Hamburg. Jedes vierte Paket geht laut einer Umfrage zurück an die Versandhändler. Mit ihrer Idee wollen drei Hamburger das jetzt ändern.
Retouren im Versandhandel vermeiden. So lautet das Ziel von Eva Aumüller. Bereits in ihrer Masterarbeit vor drei Jahren widmete sich die heute 27-Jährige der Frage, wie das gelingen kann. Doch dann kam Corona und der Online-Versandhandel boomte. Allein im vergangenen Jahr haben die Deutschen jedes vierte Paket zurückgeschickt und damit rund 795.000 Tonnen CO2 verursacht. 83 Prozent der Retouren gingen dabei auf Kleidung zurück, wie Forscher der Universität Bamberg ermittelt haben.
Doch Aumüller gibt nicht auf. Mit ihrem Start-up Toern hat die Hamburgerin nun zusammen mit zwei ehemaligen Kommilitonen eine Lösung entwickelt, mit der man nicht nur Ressourcen und CO2 einsparen kann, sondern auch noch Geld. Doch der Reihe nach: „Ehrlich gesagt wurde mir schnell klar, dass ich meine Idee, Retouren komplett abzuschaffen, verwerfen muss“, so die Gründerin. Für viele Kunden sei es schlichtweg immer noch attraktiv und bequem, sich mehrere Größen eines Kleidungsstücks kostenlos nach Hause zu bestellen.
Otto hält an kostenloser Rücksendung fest
So wie etwa beim Hamburger Versandhändler Otto, der wegen „Unsicherheiten in der Kaufentscheidung“ bei Verbrauchern an der kostenlosen Rücksendung festhält. Otto sieht es als „falsch“ an, „die Kundinnen und Kunden an dieser Schnittstelle mit Mehrkosten zu belasten“. Stattdessen setze der Versandhandel aber auf „smarte Lösungen, mit denen die Retourenquote und auch die Umweltauswirkungen etwa beim Versand reduziert werden können“.
Besonders im Hinblick auf die aktuelle Situation – Inflation, Unsicherheit und politische Krise – seien zusätzliche Kosten sowie ein zeitlicher und organisatorischer Mehraufwand für Kundinnen und Kunden nicht zu verantworten, meint Alexander Birken, Vorsitzender der Otto Group.
Deutschland ist der „Retouren-Europameister“
Doch auch wenn viele Händler bereits eine Gebühr erheben, scheint dies die Kundinnen und Kunden nicht abzuschrecken. Denn, wie ebenfalls aus der Studie der Bamberger Forscher hervorgeht, ist Deutschland „Retouren-Europameister“. In keinem anderen europäischen Land werden so viele Retouren zurückgeschickt wie hier. Dem wollen Aumüller, Jonas Zeuner und Alena Schneck nun mithilfe ihrer Software entgegenwirken.
Durch ein einfaches digitales Verfahren wollen die drei Gründer dafür sorgen, dass Kunden künftig ihre Retouren, anstatt zurück an den Versandhändler, direkt an den nächsten Käufer weitersenden. „Meldet ein Käufer seine Retoure bei einem Onlineshop an, der mit uns zusammenarbeitet, erhalten wir eine Benachrichtigung.“ Zum einen wandere der jeweilige Artikel anschließend direkt wieder zurück ins Online-Sortiment.
Retourenartikel wieder verkaufen
Dort werde der „Pre-Chosen-Artikel“, wie Aumüller die Retourenartikel nennt, dann zu einem um etwa zehn Prozent reduzierten Preis wieder als verfügbar angegeben. Das Retourenlabel, das der Kunde darauffolgend von Toern erhält, enthält anstatt der Adresse des Logistikcenters des Versandhändlers die Adresse des nächsten Käufers. Angst um seine Daten müssten Kundinnen und Kunden jedoch nicht haben, da Toern die Adressdaten über einen verschlüsselten Barcode übermittelt, wie Aumüller erklärt. Findet sich hingegen kein weiterer Käufer, geht das Paket erst einmal an den Versandhändler zurück.
„Auf diese Weise können wir enorm viel Plastik, Kosten und Ressourcen sparen“, sagt Aumüller. „Es ist doch nicht notwendig, dass wir einen Artikel, den wir nur einmal anprobiert haben, wieder komplett neu verpacken und aufbereiten.“ 6,50 Euro könnten Versandhändler so pro Retoure sparen, da sowohl die Bearbeitungskosten (in etwa vier Euro pro Artikel) sowie der Rückversand zum Logistikcenter (3,50 Euro) entfielen. Ein Teil des Betrags geht dabei auch als Gebühr an Toern. „Darüber hinaus ist es umweltfreundlicher, und wir sparen im Durchschnitt 500 Gramm CO2 pro Retoure“, so die Gründerin.
Idee stammt aus dem Freundeskreis
Auf die Idee habe Aumüller eine Freundin gebracht, erzählt sie. Wann immer diese etwas an einen Versandhändler zurücksenden wollte, habe sie zunächst ihre Freundinnen kontaktiert. Darunter unter anderem auch Aumüller, die das Verfahren gleich auf den gesamten Freundeskreis ausweitete. „Über WhatsApp haben wir eine Gruppe für den Weiterverkauf gegründet. Jeder Teilnehmer konnte dort die Artikel hereinsetzen, die er ohnehin als Retoure zurück an einen Versandhändler gesandt hätte.“
Zwar seien laufend Artikel angeboten worden. Allerdings habe sich kein Abnehmer gefunden. „Oftmals fanden die Gruppenmitglieder die Kleidungsstücke zwar schön, aber die Größte passte nicht.“ Deshalb habe Aumüller mehr Menschen erreichen und das Netz größer spannen wollen.
Hamburger Start-up wird gefördert
Zusammen mit ihrem ehemaligen Kommilitonen Jonas Zeuner, den Aumüller noch von ihrem E-Commerce-Master an der FH Wedel kennt, entwickelt die Gründerin schließlich Toern. Auch Alena Schneck, die Aumüller noch aus ihrem Textilmanagementstudium kennt, war gleich begeistert, wie sie sagt. Durch ihre Erfahrung, den Essenslieferanten Flink mitaufzubauen, habe Schneck wertvolles Wissen rundum Finanzen mitbringen können. Dies wird nun vor allem in der Finanzierungsphase ab Januar gebraucht.
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Auch wenn die Idee denkbar einfach erscheint, könnte Toern das Retourengeschäft revolutionieren. Das findet offenbar auch die Wirtschaftsförderung Schleswig-Holstein, die das Start-up seit September für ein Jahr mit einem Stipendium über 1750 Euro pro Person bezuschusst. Doch auch Versandhändler melden bereits Interesse an. Ab Januar startet Toern eine Zusammenarbeit mit dem nachhaltigen Kölner Label „Kaya & Kato“. Darüber hinaus sind die drei Gründer aber auch bereits mit Hamburger Unternehmen wie Otto und Tchibo in Kontakt.