Hamburg. Laut Aktionärsschützern agiert der Hersteller von Wasserstoff-Lkw “völlig intransparent“. Börsenkurs abgestürzt. Gründer schweigen.
Der Hersteller von wasserstoffbetriebenen Lastwagen, Clean Logistics, sammelt in den kommenden Tagen wieder Geld ein. Das börsennotierte Hamburger Unternehmen will bis zu 2,7 Millionen neue Aktien zu 1,80 Euro je Papier ausgeben. Die Aktion soll bis Ende des Monats laufen.
Doch was wie eine normale Kapitalerhöhung aussieht, ist nichts anderes als eine Notmaßnahme, um das Unternehmen vor dem Untergang zu bewahren. Denn nach einem kometenhaften Aufstieg ist der einstige Star am Börsenhimmel tief gefallen und läuft Gefahr, endgültig zu verglühen.
Clean Logistics: Börsenexperten betrachten Aktie als "Zockerpapier"
Der Absturz geschah innerhalb weniger Wochen. Noch Ende Oktober hatte Clean Logistics von einer „dynamischen Geschäftsentwicklung“ sowie gutem Wachstum berichtet und die Jahresprognose mit weiterem Umsatzanstieg im niedrigen zweistelligen Millionenbetrag bestätigt. Zwischendurch hatte das Unternehmen immer neue Aufträge zum Bau emissionsfreier Lkw verkündet. Die Zahlen gingen in die Tausende. Doch drei Tage vor Weihnachten vermeldete das Unternehmen in einer Ad-hoc-Mitteilung, „eine derzeit schwierige finanzielle Situation der Gesellschaft, die kurzfristigen Handlungsbedarf zur Sicherung der Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erfordert“.
Clean Logistics beschloss die Not-Kapitalerhöhung. Große Aktionäre der Gesellschaft hätten ihre Bereitschaft erklärt, sich daran zu beteiligen, hieß es zugleich. Zudem hätten Gläubiger der Gesellschaft signalisiert, dass sie über einen Umwandlung ihrer Forderungen in Eigenkapital (debt equity swap) nachdenken würden, las man in einer Mitteilung. Die Aktie des Unternehmens, die im August noch 17,60 Euro kostete, fiel in der Folge auf 2,70 Euro. Sie stürzte also um das Siebenfache ab. Inzwischen steht sie wieder bei vier Euro. Börsenexperten betrachten sie jetzt allerdings als ein „Zockerpapier“.
Aktionärsschützer kritisieren Clean Logistics
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) übt Kritik: „Noch im Oktober wurde die Unternehmensentwicklung positiv dargestellt. Weshalb kam es dann ohne Ankündigung zu diesem Absturz?“, fragt der Rechtsanwalt und DSW-Aktionärsvertreter Dirk Unrau. „Das Unternehmen agiert völlig intransparent.“
Erst im September sei ein neuer Finanzvorstand berufen worden, der Anfang Dezember schon wieder ausgeschieden sei. „Kein Mensch weiß, warum.“ Im Sommer habe Clean Logistics einen niederländischen Lkw-Hersteller übernommen, der nun schon wieder zur Stärkung der Kapitalbasis verkauft werden musste. „Ganz sicher mit Verlust“, so Unrau. Dabei habe schon die Halbjahresbilanz 2022 Probleme aufgezeigt. Das Unternehmen habe einen Umsatz von knapp 400.000 Euro ausgewiesen aber einen Verlust von mehr als fünf Millionen Euro. „Da ist ganz viel Geld verbrannt worden – zum Schaden der Aktionäre.“
Zum Ende des vergangenen Jahres stieg auch noch völlig überraschend der Verwaltungsratschef, Dirk Lehmann, aus dem operativen Geschäft aus. Er sei aber noch Gesellschafter hieß es danach.
Clean Logistics legte kometenhaften Aufstieg hin
Dabei sah anfangs alles anders, nämlich glänzend, aus. Immer wieder präsentierte Clean Logistics neue Aufträge zur Umrüstung von Lkw. Dazu reservierte sich das Unternehmen in Norddeutschland verschiedene Umbauplätze zur Produktion von Sattelzugmaschinen mit wasserstoff-elektrischem Antrieb. Parallel entwickelte man einen eigenen Wasserstoff-Lkw, den „Fyuriant“. Höhepunkt war der Rahmenvertrag mit der GP Joule Gruppe, einem Energieversorger und Dienstleister aus Schleswig-Holstein, über die Herstellung von 5000 wasserstoffelektrischen Fahrzeugen im August. Die Lieferung der Sattelschlepper ist für den Zeitraum von 2023 bis 2027 vorgesehen.
Das notwendige Startkapital hatte die junge Firma im Sommer 2021 an der Börse eingesammelt. Und weil alles ganz schnell gehen musste und der Kapitalhunger extrem groß war – ein eigener Börsengang aber Zeit geraubt hätte –. schlüpfte das Unternehmen in die leere Hülle eines bereits börsennotierten Aktienunternehmens, das früher mit Medienrechten gehandelt hatte, aber operativ nicht mehr tätig war. Zudem hatte die Gesellschaft im Mai 2022 eine Finanzierungsvereinbarung mit einem Volumen von elf Millionen Euro abgeschlossen.
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Clean Logistics: Gründer schweigen sich aus
Die Zahl der Mitarbeiter wuchs rasant. Erst waren es elf, dann 170. Zuletzt sprach man von mehr als 500, die man benötige. Jetzt wird bei Clean Logistics eher über Entlassungen nachgedacht. Denn die hohen Investitionskosten dürften dem Unternehmen am Ende die Probleme bereitet haben: Offenbar verlor ein wichtiger Investor in der Anlaufzeit die Geduld und drehte den Geldhahn zu. Ging das Vorzeige-Start-up der Technologiebranche, das zwischenzeitlich sogar als ernster Konkurrent der großen Lkw-Hersteller wie VW und Daimler angesehen wurde, deshalb so schnell in die Knie?
Fragt man die Spitze des Unternehmens, so erhält man keine Antwort. Die beiden Unternehmensgründer, der Geschäftsführer Dirk Graszt und Ex-Verwaltungsratschef Lehmann, schweigen sich aus. Kontaktversuche mit den zuvor redseligen Hamburger Unternehmern bleiben ohne Erfolg. „Wir bitten um Verständnis. Wir dürfen uns in dieser Situation nicht äußern“, lässt Graszt verlauten. Zu einem späteren Zeitpunkt seien beide aber gerne zu einem Interview bereit.
Zwischenzeitig wurde nur bekannt, dass Clean Logistics jetzt seine strategische Ausrichtung ändern will. Das Unternehmen möchte sich künftig auf die technologische Entwicklung und Fertigung konzentrieren, den Bau der eigentlichen Wasserstoff-Lkw aber anderen Firmen über Lohnfertigung überlassen.
Gründer sind keine unbekannten Hamburger Manager
Lehmann und Graszt sind keine unbekannten Hamburger Manager. Lehmann hat als Mitgesellschafter und langjähriger Geschäftsführer mit dem Unternehmen Becker Marine Systems einen Hamburger Weltmarktführer für besonders effiziente Schiffsrudersysteme groß gemacht, bevor er vor wenigen Tagen auch hier seinen Geschäftsführerposten niederlegte.
Er gilt als ein Treiber innovativer Ideen, der unter anderem mit der „Hummel“-Barge das erste schwimmende Kraftwerk für Flüssiggasmotoren zur Landstromerzeugung von Kreuzfahrtschiffen präsentierte. Lehmann hat mehrere technologiestarke Unternehmen gegründet wie den Batterie-Entwickler Cobra und E Cap Mobility, einen Betrieb zur Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen. Privat führt er auch gerne mal seinen elektrisch angetriebenen DeLorean vor: die Automarke, die man als Zeitmaschine aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ kennt.
Clean Logistics: Die Idee war extrem vielversprechend
Mit Graszt, so schien es, hatte Lehmann einen kongenialen Partner gefunden. Ehemals Geschäftsführer einer Spedition, der das Transportgeschäft beherrscht und weiß, dass es auch in Zukunft nicht ohne Laster funktioniert wird. Doch die müssen angesichts der Klimaziele emissionslos sein.
2019 gründeten sie Clean Logistics und begannen in zwei Hallen in Winsen (Luhe) Sattelzugmaschinen für 40-Tonner auf emissionslose Antriebe umzurüsten. Sie nutzten eine Nische: Bisher setzen die Automobilhersteller auf reine Batteriefahrzeuge. Wenn aber ein 40-Tonner damit auf die Straße soll, dann transportiert er zu viele Batterien und zu wenig Zuladung. Von Hamburg nach München müssten alleine die Batterien elf Tonnen wiegen. Graszt und Lehmann setzten deshalb auf Wasserstoff, der eine Brennstoffzelle antreibt. Die Idee war extrem vielversprechend: Es gibt rund 220.000 Sattelzugmaschinen in Deutschland. In Europa sind es gar 2,5 Millionen.
Clean Logistics: Gründer galten als Zukunftsmacher
Ihre Dieselmotoren stoßen Feinstaub, Stickoxide und CO2 aus. Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, müssen bis 2030 etwa 200.000 Lkw emissionsfrei fahren.
Lehmann und Graszt galten als Zukunftsmacher und erhielten Unterstützung vom Bund und vom Land Niedersachsen. Doch mit dem großen Zielen ist es nun zunächst dabei. Überlebt das Unternehmen die kommenden Monate, muss es in Zukunft ein geringeres Wachstum anpeilen. Aber selbst in der nun schwierigen Zeit, in der Clean Logistics ums Überleben kämpft und Lehmann aus dem operativen Geschäft ausgestiegen ist, sagt Graszt: „Zwischen Dirk und mir passt kein Blatt Papier.“