Hamburg. Zinswende macht Dispo-Kredit bei vielen Banken teurer. Welche Institute nun wie viel verlangen und was Verbraucherschützer raten.

Weihnachtsgeschenke, hohe Energierechnungen und noch mehrere Versicherungsbeiträge zum Jahresende: Mit der Inflation wächst die Wahrscheinlichkeit, dass immer mehr Bankkunden ihr Girokonto überziehen werden. „Verbraucher, die vorher schon schwer über die Runden gekommen sind, rutschen jetzt aufgrund der Krise in den Dispo“, sagt Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Doch das kann teuer werden, wie ein aktueller Vergleich unserer Zeitung zeigt. In die Niedrigzinsphase verharrten die Zinsen für den Dispositionskredit lange auf einem konstanten Niveau. Doch seit die Europäische Zen­tralbank (EZB) die Zinsen wieder erhöht, haben auch die Konditionen für den Dispo angezogen. Wie stark sind die Überziehungszinsen gestiegen? Welche Banken sind günstig? Welche Alternativen gibt es zum teuren Dispo? Ein Überblick.

Wie stark sind die Zinsen für die Über­ziehung des Kontos gestiegen?

In einer Umfrage bei den Banken hat unsere Zeitung nicht nur die aktuellen Konditionen abgefragt, sondern auch die Entwicklung seit Anfang 2019. Postbank und DKB Bank verweigerten die Teilnahme. Über längere Zeit blieben die Konditionen konstant, seit Sommer 2022 legen die Dispozinsen aber wieder zu. In der Spitze verteuerten sich die Konditionen um rund 20 Prozent, etwa bei Comdirect und Targobank (Online-Konto).

Dennoch gehören beide Institute aktuell noch zu den günstigen Anbietern. Das teuerste Institut ist die HypoVereinsbank mit einem Dispozins von 11,95 Prozent. Wichtiger als der Anstieg ist, wie tief die Zinsen in der Niedrigzinsphase gesunken sind, bei der Comdirect auf 6,50 Prozent. Erhöhungen auf einer niedrigen Basis wirken sich für den Kunden nicht so stark aus, als wenn der Überziehungszins auch in der Niedrigzinsphase bei über zehn Prozent verharrte. Beispiele sind Deutsche Bank und HypoVereinsbank.

Ganz anders ist die Entwicklung bei der PSD Bank Nord. Sie hat jetzt mit 6,62 Prozent sogar einen geringeren Dispozins als in der Niedrigzinsphase (7,20 Prozent). Bei der ING kostet die Überziehung des Kontos seit Mitte 2016 unverändert 6,99 Prozent. Auch die Sparda-Bank Hamburg hat den Dispo seit dem Zinstief nicht erhöht.

Warum wird der Dispo teurer?

Die Banken verweisen auf die EZB. Sie hat den Leitzins bereits zum dritten Mal in diesem Jahr angehoben, zuletzt auf zwei Prozent. Steigt dieser Zins, wird das Ausleihen von Geld teurer. Das gilt für die Überziehung des Kontos ebenso wie für einen Immobilienkredit. Die Banken haben ihre Dispozinsen an verschiedene Referenzzinssätze gekoppelt, mal ist es der EZB-Leitzins wie bei der Deutschen Bank oder Comdirect.

Andere Institute wie die Hamburger Sparkasse (Haspa), die Hamburger Volksbank oder die HypoVereinsbank haben den Drei-Monats-Euribor gewählt, einen Zinssatz für Banken, wenn sie sich untereinander Geld leihen. Das soll verhindern, dass die Dispozinsen willkürlich festgelegt werden. Es gibt aber keinen Automatismus, dass ein steigender Referenzzins zu einem höheren Dispozins führen muss, wie die Zinsentwicklung bei der ING zeigt. Für den Verbraucher sind diese Mechanismen aber nur schwer zu durchschauen.

„Man muss bedenken, dass der Durchschnittssatz angesichts der Niedrigzinsen vorher schon sehr hoch und nicht zu rechtfertigen war“, sagt Horst Biallo, Gründer des gleichnamigen Verbraucherportals. Eine Sprecherin der Deutschen Bank verweist darauf, dass das Institut „die drei Erhöhungsschritte des EZB-Leitzinssatzes seit Mitte Juli 2022 beim Dispozins nur zum Teil an ihre Kunden weitergegeben hat“. Außerdem verlange die Bereitstellung des Dispositionskredits Eigenkapital von der Bank, auch wenn der Kredit nicht in Anspruch genommen werde.

Was sagen Verbraucherschützer?

Die Verbraucherzentrale Hamburg bemängelt, dass eine Erhöhung sofort umgesetzt wird, während die Banken bei den lange Zeit niedrigen und sinkenden Zinsen ihre Konditionen nicht adäquat angepasst hätten. „Wir wünschen uns schon lange eine Deckelung des Dispozinses, damit dieser nicht in eine Höhe bis nahe der Wuchergrenze geschraubt werden kann“, sagt Verbraucherschützerin Föller.

Auffällig ist auch der Unterschied zwischen Dispozins und Tagesgeld. In der Niedrigzinsphase gab es bei den befragten Banken fast kaum Zinsen auf Tages- und Festgeld für ein Jahr. Inzwischen sind die Zinsen für ein Festgeld über zwölf Monate zwar auf rund ein Prozent gestiegen, für ihre Einlagen auf dem Tagesgeldkonto gehen die Kunden aber überwiegend noch leer aus. Die Commerzbank will spätestens ab Dezember 2022 wieder Zinsen auf Tagesgeld anbieten.

Welche Banken sind günstig beim Dispo?

Ein Vergleich des Abendblatts zeigt: Die PSD Bank Nord hat mit 6,62 Prozent den mit Abstand günstigsten Zins und gleichzeitig mit 1,50 Prozent den höchsten Zins beim Festgeld der untersuchten Banken. Unterhalb von acht Prozent bleiben auch die ING mit 6,99 Prozent und Comdirect mit 7,75 Prozent.

Werden die Dispozinsen weiter steigen?

Haspa und Comdirect rechnen mit weiteren Anhebungen bis zum Jahresende, wie die Umfrage unserer Zeitung ergab. Nur die Santander Bank schließt das aus. Die anderen Banken machen das abhängig von der weiteren Zinsentwicklung. „Bei der Festlegung der Konditionen für die Kontoüberziehung berücksichtigen wir unseren genossenschaftlichen Förderauftrag sowie die Entwicklungen am Zinsmarkt“, sagt ein Sprecher der Sparda-Bank Hamburg. Eine kurzfristige Erhöhung sei aktuell nicht vorgesehen.

Was droht bei Überziehung des Disporahmens?

Viele Banken verzichten inzwischen auf einen noch höheren Zinssatz, wenn der Disporahmen bereits ausgeschöpft ist und das Konto dennoch überzogen wird. Dazu gehören von den Hamburger Banken alle bis auf die Volksbank (13,38 Prozent). Den höchsten Überziehungszins hat die Deutsche Bank mit 15,15 Prozent.

Was müssen Verbraucher beachten?

Immer mehr Banken bieten unterschiedliche Dispozinsen, die abhängig vom gewählten Kontomodell sind. Bei der Santander Bank profitieren Kunden von einem relativ niedrigen Dispozins von 8,05 Prozent, die um nicht mehr als 500 Euro überziehen. Übersteigt das Minus aber 1000 Euro, werden 11,30 Prozent fällig. Zwei Prozentpunkte günstiger ist bei der Commerzbank das Überziehen des Premiumkontos (8,95 Prozent) im Vergleich zum Standardkonto.

Die Premium-variante hat mit 12,90 Euro monatlich aber ihren Preis. Ähnlich agiert die Haspa, die angekündigt hatte, die Preise für die Joker-Konten zu erhöhen. Der günstigere Dispozins von 8,82 Prozent gehört zum Joker premium (17,95 Euro pro Monat), während die Joker-Kunden (9,95 Euro im Monat) für die Überziehung des Kontos 10,82 Prozent zahlen müssen.

Wie lassen sich Kosten reduzieren?

Am besten ist es, den Dispo erst gar nicht in Anspruch zu nehmen. Wenn doch, dann kann das nur eine kurzfristige Liquiditätsquelle sein – für wenige Tage, bis das nächste Gehalt eingeht. Der Dispo ist kein Kredit, um Anschaffungen zu finanzieren. „Wer mehr als drei Monate braucht, bis das Konto wieder ausgeglichen ist, sollte sich eine günstigere Alternative wie einen Konsumentenkredit suchen“, sagt Alexander Artopé, Geschäftsführer des Kreditportals Smava. „Das betrifft rund 25 Prozent der Nutzer. Sie überziehen ihr Konto länger als drei Monate, zum Teil sogar mehr als 12 Monate.“

Ein hoher Dispositionskredit kann dann in einen Ratenkredit umgeschuldet werden. Zwar steigen auch die Zinsen für Ratenkredite, sie sind aber generell günstiger als der Dispo. Beispiel: 3000 Euro Schulden, die sich auf dem Girokonto nicht abbauen lassen, können in einen Ratenkredit der Deutschen Skatbank zu 4,58 Prozent Effektzins umgeschuldet werden. Monatlich müssen dann für drei Jahre 90 Euro abgestottert werden, bis die Schulden getilgt sind.