Reederei überweist Hamburg bald eine Rekordsumme. Doch wohin mit dem Geld? In den Hafen stecken oder doch lieber in die Schulen?
- Reederei Hapag-Lloyd zahlt Hamburg Rekord-Dividende
- Senat will Geld in Wohnungsbau Schulen und Klimaschutz stecken
- Opposition und Hafenwirtschaft sind anderer Auffassung
Die Hansestadt Hamburg kann sich auf einen unerwartet hohen Geldsegen freuen: Ihre Beteiligung an Hapag-Lloyd wird mit mehr als 1,5 Milliarden Euro versilbert. Der Vorstand der Hamburger Traditionsreederei hat beschlossen, der Hauptversammlung nach dem außerordentlich erfolgreichen Geschäftsjahr 2022 eine Rekorddividende von 63 Euro pro Aktie vorzuschlagen. Im Vorjahr waren es noch 35 Euro gewesen. Das teilte das Unternehmen am Mittwoch in einer Ad-hoc-Meldung mit.
Hamburg ist mit 13,9 Prozent an Hapag-Lloyd beteiligt. Die Stadt hält exakt 24.353.475 Aktien an dem Schifffahrtskonzern. Bei 63 Euro pro Aktie beträgt die Ausschüttung also eine Milliarde und 534 Millionen Euro. Noch mehr dürfte sich der Großinvestor Klaus-Michael Kühne freuen, der 30 Prozent an der Reederei hält: Ihm steht eine Dividende von rund 3,3 Milliarden Euro zu.
Hapag-Lloyd: 1,5 Milliarden für die Stadt Hamburg
Wie berichtet hat Hapag-Lloyd aufgrund extrem hoher Preise für Seetransporte im vergangenen Jahr einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von umgerechnet 17,5 Milliarden Euro verzeichnet. Der Dividendenvorschlag entspricht einer Gesamtausschüttung von 11,1 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,2 Milliarden Euro). Grund für die hohen Frachtraten waren eine intensive Nachfrage nach Seetransporten bei einem gleichzeitig knappen Angebot an Transportraum.
Das alles sind Nachwirkungen der Corona-Pandemie, die schon im vergangenen Jahr zu einer Rekorddividendenausschüttung geführt hatte: Damals erhielt Hamburg bereits 800 Millionen Euro. Jetzt ist es fast das Doppelte. Doch was soll mit dem Geld geschehen? Es auf die hohe Kante zu legen, wäre angesichts der noch eher geringen Zinsen ungünstig.
Hapag-Lloyd: Hamburg steht nicht die gesamte Ausschüttung zur Verfügung
Formal fließt das Geld zunächst an die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV). Dort hat der Senat seine städtischen Beteiligungen gebündelt, auch die Anteile an Hapag-Lloyd. Die HGV kann zunächst einen Teil der Summe dazu nutzen, Verluste anderer städtischer Unternehmen wie der Messe zu stopfen.
Zudem steht auch nicht die gesamte Ausschüttung zur Verfügung. Schließlich muss auch der Staat seine Gewinne aus Kapitalgeschäften zu 25 Prozent versteuern. Aber das geschieht zum Teil nach dem Prinzip rechte Tasche, linke Tasche: „Die Dividendenausschüttung unterliegt der Kapitalertragssteuer. Die Hansestadt und der Bund sind jeweils zur Hälfte Empfänger“, sagte ein Sprecher der Finanzbehörde.
Hapag-Lloyd zahlt Rekorddividende: Hamburgs Entscheider mit klaren Vorstellungen
Bei Hamburgs Entscheidern gibt es klare Vorstellungen darüber, wofür das Geld verwendet werden kann, etwa bei der Handelskammer. Sie hatte jüngst mit einem detaillierten Standpunktpapier zur Förderung von Zukunftstechnologien in Hamburg auf sich aufmerksam gemacht. Darin fordert sie die Einrichtung von Sonderinnovationszonen in denen Start-ups, etablierte Unternehmen und Wissenschaft eine schnellere Erprobung und Entwicklung von Neuerungen vorantreiben kann.
Zur Finanzierung verlangt die Kammer auch eine privatwirtschaftliche Beteiligung in Form einer Zukunftsmilliarde. „Wenn nicht jetzt, wann dann? Hamburg braucht den Innovations-Dreisprung und dazu gehört eine Zukunftsmilliarde aus den privatwirtschaftlichen Erträgen der Stadt“, sagte Kammerpräses Norbert Aust, nachdem die Dividendenhöhe bekannt geworden war. „Die Hapag-Lloyd-Dividende ist eine riesige Chance für die Zukunft des Wirtschafts- und Innovationsstandorts Hamburg.“
Hafenwirtschaft erwartet Abbau von Schulden
Der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Thilo Kleibauer, unterstützt diese Forderung: „Die hohen Einmalgewinne aus der Hapag-Lloyd-Beteiligung müssen jetzt zielgerichtet zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit der Stadt eingesetzt werden. Hierfür haben wir bereits in den letzten Haushaltsberatungen den Plan für einen Zukunftsfonds für Wissenschaft und Innovation vorgelegt.“ Sein Fraktionskollege Götz Wiese schlägt sogar die Einrichtung einer Innovationsstiftung vor, die dem städtischen Zugriff entzogen und allein auf Innovation und Zukunft gerichtet ist.
Die Hafenwirtschaft erwartet hingegen den Abbau von Schulden und mehr Geld für den Hafen. So fordert der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, dass mindestens 500 Millionen Euro zur Schuldentilgung verwendet werden.
„Der Restbetrag von bis zu einer Milliarde Euro sollte für dringend erforderliche Infrastrukturinvestitionen im Hafen wie zum Beispiel die Kaimauersanierung und eine Drehkreiserweiterung aufgewendet werden. Denn nach mehr als zehn Jahren finanzieller Vernachlässigung hat sich ein Investitionsstau im Hafen gebildet.“
FDP: Hamburg soll Hapag-Milliarde in Hafeninfrastruktur investieren
Ähnlich argumentiert der hafenpolitische Sprecher der FDP, der Bundestagsabgeordnete Michael Kruse: „Die mangelhaften Investitionen in die Hafeninfrastruktur im letzten Jahrzehnt haben Spuren in der Wettbewerbsfähigkeit hinterlassen. Wenn Hamburg zukünftig einen innovativen Energiehafen mit internationaler Bedeutung haben möchte, dann muss der Senat jetzt ein Konzept dafür vorlegen. Gemäß dem Prinzip ‚Hafen finanziert Hafen‘ wäre die Hapag-Milliarde dort gut investiert.“
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Hamburg will Hapag-Lloyd-Dividende peu a peu verwenden
Der Hamburger Senat hat indes seine eigenen Vorstellungen, wofür die Hapag-Lloyd-Dividende verwendet werden soll – und zwar peu a peu. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagte dem Abendblatt exklusiv: „Wir versuchen die positiven Einmaleffekte der Hapag-Lloyd-Dividende in den Budgets von Stadt und Konzern zu verstetigen und nutzen sie im Zeitfenster 2023 bis 2026, um wichtige Investitionen in der Stadt tätigen zu können – vom Wohnungsbau, über den Schulbau, den Klimaschutz bis zur Mobilitätswende.“
Die Dividende helfe der Stadt auch bei der Kompensation der in der Pandemie entstandenen hohen Verluste bei den öffentlichen Verkehrsunternehmen, die auch jetzt in der Energiekrise fortdauerten. „Mit dieser gemeinsamen Anstrengung in Kernhaushalt und Konzernbilanz schaffen wir es, die Mittel für Innovation und Investition in den Haushalten 2023/24 und 2025/26 auf Milliarden-Höhe zu steigern“, so Dressel. „Diesen Weg werden wir weitergehen – gerne mit der Handelskammer und wichtigen Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft.“
Am 3. Mai soll die Hauptversammlung die Dividende beschließen. Die Börse reagierte erfreut: Die Aktie legte um mehr als 14 Prozent auf 251,40 Euro zu zu.