Hamburg. Vorstandschef Harings findet deutliche Worte zur Energiepolitik. Die Kupferkonzern investiert derweil kräftig in Hamburg.

Eigentlich plante Hamburgs Kupferkonzern Aurubis zur Präsentation seiner Jahresbilanz eine große Presseveranstaltung am Hauptstandort auf der Peute. Doch Corona und andere Viruserkrankungen hatten zu zahlreichen Absagen geführt. So musste Vorstandschef Roland Harings mit seinen Vorstandskollegen das Ergebnis für das abgelaufene Geschäftsjahr (1. Oktober 2021 bis 30. September 2022) wie zu Hochzeiten der Pandemie über das Internet bekannt geben.

Dabei hatte Harings viel Positives zu berichten: Nicht genug damit, dass Aurubis wie schon im Vorjahr Rekordgewinne einfuhr und das beste Geschäftsergebnis in seiner Firmengeschichte verzeichnete, auch hatte der Aufsichtsrat am Vortag ein ambitioniertes Investitionsprogramm im Wert von mehr als einer halben Milliarde Euro gebilligt. Entsprechend gut gelaunt erklärte der Manager, der das im MDAX notierte Unternehmen seit nunmehr dreieinhalb Jahren führt, am Mittwochmorgen; wohin das Geld fließen soll.

Aurubis investiert kräftig in Hamburg

Allein 190 Millionen Euro will Aurubis in die Ausweitung seiner Recyclingkapazitäten und die Optimierung der Materialflüsse in seinem Hauptwerk in Hamburg investieren. Rund 30.000 Tonnen zusätz­liche Metalle sollen hier zukünftig recycelt werden. Zudem wird die Metallurgie gestärkt und die Edelmetallverarbeitung verbessert. „Damit verbleibt mehr Wertschöpfung im eigenen Haus“, sagte Harings. Wie viele Arbeitsplätze die Kupferhütte damit in Hamburg zusätzlich schafft, wollte er nicht sagen. Die Investition sei aber „die Basis für weitere strategische Projekte im Werk und ein klares Bekenntnis zum Standort Hamburg“.

Für 250 Millionen Euro erweitert Aurubis zudem seine Recyclinganlage in Richmond (USA), und zwar bevor dort auch nur eine Tonne verarbeitet worden ist. Denn das neue Werk befindet sich im Bau und soll erst 2025 fertig werden. Aber der anhaltende Recyclingboom in den USA mit einem Wachstum von mehr als fünf Prozent jährlich führe zu einer stark wachsenden Verfügbarkeit an Recyclingmaterialien, sagte Harings zur Begründung. „Zahlreiche Gespräche mit Kunden vor Ort haben uns bewogen, den Werksausbau zu beschleunigen.“

Aurubis plant Investitionen in einen Solarpark

Schließlich plant Aurubis neben weiteren Investitionen den Ausbau des Solarparks am Standort Pirdop (Bulgarien). Dieser liefert schon jetzt mehr Energie als erwartet. Künftig soll der landesweit größte Solarpark 30.000 Megawattstunden Strom herstellen. Im Vergleich zur Stromproduktion aus Kohle würden damit jährlich 34.000 Tonnen des Klimagases Kohlendioxid eingespart, sagte Harings. Zusammen mit früheren Investitionen gebe Aurubis in Hamburg und an seinen anderen Standorten eine Milliarde Euro aus.

Diese Summe kommt nicht aus der Portokasse. Dennoch kann der Konzern es sich leisten. Denn Aurubis hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/2022 trotz höherer Energiekosten und der schwierigen Konjunkturlage sowie eines Wasserschadens im Werk Stolberg bei Aachen deutlich mehr verdient. Der Gewinn im operativen Geschäft nahm vor Steuern (Ebt) gegenüber dem Vorjahr um rund 40 Prozent auf 532 Millionen Euro zu. Das war sogar mehr, als Analysten im Vorfeld erwartet hatten. Unterm Strich erzielte das Unternehmen ein Konzernergebnis von 433 Millionen Euro gegenüber 284 Millionen Euro im Geschäftsjahr zuvor. Der Umsatz kletterte um knapp 14 Prozent auf 18,5 Milliarden Euro.

Dabei half dem Industrieunternehmen vor allem die hohe Nachfrage nach Kupfer. Das Metall wird mehr denn je benötigt, etwa für elektrische Schaltkreise und Leitungen – zum Beispiel bei Elektroautos, regenerativen Energieanlagen, Computern und ganz allgemein im Zuge der boomenden Digitalisierung.

Aurubis-Chef dämpft Erwartungen

Viel Geld kommt auch durch den Verkauf von derzeit ebenfalls teurer Schwefelsäure herein, die bei Aurubis in der Produktion entsteht. Mit zwei Millionen Tonnen pro Jahr stellt Aurubis sogar doppelt so viel Säure wie Kupfer her. Zudem fallen bei der Raffination reinen Kupfers weitere Edelmetalle wie Gold und Silber an, die Aurubis ebenfalls verkauft. Harings bezeichnet das Unternehmen deshalb lieber als Multimetallkonzern. An dem guten Geschäftsergebnis will Aurubis auch seine Anleger teilhaben lassen. Das Unternehmen schlägt der Hauptversammlung die Zahlung einer Dividende von 1,80 Euro pro Aktie vor. 20 Cent mehr als im Vorjahr und zugleich die höchste Ausschüttung seit dem Börsengang 1998.

Zugleich dämpft Harings aber die Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr wegen der Konjunkturabschwächung und gestiegener Kosten. Aurubis prognostiziert ein Ergebnis vor Steuern zwischen 400 und 500 Millionen Euro – ein weiterhin ordentlicher Wert. Vor allem die Energiepreise machen dem Konzern nun zu schaffen. Die Kosten dafür sind in den vergangenen Monaten um 65 Prozent von 207 auf 342 Millionen Euro gestiegen.

Aurubis-Chef kritisiert Energiepolitik hart

In diesem Zusammenhang geht Harings erneut hart mit der Politik ins Gericht. Dem Abendblatt sagte er nach der offiziellen Pressekonferenz: „Wir sind bei dem Thema sehr besorgt, nicht nur um Aurubis, sondern um den Fortbestand der gesamten Industrie. Das Gespenst der Deindustrialisierung in Europa ist kein Gespenst, sondern eine reale Gefahr. Wenn wir in Deutschland keine im Weltmaßstab wettbewerbsfähigen Energiepreise haben, dann wird eine ganze Reihe von Grundstoffindustrien aufgeben. Das Geschäftsmodell wird nicht mehr funktionieren.“ Er zog den Vergleich zum AurubisWerk in den USA: „Dort zahlen wir einen Strompreis, der auf realen Kosten basiert. Wir bekommen dort Strom zu 40 bis 50 Euro pro Megawattstunde. Der deutsche Preis liegt am Spotmarkt bei 200 Euro.“

Harings Appell an die Politik: „Wir müssen für den Zeitraum der Energietransformation – am besten bis 2030 – mit einem klar definierten Strompreis planen können.“ Die Industrie benötige zudem eine verlässliche Grundlastversorgung. Mit den derzeitigen Schwankungen bei den erneuerbaren Energien könne man nicht sinnvoll arbeiten. Zu den verschärften Klimaschutzplänen des Hamburger Senats, die Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) erst am Vortag ausgegeben hatte, sagte der Manager: „Sich ambitionierte Ziele zu setzen ist völlig richtig. Was aber dann unmittelbar folgen muss, sind konkrete Maßnahmen, die sich auch wirtschaftlich rechnen. Da habe ich meine Zweifel, dass die Politik die Wirtschaftlichkeit immer ausreichend berücksichtigt.“

Die Aurubis-Aktie, die am frühen Morgen noch etwas nachgegeben hatte, erholte sich rasch und kostete am Nachmittag fast sieben Prozent mehr als am Vortag.