingte Kündigungen. Und das ist uns auch gelungen. Was wir gemacht haben: Wir haben den Mitarbeiteraufbau, an den wir uns in den zehn Jahren zuvor gewöhnt hatten, gestoppt, wir haben natürliche Fluktuation genutzt und alles dafür getan, möglichst viel Cash zu generieren. Das ist das Wichtigste bei einer Krise: Man braucht Liquidität, man muss zahlungskräftig sein, um bei längeren Umsatzausfällen trotzdem die Fixkosten decken zu können. Das hat uns auch ermöglicht, Kurzarbeit so gut wie gar nicht in Anspruch nehmen zu müssen.“

… das Ende der Krise:

„Die wirtschaftliche Erholung hat viel früher und schneller begonnen, als wir das zunächst erwartet haben, bei uns konnte man erste Anzeichen dafür schon im dritten Quartal des vergangenen Jahres erkennen. Inzwischen ist das Wachstum wieder so stark, dass wir uns um ganz andere Probleme kümmern müssen, zum Beispiel, wo wir die Materialien herbekommen, die wir brauchen. Das heißt, wir managen jetzt in die andere Richtung, den Krisenmodus haben wir wieder weitgehend verlassen.“

… Homeoffice:

„Wir werden nicht wieder in die alte Welt zurückfallen, in der alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von morgens bis abends im Büro oder in der Niederlassung sind. Wir wollen das, was wir in der Pandemie gelernt haben, nämlich virtuell miteinander zu arbeiten, in unserer Zukunft verankern. Ich persönlich glaube nicht, dass die vielen Dienstreisen, die wir früher gemacht haben, alle immer zielführend gewesen sind, nachhaltig waren sie sowieso nicht. Ich glaube aber auch nicht, dass wir als soziale Wesen uns nur noch digital treffen sollten. Bei Jungheinrich wird es deshalb ein hybrides Modell geben, eine gesunde Mischung, an der wir im Moment arbeiten.“

… die Corona-Prämie für alle Mitarbeiter:

„Natürlich muss man das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Worten anerkennen. Ich bin aber auch ein großer Freund davon, Taten folgen zu lassen, und deshalb haben wir Ende 2020 insgesamt 13,5 Millionen Euro an Corona-Prämien an die Belegschaft weltweit ausbezahlt.“

… die Eigentümer-Familien:

„Es ist von besonderem Wert, dass wir mit den Familien Lange und Wolf zwei Haupteigentümer haben. Denn sie geben Jungheinrich die Möglichkeit, langfristig zu planen und zu handeln. Wir sollen uns nicht vorrangig an kurzfristigen Zielen, an Halbjahres- oder gar Quartalsergebnissen ausrichten, sondern immer im Blick haben, dass das Unternehmen auch in den folgenden Generationen erfolgreich sein soll. Damit einher geht auch die Art der Zusammenarbeit, die auf einem großen Vertrauen basiert. Wir wollen weiterwachsen und Arbeitsplätze schaffen, und ich kann mir gut vorstellen, dass Jungheinrich in den nächsten Jahren von derzeit 18.000 auf bis zu 25.000 Mitarbeiter wächst.“

podcast-image

Der Fragebogen: "Lasst Worten Taten folgen!"

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Ich bin in einer Neubausiedlung aufgewachsen und erinnere mich sehr gut, wie es mich auf meinem Schulweg immer fasziniert hat, wie schnell die Maurer ein Haus quasi aus dem Nichts hochgezogen haben. Das hat mich sehr beeindruckt. Damals wollte ich Maurer werden.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Als Sohn zweier Lehrer hat das Thema Bildung und Ausbildung natürlicherweise immer eine besondere Rolle bei uns daheim gespielt. Aber auch Sport und sportliche Leistungen sollten nicht zu kurz kommen, getreu der Redewendung: „Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“ (mein Vater war übrigens Latein- und Geschichtslehrer und beide Elternteile ebenfalls sehr sportlich).

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Ich orientiere mich weniger an einzelnen Menschen oder Persönlichkeiten, sondern vielmehr an deren Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen. Die positiven Eigenschaften nehme ich für mich auf, aber auch aus den schlechten kann man sehr viel lernen: nämlich, wie man es nicht machen sollte.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Man sagte mir nicht selten einen unkonventionellen und überdurchschnittlichen Antrieb nach. Meistens war dieser auch recht hilfreich.

Auf wen hören Sie?

Ich höre grundsätzlich allen Menschen zu, die etwas zu sagen haben. Für mich ist es entscheidend, dass man regelmäßig auch verschiedene und gegensätzliche Meinungen hört, so blickt man über den Tellerrand und verharrt nicht nur in seiner eigenen Welt. Die wichtigsten Ratschläge kommen aber – wie sollte es anders sein – von meiner Frau.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Mut, Konsequenz, Pragmatismus, Humor und Begeisterungsfähigkeit

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Für mich ist Integrität extrem wichtig, also eine Übereinstimmung der eigenen Ideale und Werte mit dem tatsächlichen Verhalten. Vorgesetzte sollten Vorbildcharakter haben und deswegen auch nie etwas von ihren Teams verlangen, was sie nicht auch selbst bereit sind zu tun.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Eines der wichtigsten Prinzipien ist für mich Integrität. Und wenn man es etwas plakativer ausdrücken möchte, dann sehe ich mich als Spielertrainer. Menschen zu motivieren und zu befähigen, ihr Bestes zu geben und hohe Ziele zu erreichen ist mein Antrieb. Gerne auch direkt auf dem Spielfeld.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Geld kann finanziell sorgenfrei machen, aber Geld allein führt nicht zu einem glücklichen Leben. Ich habe deswegen mein Leben und meine berufliche Laufbahn nie danach ausgerichtet, möglichst viel Geld verdienen zu müssen. Gleichwohl freue ich mich natürlich, aufgrund meiner Arbeit ein finanziell unabhängiges Leben führen zu können.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Integrität, Leidenschaft, Einsatz, Vertrauen und Umsetzungsstärke.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Integrität, Leidenschaft, Einsatz, Vertrauen und Umsetzungsstärke.

Duzen oder siezen Sie?

Ich sieze.

Was sind Ihre größten Stärken?

Ungeduld. Weitere Stärken dürfen gerne andere beurteilen.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Ungeduld. Und da das ja eine typische Antwort auf eine Personalerfrage ist, hier eine zweite Schwäche: Ich schaffe es nicht, über Rechtschreib- und Grammatikfehler in Unterlagen hinwegzusehen. Ein Mitarbeiter hat mich deswegen auch schon einmal als „Deutschlehrer“ bezeichnet.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Helmut Schmidt wäre meine erste Wahl. Ihn hätte ich sehr gerne persönlich kennengelernt. Er verkörperte eine Vielzahl an Charaktereigenschaften, die ich selbst sehr schätze, wie Mut, Integrität und Geradlinigkeit, um nur wenige zu nennen.

Was würden Sie ihn fragen?

Es wäre ein abendfüllendes Programm mit 100 Fragen. Die erste wäre wohl: „Würden Sie noch einmal als Bundeskanzler antreten und wie sähe dann Ihre Agenda 2030 aus?“

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Meine eigene Komfortzone immer wieder zu verlassen und Mut für Neues aufzubringen. Und dass ich jeden Tag aufrecht in den Spiegel schauen kann.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Zu viel.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Wähle einen Beruf, der dich begeistert und in dem du andere begeistern kannst.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Zu häufig enden in unserem Land und in Europa Absichten bei Absichtsbekundungen. Wir sollten uns viel mehr am Prinzip „Lasst Worten Taten folgen“ orientieren. Wenn wir einfach mutiger und entschlossener handeln, die Komfortzonen verlassen und nicht nur die eigenen persönlichen politischen Interessen verfolgen, werden wir die Herausforderungen unserer Zeit – wie Digitalisierung und Umweltschutz – für unsere Kinder erfolgreich meistern. Davon bin ich überzeugt.