Winsen. Clean Logistics will in Winsen bis zu 450 Fahrzeuge im Jahr umrüsten. Wirtschaftsminister Althusmann zeigte sich beeindruckt.

Zunächst ging es im Winsener Gewerbegebiet Luhdorf um die Umrüstung von Fahrzeugen auf reinen Elektrobetrieb. Inzwischen werden dort auch Antriebe für Busse und Lkw montiert, die mit Wasserstoff fahren sollen.

Kürzlich präsentierte das börsennotierte Unternehmen Clean Logistics seinen wasserstoffbetriebenen Truck namens „fyuriant“ und feierte damit nach eigenen Angaben eine Weltpremiere. Die Umrüstung von schweren Sattelzugmaschinen von bis zu 40 Tonnen soll nun Fahrt aufnehmen.

Clean Logistics: In Winsener sollen Arbeitsplätze entstehen

Dazu werden am Standort in den kommenden zwei bis drei Jahren voraussichtlich 300 bis 500 Arbeitsplätze entstehen, kündigte Geschäftsführer Dirk Graszt bei einem Besuch von Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) an. „Wir haben im Juni in Stade unseren Prototypen vom Wasserstoff-Lkw vorgestellt“, sagte Graszt, der zusammen mit Dirk Lehmann, Vorsitzender des Verwaltungsrats von Clean Logistics, die Gäste empfing.

Er ließ die Zugmaschine vor den Eingang der Werkhalle fahren. Wer mit dem Rücken zum Rangierplatz stand, bekam davon nichts mit: Der bunte Sattelschlepper bewegte sich dank Elektromotoren komplett geräuschlos. Angetrieben wurde das Fahrzeug von zwei Radnabenmotoren an der Hinterachse. Der gesamte Antriebsstrang wurde von Clean Logistics entwickelt. Auch das sei einzigartig, so Graszt; andere Umrüster verbauten zugekaufte Komponenten.

Fahrzeuge sind emissionsfrei, wenn der Wasserstoff mit Ökostrom erzeugt ist

Die E-Motoren beziehen ihren Strom aus zwei Wasserstoff-Brennstoffzellen mit jeweils 120 kW Leistung (entspricht in etwa zweimal 160 PS). Die Fahrzeugtanks können 43 Kilogramm Wasserstoff aufnehmen. Damit fährt der Lkw 400 Kilometer. Und das nahezu emissionsfrei, sofern der Wasserstoff aus grünem Strom, etwa durch Nutzung von überschüssiger Windenergie, hergestellt wurde. Der Tankvorgang dauert eine Viertelstunde.

Die Entwicklung von fyuriant unterstützte das Bundesverkehrsministerium mit 3,3 Millionen Euro. Weitere Zuschüsse zahlt der Bund bei der Anschaffung von klimafreundlichen Lkw. Er übernimmt bis zu 80 Prozent der Mehrausgaben im Vergleich zu einem konventionellen Dieselfahrzeug. Abzüglich der Fördersumme bleibt ein Kaufpreis von rund 200.000 Euro. Ein Dieseltruck ist für rund 120.000 Euro zu haben. Allerdings sind die Abnutzung und der Wartungsaufwand beim Wasserstoffexemplar weit niedriger. Zudem ist das Fahrzeug von der Maut befreit.

Nächsten drei Zugmaschinen sollen in 2022 ausgeliefert werden

Nach dem Prototypen sollen nun die nächsten Zugmaschinen gebaut werden. „Drei wollen wir noch in diesem Jahr ausliefern“, sagte Graszt. Und das ist erst der Anfang. Das Unternehmen GP Joule will 40 Sattelzugmaschinen von Clean Logistics auf Wasserstoff-Antrieb umbauen lassen. Eines von mehreren Geschäftsfeldern des Unternehmens aus Reußenköge (Kreis Nordfriesland) ist die Nutzung von erneuerbaren Energien mit Wasserstofftechnik im Bereich der Mobilität. GP Joule möchte die Wasserstoff-Lkw an Logistikbetriebe vermieten.

Im Juni wurde der Vertrag zwischen den beiden Unternehmen geschlossen. Das heißt: Clean Logistics muss deutlich wachsen. Dafür steht angrenzend ein brachliegendes Grundstück bereit. Dort sollen ein Bürogebäude für 90 Arbeitsplätze und eine 10.000 Quadratmeter große Halle mit zunächst 200 Arbeitsplätzen entstehen – heute hat das Unternehmen rund 130 Mitarbeiter. Auf dem gesamten Gelände sollen von 2024 an jährlich bis zu 450 Nutzfahrzeuge, also neben Lkw zum Beispiel auch Busse oder Müllwagen, produzieren werden. Zudem ist eine Photovoltaik-Anlage geplant, die Solarstrom für einen Elektrolyseur erzeugt. Dieser stellt grünen Wasserstoff her, mit dem die umgerüsteten Kundenfahrzeuge betankt werden können.

Clean Logistics: Trotz Neubau in Winsen wieder zu wenig Platz

„Gemessen an der Nachfrage haben wir trotz des geplanten Neubaus eigentlich schon wieder zu wenig Platz“, sagte Graszt. Er kündigt an, für die Produktionserweiterung mittelfristig bis zu 500 neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Dabei sei der allseits beklagte Fachkräftemangel für sein Unternehmen kein Problem: „Ich habe Ingenieurszulauf von großen Unternehmen. Dort geht’s oft um Detailarbeit, da werden Schrauben optimiert. Bei uns kann sich ein Ingenieur austoben.“

Wirtschaftsminister Althusmann zeigte sich beeindruckt. „Die Kombination aus Wasserstoff und Brennstoffzelle wird eine wesentliche Antriebsart der Zukunft sein“, sagte er. Im Sommer 2021 übergab das Unternehmen seinen ersten von Diesel- auf Wasserstoffantrieb konvertierten Bus an die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft. Auch hier gebe es weitere Nachfrage, so Graszt. Natürlich nutzte der Geschäftsführer den Ministerbesuch, um Althusmann um weitere politische und auch finanzielle Unterstützung durch das Land Niedersachsen zu bitten. Manche Hürden seien im Bereich der Regularien zu beseitigen. Graszt nannte ein besonders prägnantes Beispiel: „Wasserstoff-Lkw dürfen kein Gefahrgut transportieren. Deshalb muss regenerativ erzeugter Wasserstoff in Diesel-Fahrzeugen befördert werden.“