Hamburg. Im Umland sind sogar bis zu 1100 Euro pro Jahr drin. Aber beim Vertrag mit einem neuen Anbieter gibt es ein Risiko.

Die Preise für Energie sinken. Sowohl Strom als auch Gas sind in den vergangenen Monaten deutlich günstiger geworden. Doch die privaten Verbraucher spüren davon kaum etwas, weil sie oft noch in der Grundversorgung stecken oder in teuren Altverträgen.

Zumindest aus der Grundversorgung ist kurzfristig aber ein Wechsel möglich. Wer als Hamburger jetzt neue Tarife bei Strom und Gas wählen kann, spart dann bis zu rund 600 Euro im Jahr, für Haushalte im Umland sind es sogar bis zu 1100 Euro. Warum fallen die Gaspreise? Welche Anbieter sind jetzt günstig? Ist es sinnvoll, jetzt einen 12 oder 24 Monate laufenden Vertrag mit festem Preis abzuschließen? Wird bald die Grundversorgung günstiger? Das Abendblatt hat Experten befragt und beantwortet die wichtigsten Fragen zum Gas- und Strommarkt.

Wie ist die aktuelle Lage am Strom- und Gasmarkt?

Es zeichnet sich eine deutliche Entspannung ab, denn die Preise an den Großhandelsplätzen fallen seit Monaten. Kostete Strom an der Strombörse im August 2022 noch knapp 500 Euro je Megawattstunde, so waren es im Schnitt der vergangenen 30 Tage nur noch rund 130 Euro. Erdgas liegt bei knapp 43 Euro je Megawattstunde, nachdem der Preis im Sommer 2022 auf mehr als 300 Euro gestiegen war. „Dank milder Temperaturen und einer guten Versorgungslage sind die Großhandelspreise für Gas und Strom schneller gesunken als erwartet“, sagt Energieexperte Thorsten Storck vom Vergleichsportal Verivox.

Wie gut sind die Gasspeicher gefüllt?

Die Gasspeicher in Deutschland sind aktuell zu 66 Prozent gefüllt, deutlich mehr als im Vorjahr. „Zum meteorologischen Beginn des Frühlings (1.3.) zeigt sich, dass Deutschland in Hinblick auf die Versorgung mit Erdgas deutlich besser durch den Winter gekommen ist als dies vor einem guten halben Jahr zu erwarten war“, sagt Ralph Solveen von der Commerzbank. „Damit stehen die Chancen gut, dass die Speicher bis zum nächsten Herbst wieder voll sein werden und damit auch im kommenden Winter keine Rationierung von Gas notwendig sein wird.“

Was sind die Gründe für dieseEntwicklung?

Nach Einschätzung der Commerzbank spielt der geringere Verbrauch durch Privathaushalte und Unternehmen eine entscheidende Rolle. So ist seit Anfang Oktober 2022 der entsprechende Vorjahresverbrauch von Gas um 20 Prozent gesunken. Geholfen hat dabei auch die vergleichsweise milde Witterung. „Aber auch wenn man den Temperatureffekt herausrechnet, ergäbe sich ein Minus von gut 16 Prozent“, sagt Solveen. Außerdem ist ein weit größerer Teil der Gasimporte in Deutschland verblieben und nicht an andere Länder weitergeleitet worden. In Europa kam es aufgrund der gestiegenen Preise zu einem Rückgang der Gasnachfrage um 13 Prozent, in Asien um zwei Prozent. „Das vergangene Jahr war außergewöhnlich für die globalen Gasmärkte. Die Preise kehren auf ein überschaubares Niveau zurück, insbesondere in Europa, wo ein milder Winter und der Rückgang der Nachfrage dazu beigetragen haben, die Märkte abzukühlen“, sagt Keisuke Sadamori, Direktor für Energiemärkte bei der Internationalen Energieagentur (IEA).

Warum spüren die Verbraucher nichts von dieser Entwicklung?

Die Entwicklung auf den Weltmärkten und Energiebörsen schlägt sich nicht sofort in den Preisen für die Verbraucher nieder. Viele Verbraucher sind in Zwölf­monatsverträgen gebunden oder stecken in der Grundversorgung ihres örtlichen Energieversorgers. Diese Verträge wurden erst zeitverzögert an die Preisentwicklung an den Beschaffungsmärkten angepasst und haben jetzt wahrscheinlich ihren
Höhepunkt erreicht.

„Die Grundversorger haben unterschiedliche Einkaufsstrategien, teilweise über einen längeren Zeitraum“, sagt Tom Janneck von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Im vergangenen Jahr sind viele Verbraucher auf Grundversorger ausgewichen, die günstigere Tarife im Vergleich zu Sondertarifen anboten.“ Doch das ist jetzt nicht mehr so. „Da wir unsere Energiemengen grundsätzlich längerfristig beschaffen, haben unsere Kunden schon immer von unserer Einkaufsstrategie profitiert und wir konnten die massiven Preissteigerungen teilweise abfedern“, sagt ein Sprecher von E.on Energie, dem Gas-Grundversorger in Hamburg.

Soll heißen: Wer als Verbraucher erst später von den enorm gestiegenen Gaspreisen erwischt wurde, kann nicht erwarten, dass er als Erster von sinkenden Preisen profitiert. „Natürlich mussten aber auch wir bereits in den vergangenen Wochen und Monaten zukünftige Mengen zu den vielfach höheren Großhandelspreisen für unsere Kunden einkaufen“, so der Sprecher. Ob es im zweiten Quartal eine Preissenkung bei der Grundversorgung mit Gas geben wird, vermag der Sprecher nicht zu sagen.

Wie können Verbraucher reagieren?

Verträge zum Grundversorgungstarif können mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Das kann sinnvoll sein, denn die Tarife der Grundversorger sind aktuell deutlich teurer als die der günstigsten Anbieter bei den Sonderverträgen. Eine klare Tendenz bei der Preisentwicklung ist noch nicht zu erkennen. „Für Gas liegen uns für die Monate April und Mai 57 Preissenkungen um durchschnittlich 22 Prozent von örtlichen Grundversorgern vor. Im gleichen Zeitraum gibt es sieben Preiserhöhungen um durchschnittlich 26 Prozent“, sagt Verivox-Energie­experte Storck.

Auch wenn ein Teil der hohen Gaspreise durch die staatliche Preisbremse abgefedert wird, zahlt sich ein Wechsel aus der Grundversorgung jetzt schon aus. Verbraucher mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh in Hamburg können bis zu rund 400 Euro in einem Jahr gegenüber der Grundversorgung einsparen (siehe Tabelle). Für Gaskunden im Umland lohnt ein Wechsel aus der Grundversorgung erst recht. So lassen sich rund 800 Euro sparen, wenn man aus der Grundversorgung der Stadtwerke Pinneberg zu einem günstigeren Anbieter wechselt. Bei den Stadtwerken kostet laut Vergleichsportal Check24 die Kilowattstunde derzeit 25 Cent.

Ist es klug, sich jetzt zwei Jahre zu binden?

Das aktuelle Preisniveau von rund 11 Cent je Kilowattstunde (kWh) können sich Verbraucher jetzt auch für 24 statt wie üblich für zwölf Monate sichern. Der Gasvertrag für 24 Monate von Max Energy ist mit 2248 Euro im Jahr der günstigste unter den fünf untersuchten Anbietern. Doch eine klare Empfehlung wollen die Experten nicht abgeben: „Wie sich die Preise entwickeln werden, lässt sich kaum vorhersagen“, sagt Verbraucherschützer Janneck. Die Antwort des Energieexperten Storck ist pragmatischer: „Wer die kommenden zwei Jahre vor überraschenden Preiserhöhungen geschützt sein möchte, für den ist ein 24-Monatstarif eine gute Wahl. Wer darauf setzt, dass die Preise weiter fallen, der sollte möglichst flexibel bleiben und einen Tarif mit kurzer Vertragslaufzeit wählen.“

Sinken die Energiepreise weiter?

„Sollten keine unvorhergesehenen Krisen auftreten, dürften die durchschnittlichen Preise für Neukunden bei Strom im Bereich von rund 36 Cent/kWh, bei Gas bei rund 11 Cent/kWh bleiben“, erwartet Storck. Die Preise für Gaslieferungen an der Börse, auch wenn sie erst im September erfolgen sollen, verharren auf dem aktuellen Niveau. Allerdings warnt die IEA vor einem hohen Maß an Unsicherheit. „China ist die große Unbekannte im Jahr 2023. Wenn die weltweite LNG-Nachfrage wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehrt, wird das den Wettbewerb auf den Weltmärkten nur verschärfen und die Preise unweigerlich wieder in die Höhe treiben“, sagt Sadamori von der IEA.

Lohnt auch beim Strom ein Wechsel?

Auch beim Strom kann ein Wechsel aus der Grundversorgung, für die in Hamburg Vattenfall zuständig ist, durchaus lohnen. Für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh sind Einsparungen in Höhe von rund 200 Euro. Vattenfall verlangt derzeit rund 42 Cent pro kWh. Der Versorger verweist darauf, dass kommunale Wettbewerber bis zu 40 Prozent mehr verlangen würden. „Zudem konnten wir unsere Preise in der Krise dank unserer langfristigen Beschaffungsstrategie über einen langen Zeitraum stabil halten“, sagt ein Unternehmenssprecher. Für Haushalte im Umland kann sich ein Anbieterwechsel noch stärker auszahlen. So kostet die Kilowattstunde bei den Stadtwerken Pinneberg 58 Cent und bei EWS Wahlstedt 57 Cent. Durch einen Anbieterwechsel sind laut Check24 rund 300 Euro Einsparung im Jahr möglich. Die Preisbremse ist dabei berücksichtigt. Verbraucher zahlen für 80 Prozent ihres Vorjahresverbrauchs maximal 40 Cent/kWh.

Wird Vattenfall die Strompreisesenken?

Das bleibt offen. „Aus wettbewerblichen Gründen dürfen wir uns grundsätzlich dazu nicht äußern, wann wir wie unsere Preise in Zukunft gegebenenfalls anpassen werden. Das gilt für Preiserhöhungen genauso wie für Preissenkungen“, sagt ein Konzern-Sprecher.