Hamburg. Die Polizei fordert höhere Investitionen in die Sicherheit. Wie Banken in Hamburg auf die jüngste Sprengung in der Nacht zu Montag reagieren.
Bisher war Hamburg weitgehend von Geldautomatenknackern verschont geblieben. Bei den wenigen Fällen in den vergangenen zwei Jahren handelte es sich lediglich um missglückte Versuche. „Die Täter haben keine Beute gemacht“, bestätigte ein Sprecher der Hamburger Polizei. Nach einem Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) gab es im Jahr 2021 – bezogen auf jeweils 100.000 Einwohner – lediglich 0,05 Fälle. Nur in Brandenburg fiel die Vergleichszahl geringer aus.
Doch nach einer Sprengung eines Geldautomaten der Hamburger Sparkasse (Haspa) im Februar in einem Einkaufszentrum im Stadtteil Boberg, könnte die Bilanz in diesem Jahr schlechter ausfallen, auch weil die anderen Tatorte immer näher an Hamburg heranrücken. Gleich zwei Geldautomaten wurden in der Nacht zum Montag im Einkaufszentrum Ostkreuz in Oststeinbek gesprengt. Mitte Januar jagten Täter in Brackel (Landkreis Harburg) einen Automaten der Sparkasse-Harburg-Buxtehude in die Luft und am 9. März wurde mittels Sprengung ein Automat der Deutschen Bank in ihrer Filiale in Winsen ausgeraubt. Allerdings sieht die Polizei noch keine neue Gefährdungslage für Hamburg. „Wir gehen davon aus, dass die Täter Gegenden mit geringerer Polizeidichte bevorzugen“, sagt ein Polizeisprecher.
100.000 Euro Beute bei jeder Sprengung
Bundesweit hat die Zahl der Sprengungen von Geldautomaten ein erschreckendes Niveau erreicht. Insgesamt 496 vollendete und versuchte Taten gab es 2022. Im Vergleich zu 2017 ist das ein Anstieg um 85 Prozent. Die Taten laufen häufig nach einem ähnlichen Schema ab. Innerhalb von wenigen Minuten ist der Geldautomat in die Luft gejagt. Bei der Sprengung des Haspa-Automaten wurde eine mittlere fünfstellige Summe erbeutet, so die Hamburger Polizei. Die durchschnittliche Beute liegt bundesweit sogar bei 100.000 Euro je vollendeter Sprengung.
Immer häufiger werden dabei explosive Militärsprengstoffe verwendet. Gefährdet sind durch deren hohe Sprengkraft neben den Geldautomaten auch Gebäude und vor allem die Bewohner darin. „Die rücksichtslosen Täter nehmen mit ihren brachialen Angriffen inzwischen billigend in Kauf, dass sie auch Leib und Leben von unbeteiligten Menschen gefährden“, sagt Sprecherin Tanja Beller vom Bundesverband deutscher Banken. Die Flucht erfolgt mit hochmotorisierten Fahrzeugen über die deutsch-niederländische Grenze.
Täter bevorzugen Ziele mit guten Fluchtwegen
Die Täter suchen sich Ziele aus, die eine gute Anbindung an Fernstraßen und Autobahnen haben. „Wenn es knallt, kann man davon ausgehen, dass es Täter aus den Niederlanden waren“, sagt Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Laut Ermittlungsbehörden kann man zwei Drittel der Täter der Organisierten Kriminalität in den Niederlanden zuordnen. „Da ist die Keimzelle des Bösen“, sagt Huth.
Wie berichtet, will die Haspa aus Sicherheitsgründen acht Geldautomaten an besonders gefährdeten Standorten stilllegen. Denn dort, so heißt es, bestehe eine höhere Gefahr, dass bei einer Sprengung Menschen zu Schaden kommen könnten. „Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen“, sagt eine Haspa-Sprecherin. Doch die Schäden der Sprengungen sind versichert, wie die Sparkasse bestätigt.
Polizei: Banken müssen mehr in Sicherheit investieren
„In Portugal, Kroatien und Frankreich macht die Politik den Banken ganz andere Vorgaben“, sagt Huth. „Dort können sie gar keinen Geldautomaten aufstellen, wenn die Polizei den Standort nicht abgesegnet hat und sie macht weitere Vorgaben zu den Sicherungsinstrumenten.“ Nach seiner Einschätzung müssten die Geldinstitute mehr in die Sicherheit der Automaten investieren. „Aber das kostet Geld und das scheuen die Banken“, sagt Huth. „Eine Farbpatrone kostet rund 3000 Euro.“ Bei einem Angriff wird das Geld damit dann unbrauchbar. Entsprechende Aufschriften am Automaten sollen die Täter abschrecken.
Nach einer Umfrage unserer Zeitung sind die Geldinstitute in Hamburg bisher in unterschiedlichem Ausmaß von Angriffen auf Geldautomaten betroffen gewesen, allerdings nennen nicht alle Zahlen oder reagierten auf die am Montag durchgeführte Umfrage.
- Bankenfusion: Scheitern könnte Schweiz in Schieflage bringen
- OMR Festival: Zimmer verzweifelt gesucht – wer kann helfen?
- Banken unter Druck: Wie sicher ist das eigene Geld noch?
Bei der Deutschen Bank in Hamburg gab es während der letzten fünf Jahre eine Geldautomatensprengung (2018) und einen fehlgeschlagenen Versuch (2020). Die Hamburger Volksbank berichtet von drei Sprengungen seit 2009. „Nur eine davon war erfolgreich“, sagt eine Banksprecherin. Bei der Commerzbank waren in den vergangenen fünf Jahren (2018 und 2019) zwei Standorte von Sprengangriffen betroffen. Die Haspa registrierte drei Anschläge auf ihre Geldautomaten. Keine Sprengungen an Hamburger Automaten gab es bisher bei der Sparkasse Holstein.
Geldautomaten: Viele SB-Zonen sind nachts geschlossen
Die Banken wehren sich gegen den Vorwurf, nicht genügend für die Sicherheit ihres Geldautomatennetzes zu tun und verweisen auf Gefährdungsanalysen, die sie in Zusammenarbeit mit der Polizei machen. „Wir haben bereits bundesweit die Sicherheitskonzepte für unsere Standorte erweitert und zusätzliche Maßnahmen ergriffen“, sagt eine Sprecherin der Commerzbank. „Die Zahl der Angriffe bei uns ist gegen den Trend rückläufig.“ Die Geldautomaten der Hamburger Volksbank sind nach Angaben des Instituts durch „mehrere Maßnahmen“ gesichert. Details gibt es keine. Die Deutsche Bank schließt zur Gefahrenabwehr ihre Selbstbedienungszonen in den Nachstunden, wie übrigens viele andere Institute auch, etwa die Sparkasse Harburg-Buxtehude.
„Beim gesamten Thema arbeiten wir eng mit Behörden und den zuständigen Polizei-Dienststellen zusammen.“, sagt ein Sprecher der Deutschen Bank. Nicht immer mit Erfolg: Der Geldautomat der Deutschen Bank in Winsen in der Marktstraße wurde 2018, 2020 und im März 2023 gesprengt.