Hamburg. Informationsschreiben der Anbieter kommen zu spät, manche sind kaum erreichbar. Auch bei Hamburg Energie läuft nicht alles rund.
Louisa M. ist sogar nachts aufgestanden, um sich in ihr Kundenportal bei Hamburg Energie einzuloggen. Viele Versuche zuvor waren vergeblich. „Man bekommt per Mail immer nur eine Mitteilung, dass etwas Wichtiges im Kundenportal liegt, doch da muss man erst einmal rankommen“, sagt die junge Frau.
In den vergangenen Tagen war das kaum möglich, berichten sie und mehrere andere Abendblatt-Leser. Doch auf diese Mitteilung im Kundenportal warteten viele Tausend Kunden des städtischen Energieversorgers, denn in ihr geht es darum, was die Preisbremsen bei Gas und Strom konkret den Kunden an Einsparung bringen. Für Louisa ist es weniger als sie gerechnet hatte – trotz Gaspreisbremse. Nun versucht sie wieder Kontakt mit Hamburg Energie aufzunehmen.
Strom und Gas: Ärger über viele Versorger in Hamburg
Die Preise für Strom und Gas sinken zwar, aber der Ärger über viele Versorger legt sich nicht, wie Zuschriften von Abendblatt-Lesern zeigen. Überhöhte Abschläge, schlechte Erreichbarkeit des Anbieters, Verzögerungen bei den wichtigen Informationsschreiben zu den Preisbremsen und saftige Tarifanhebungen.
Warum werden Verbraucher verspätet informiert? Wie können sie auf überhöhte Abschläge reagieren? Muss jede Preiserhöhung akzeptiert werden? Wie können sich Bezieher von Fernwärme wehren? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Informationspflichten haben die Energieversorger?
Die Verbraucher hätten spätestens bis zum 1. März von ihrem Versorger erfahren müssen, wie viel Geld sie durch die Strom- und Gaspreisbremse pro Monat sparen können. Doch das klappte bei vielen Unternehmen nicht fristgerecht. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hatte schon im Februar moniert, dass der Vorlauf für die Umsetzung der Entlastungen sehr knapp bemessen ist. „Wir als Energiebranche haben in der jetzigen Ausnahmesituation die Abwicklung der Entlastungen zugewiesen bekommen, weil der Staat derzeit keine rechtssichere und praktikable Grundlage hat, mit denen er solche Energiepreisbremsen oder finanziellen Hilfen direkt an die Bürger auszahlen kann“, sagt eine Verbandssprecherin.
Diese Information muss den ab 1. März vorgesehenen Abschlag enthalten wie auch das Entlastungskontingent und den individuellen Entlastungsbetrag enthalten Das gilt für Strom und Gas, allerdings nur, wenn ein direkter Liefervertrag abgeschlossen wurde. Das ist bei Gas bei vielen Mietern nicht der Fall. Kein Informationsschreiben kommt, wenn der Preis unter den Werten der staatlichen Energiepreisbremse liegt, also 12 Cent je Kilowattstunde (kWh) beim Gas und 40 Cent je kWh beim Strom.
Warum klappt das nicht?
Hamburg Energie konnte die Schreiben erst am 11. März versenden, was zu einem gleichzeitigen Ansturm auf die Kundenportale führte. Bei Vattenfall, dem Grundversorger für Strom in Hamburg und E.on Energie, dem Grundversorger für Erdgas, fallen die Antworten auf eine Abendblatt-Anfrage ausweichend aus. Es wird nicht klar, ob die Kunden fristgerecht informiert wurden. Bei Vattenfall teilte ein Sprecher mit, die betroffenen Kunden würden per Mail oder Brief informiert. E.on Energie habe in den letzten Wochen und Monaten mit Hochdruck an der Umsetzung der Vorgaben des Gesetzgebers zu den Preisbremsen gearbeitet, teilt ein Unternehmenssprecher mit.
Hamburg Energie verweist darauf, dass das Kundenportal wieder erreichbar sei. Es sei lediglich zu einer kurzfristigen Überlastung aufgrund einer Vielzahl an Zugriffen gekommen. „Die Branche und ihre Dienstleister sind völlig überlastet, die Flut an Gesetzen und Gesetzesnovellen umzusetzen, die innerhalb der letzten vier Monate zur wirtschaftlichen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger vom Gesetzgeber erlassen wurden“, sagt eine Sprecherin von Hamburg Energie. Allerdings führe jedes Schreiben zu Rückfragen der Kunden. Seit Beginn der Energiekrise sei das Serviceteam um 20 Mitarbeiter aufgestockt wurden.
Wie viele Beschäftigte insgesamt für die Kundenkommunikation zur Verfügung stehen, sagt das Unternehmen nicht. „Wir arbeiten außerdem daran, zeitlich befristet weitere Kräfte an Bord zu holen. Der Arbeitsmarkt ist aufgrund des hohen Bedarfs bei allen Energieversorgern zurzeit jedoch wie leergefegt“, so die Sprecherin. Die Beantwortung der Kundenanfragen dürfte wohl auch künftig etwas länger dauern.
Warum gibt es so viel Ärger um die Entlastungen?
Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein verweist auf unklare Informationsschreiben zur Abschlagshöhe im Rahmen der Strom- und Gaspreisbremse. „Das ist eines der Themen mit den häufigsten Beschwerden der Verbraucher“, sagt Carina Habeck, Referentin für Verbraucherrechte der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Der zugrunde gelegte Verbrauch ist nicht bedarfsgerecht angegeben, sodass der monatliche Abschlag zu hoch oder zu niedrig angesetzt wird.“
Louisa M. ärgert sich über einen viel zu hohen Abschlag. „Für meine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in Barmbek soll ich auch mit der Preisbremse für Gas fast 200 Euro Abschlag im Monat zahlen.“ Sie selbst geht von mindestens rund 50 Euro weniger aus.
Leser Franz M., ebenfalls Gaskunde bei Hamburg Energie, verbraucht seit Jahren 42.000 kWh in einem 1913 errichteten Haus. „Klingt viel, ist aber nach einigen Maßnahmen nur noch zwei Drittel der einstigen Verbrauchsmenge“, sagt er. Doch jetzt wurde sein Verbrauch mit 35.000 kWh angesetzt, folglich sinkt sein geförderten 80-Prozent-Anteil auf 28.000 kWh, statt 33.600 kWh.
Hamburg Energie verweist darauf, dass die Verbrauchsprognosen generell auf Basis der Jahresverbrauchsmengen, also der historischen Daten des jeweiligen Bestandskunden, erstellt werden. Warum es dann immer wieder zu Unstimmigkeiten kommt, bleibt unklar.
Muss jede Preiserhöhung akzeptiert werden?
Nein. „Zunächst sollten die formalen Kriterien geprüft werden, die für eine Preiserhöhung gelten“, sagt Matthias Moeschler von Verbraucherhilfe Stromanbieter. Dabei geht um die Fristen der Ankündigung, die je nach Vertragsart bei vier oder – in der Grundversorgung – sechs Wochen liegen. „Schon in der Betreffzeile muss die Preiserhöhung erkennbar sein. Es ist nicht zulässig, sie in irgendwelchen Informationsschreiben zu verstecken“, sagt Moeschler.
Die Preiserhöhung muss begründet und möglichst in einer Tabelle dargestellt werden. Wenn hier Fehler entdeckt werden, kann der Preiserhöhung nur aus formalen Gründen widersprochen werden. „Kunden sollten dann nur den alten Abschlag zahlen, aber niemals die Zahlung ganz aussetzen“, rät Moeschler.
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Wie sollte man auf starke Preiserhöhungen und überhöhten Abschlägen reagieren?
Vor allem im Vorfeld der Preisbremsen haben Versorger ihre Tarife drastisch erhöht. Moeschler kennt die Beispiele. Etwa bei Qcells sei der Strompreis von 37 auf 84 Cent je kWh, bei Prioenergie von rund 15 Cent auf einen Euro pro kWh angehoben worden. „Die Energiepreisbremsen sollen die Bürger entlasten. Umso ärgerlicher, dass mancher Anbieter offensichtlich versucht, abzukassieren und völlig überhöhte Abschläge durchzudrücken“, sagt Ramona Pop, Vorständin der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Bei Preiserhöhungen gibt es immer ein Sonderkündigungsrecht. Niemand muss völlig überzogene Tarife akzeptieren. In vielen Fällen kommt man mit einem Anbieterwechsel besser weg. Vor allem aus der Grundversorgung ist ein kurzfristiger Ausstieg möglich. „Bei Abschlägen dürfen sich die Anhebungen nur im gleichen Verhältnis zu gestiegenen Preis verhalten“, sagt Moeschler. „Wenn der Strompreis um 20 Prozent steigt, darf sich der Abschlag nicht um 30 oder 40 Prozent erhöhen.“
Welche Probleme haben manche Fernwärme-Kunden?
E.on hat beispielsweise im Versorgungsgebiet Hamburg-Lohbrügge den Netto-Arbeitspreis von 3,79 Cent im Jahr 2020 auf 17,20 Cent im Jahr 2022 mehr als vervierfacht, berichtet der vzbv. Bei einem Jahresverbrauch von 15.000 kWh entspricht das Mehrkosten von mehr als 3000 Euro brutto für die Fernwärme-Kunden, rechnen die Verbraucherschützer vor. Anderswo seien ähnliche Entwicklungen bei den Fernwärmepreisen von E.on festzustellen. „Bei der Fernwärme herrscht keinerlei Wettbewerb und die Kunden sind auf Jahre an einen festen Anbieter gebunden“, sagt Popp. „Wenn wir wie in diesem Fall am rechtmäßigen Vorgehen zweifeln, prüfen wir den Klageweg.“
Der vzbv hält die Preiserhöhungen für unwirksam, weil die Preisänderungsklauseln nicht den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Der Verband plant eine Musterklage. Betroffene können sich mit ihren Unterlagen beim vzbv melden.