Hamburg. Philipp Murmann will keine Denkverbote bei Kohle- und Atomkraft. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, hat er einen konkreten Vorschlag.
Drei Themen treiben Philipp Murmann, den Präsidenten des UVNord, derzeit um: die hohen Energiepreise, das Fehlen an qualifiziertem Personal und das aus seiner Sicht doch eher mäßige Straßen- und Bahnnetz hierzulande. „Eine sichere, bezahlbare Energieversorgung, ausreichend Fachkräfte und eine gute Infrastruktur – das alles waren einmal die Stärken des Standorts Deutschlands – und genau da müssen wir wieder hinkommen“, sagte er im Gespräch mit dem Abendblatt.
Schaut Murmann auf die im Zuge des Ukraine-Krieges dramatisch gestiegenen Strom- und Gaspreise, so will er noch nicht in Alarmismus verfallen. Doch in nicht wenigen Betrieben zum Beispiel in der Ernährungsindustrie oder Metallverarbeitung, aber auch im Handwerk sei die Situation durchaus dramatisch.
UVNord-Chef Murmann: Alle Energiequellen einsetzen!
„Die Politik muss dafür sorgen, dass alle verfügbaren Energiequellen in der jetzigen Krisensituation zum Einsatz kommen“, sagt Murmann. Es dürfe keine Denkverbote geben, auch nicht bei Kohle- oder Atomkraftwerken. „Es ist doch immer noch besser, hochmoderne deutsche Kohlekraftwerke weiterzubetreiben als Strom aus alten, schmutzigeren Kraftwerken im Ausland zu beziehen.“ Zudem müsse die deutsche Politik aufpassen, dass die hohen Energiesubventionen in den USA nicht zu einem Wettbewerbsnachteil für Firmen hierzulande werden.
Murmann nennt auch die insgesamt dramatisch gestiegene Inflation in Deutschland als Problem. Sie habe zu hohen Lohnsteigerungen im Zuge der Tarifverhandlungen geführt, wodurch Produkte „made in Germany“ nun vergleichsweise teuer seien. „Die Bekämpfung der Inflation auch durch die Europäische Zentralbank ist eine sehr wichtige Aufgabe in der nahen Zukunft. Wir müssen schnell und nachhaltig von den hohen Inflationsraten, die zu immer weiter steigenden Löhnen führen, herunter. Diese Preis-Lohn-Spirale kann sonst immens gefährlich werden – gerade für den Mittelstand.“
Fachkräftemangel – arbeitende Rentner sollen helfen
Mit Blick auf den Fachkräftemangel fordert Murmann „moderne Zuwanderungsregeln“ und „intelligente Arbeitszeitmodelle“ für Ältere. „Sicherlich müssen wir hierzulande auch über ein generell höheres Rentenalter nachdenken. Allerdings wäre den unter dem Fachkräftemangel leidenden Unternehmen bereits sehr geholfen, wenn Menschen, die bereits in Rente sind, unkomplizierter als bisher Geld dazuverdienen könnten. Hier sollte der Staat steuerliche Anreize schaffen.“
Der Fachkräftemangel könnte sonst zum „Riesenproblem für den Standort Deutschland“ werden. „Aktuell stehen hierzulande 47 Millionen Menschen dem Arbeitsmarkt aktiv zur Verfügung, 2060 werden es nur noch 31 Millionen sein. Diese Lücke müssen wir schließen.“ Dazu zähle auch, dass der Staat die Möglichkeit einer „lukrativen Frühverrentung“ begrenze.
Mit Blick auf die zum Teil schlechte Infrastruktur geht es Murmann weniger um die Geldsummen, die vonseiten des Staates aufgewendet werden, um Straßen und Schienen auf Vordermann zu bringen. „Schaue ich auf die Infrastruktur, so kritisiere ich vor allem die langen und komplizierten Entscheidungsprozesse. Hier müssen bürokratische Hürden schnell und dauerhaft abgebaut werden.“
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Das Verhältnis zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg bezeichnet Murmann, der als UVNord-Präsident Unternehmensverbände aus beiden Bundesländern vertritt, als „ordentlich“. Dies zeige sich jetzt auch wieder bei der Diskussion über die Frage, wo genau der Elbschlick aus dem Hamburger Hafen verklappt werden kann. „Auch beim Schlick ist der Gesprächsfaden nie abgerissen und nun hat man zumindest eine Übergangslösung gefunden.“
Allerdings sieht Murmann auch noch Verbesserungspotenzial: „Wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen nahe der jeweiligen Landesgrenze geht – da könnten die Absprachen besser werden.“
Der UVNord vertritt die Interessen von 108 Mitgliedsverbänden aus der Wirtschaft, die mehr als 66.000 angeschlossene Unternehmen mit gut 1,75 Millionen Beschäftigten in Hamburg und Schleswig-Holstein repräsentieren.