Hamburg. Das Unternehmen plant in Hamburg Investitionen von weit mehr als 100 Millionen Euro. Entscheidung über einen Teilverkauf rückt näher.
Für den Hamburger Weltmarktführer im Bereich der flugzeugtechnischen Dienstleistungen steht eine entscheidende Weichenstellung kurz bevor: Bei Lufthansa Technik geht es um den möglichen Einstieg eines Minderheitsgesellschafters. „Gespräche mit ausgewählten Interessenten haben begonnen“, sagte Sören Stark, Chef der Lufthansa-Konzerntochter, am Dienstag bei der Bilanzvorlage in Hamburg. Er gehe davon aus, dass bis zur Jahresmitte eine Entscheidung für oder gegen einen Anteilsverkauf fallen wird – „spätestens zum Ende des dritten Quartals“, so Stark.
Zwar wollte er nicht näher auf die Kandidaten eingehen. Man habe aber Partner im Blick, deren Fähigkeiten sich mit denen von Lufthansa Technik ergänzen, hieß es. Schließlich stünden für den Mutterkonzern nicht die Einnahmen aus dem Teilverkauf im Vordergrund, sagte Stark.
Zu den Motiven hatte sich vor wenigen Tagen Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr geäußert. Er erwartet eine Konsolidierung in der Branche der Flugzeugwartungs- und Reparaturbetriebe. Dies mache womöglich Investitionen – auch in Zukäufe – erforderlich, die die Lufthansa nicht mehr neben den eigenen Investitionen zum Beispiel in neue Jets stemmen könnte. Angesichts dieser Situation kann sich der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt einen großen Wettbewerber von Lufthansa Technik aus den USA oder aus Asien, der nicht zu einer Airline gehört, gut als künftigen Partner für die Hamburger vorstellen.
Der Umsatz ist im vergangenen Jahr um 39 Prozent gewachsen
Eines machte Stark ganz klar: Lufthansa Technik kann sehr selbstbewusst in eine mögliche Partnerschaft gehen. Im Jahr 2022 ist der Umsatz um 39 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro, den drittbesten Wert in der Unternehmensgeschichte, gewachsen. Beim Betriebsergebnis (Adjusted Ebit) konnte man mit 511 Millionen Euro (plus 41 Prozent) sogar einen neuen Rekord aufstellen.
„Zwar sind wir noch nicht ganz zu alter Größe zurückgekehrt, aber wir werden aus einer Position der Stärke weiter wachsen“, sagte Stark. Das Umfeld dafür ist günstig – der Vorstand von Lufthansa Technik erwartet, dass der globale Markt für Flugzeug-Instandhaltungsleistungen schon im laufenden Jahr mit etwa 96 Milliarden Euro Gesamtvolumen das Vor-Corona-Niveau übertreffen wird.
„Viele Menschen auf der ganzen Welt haben sich während der Pandemie danach gesehnt, wieder reisen zu können“, so Stark. Auch wegen des zuletzt unerwartet steilen Aufwärtstrends des Luftverkehrs konnte das Hamburger Unternehmen im Jahr 2022 neue Verträge mit einem Volumen von 9,6 Milliarden Euro abschließen. Zum Vergleich: 2020 erreichte man ein Neugeschäft von gerade einmal 2,3 Milliarden Euro.
Aktuell betreuen die Hamburger gut 4200 Flugzeuge in aller Welt
Während Lufthansa Technik Ende 2018 weltweit mehr als 5100 Flugzeuge betreute, sind es aktuell gut 4200, wobei rund 450 Maschinen aus dem Auftragsbuch gestrichen wurden, weil sie russischen Airlines gehören. „Ich bin aber sehr zuversichtlich dass wir bis Jahresende wieder die frühere Größenordnung von etwa 5000 Flugzeugen erreichen werden“, sagte Stark. Voraussetzung dafür ist allerdings ein kräftiger Personalaufbau, denn im Zuge der Corona-Krise hat der Vorstand des Unternehmens weltweit mehr als 5000 Arbeitsplätze, gut ein Fünftel der Belegschaft, abgebaut. Dies sei „alternativlos“ gewesen, weil der gesamten Lufthansa-Gruppe damals die Insolvenz drohte, sagte Stark. Obwohl man schon im vorigen Jahr wieder kräftig einstellte, hat in Hamburg die Zahl der Beschäftigten unter dem Strich – nicht zuletzt wegen zuvor vereinbarter Altersteilzeit-Programme – zuletzt noch leicht auf aktuell 9054 Personen abgenommen. Bis Jahresende soll es aber sehr deutlich aufwärts gehen.
Für 2023 sei allein in Hamburg die Einstellung von etwa 1500 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geplant, so Stark, weltweit sind 4000 neue Stellen geplant. Allein im Bereich Triebwerksüberholung will man in Hamburg 2023 fast 400 Quereinsteiger qualifizieren. Dass der Luftfahrtsektor gerade erst seine bisher schwerste Krise durchlitten hat, macht die Personalgewinnung nicht einfacher. Darum spiele die „Stärkung der Arbeitgeberattraktivität“ eine wichtige Rolle. Auch „innovative Lösungen für die Work-Life-Balance“, beispielsweise über die Umwandlung von Bonuszahlungen in Freizeit, seien Teil des Maßnahmenpakets.
Lufthansa Technik will stärker an militärischen Flugzeugen arbeiten
Zwar will Lufthansa Technik in den nächsten Jahren gerade in Amerika und im Asien/Pazifik-Raum den Marktanteil stärken. Dennoch sind am Hauptsitz in Hamburg Investitionen von weit mehr als 100 Millionen Euro vorgesehen. So sollen allein 65 Millionen Euro in den Weiterbau einer Hydraulikwerkstatt fließen, der während der Pandemie ausgesetzt wurde und nun bis 2025 umgesetzt werden soll. Mit einem Betrag im mittleren zweistelligen Millionenbereich sollen Kapazitäten für die Überholung von Triebwerken des modernen Typs Leap, eingesetzt am A320neo und an der Boeing 737 Max, aufgebaut werden. Außerdem ist ein Neubau der aus den 1950-er Jahren stammenden Werkstätten für Innenausstattungen von VIP-Jets geplant. Er soll 2025 fertig sein. Für dieses Vorhaben ist eine „hohe zweistellige Millionensumme“ vorgesehen.
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Wie Stark sagte, möchte das Unternehmen „perspektivisch“ seinen Anteil am Verteidigungsmarkt weiter erhöhen. Im Jahr 2022 sei bereits ein Einstieg in die militärischen Programme CH-47 Chinook (Transporthubschrauber) sowie P-8A Poseidon (Seefernaufklärer) der Bundeswehr gelungen. In diesem Jahr steht im Auftrag der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung zudem die zusätzliche Ausrüstung von zwei im vergangenen Jahr übergebenen Airbus A321LR-Truppentransportern für medizinische Evakuierungen an.
Sören Stark ist seit Juli 2022 der Vorstandsvorsitzende von Lufthansa Technik. Der Wirtschaftsingenieur arbeitet seit 2001 für die Lufthansa-Gruppe und war in dieser Zeit auf verschiedenen Managementpositionen abwechselnd in Frankfurt und in Hamburg tätig. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne. „Seit 2004 ist Ahrensburg unsere Heimat“, sagt er. Zwar ist Stark in Braunschweig geboren. Weil aber die Familie seines Vaters aus Wilhelmshaven stammt und er früher viel Zeit dort verbracht hat, fühlt er sich „extrem mit dem Meer verbunden“. Stark segelt, betreibt Stand-up-Paddling und auch bei einem weiteren Hobby, dem Angeln von Meerforellen in der Ostsee, ist er vom Wasser umgeben. „Das Angeln ist mein Golf“, sagt Stark, „da schalte ich ab.“