Hamburg. Die Branche verweist auf hohe Schäden. Ältere Fahrer sind besonders von dem Preisanstieg betroffen – wie Verbraucher reagieren können.

Lebensmittel, Benzin, Energie – alles wird teurer. Jetzt wollen auch noch die Autoversicherer höhere Prämien für die Kfz-Versicherung im nächsten Jahr durchsetzen. Beispielrechnungen dieser Zeitung in Zusammenarbeit mit dem Vergleichsportal Verivox zeigen deutliche Preiserhöhungen im Vergleich zum Vorjahr.

In der Regel kann die alte Police bis zum 30. November gekündigt werden, um im kommenden Jahr zu einem neuen Anbieter zu wechseln. Wie findet man eine günstige Versicherung? Was macht die Kfz-Police günstig oder teuer? Auf welche Leistungen soll man achten? Warum sind ältere Autofahrer besonders von Preisanhebungen betroffen? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie stark steigen die Versicherungsprämien?

Zieht man den Vorjahresvergleich unserer Zeitung heran, so steigen die Prämien aus Kfz-Haftpflichtversicherung sowie Teil- und Vollkasko mit 150 Euro Selbstbeteiligung im Jahr 2023 um 17,6 Prozent. Ähnliche Angaben hört man auch aus der Branche. Alle Merkmale der Hamburger Autofahrer wie Alter, Fahrleistung, Schadenfreiheitsklasse (SF) und Autotyp sind in unserem Vergleich gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben, und das Vergleichsportal Verivox hat die Durchschnittsprämie aus den jeweils zehn günstigsten Anbietern ermittelt.

Die Preiserhöhungen betreffen alle Altersklassen und Fahrzeugtypen, die für den Vergleich ausgewählt wurden. Allerdings fallen die Tariferhöhungen für den VW Golf VIII mit acht Prozent für die jüngere Fahrergruppe (25 bis 45 Jahre) und 13,5 Prozent für die älteren Fahrer (55 bis 85 Jahre) noch am geringsten aus. Die höchsten Beitragserhöhungen müssen die Fahrer des Audi Q3 verkraften. Sie reichen von 20 Prozent (junge Fahrer) bis zu 29 Prozent (ältere Fahrer).

Was sind die Gründe dafür?

„Wir haben 2021 rund 450.000 Schäden in Höhe von 1,7 Milliarden Euro an versicherten Kraftfahrzeugen gezählt“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Schadenjahr habe sich die Schadensumme allein durch Unwetter, etwa mit Hagel und Überschwemmungen, fast verdoppelt.

Im langjährigen Durchschnitt werden durch Naturphänomene normalerweise jährlich rund 390.000 versicherte Fahrzeuge beschädigt, die Schadensumme liegt bei rund 900 Millionen Euro. Außerdem verweist die Branche auf die stark gestiegenen Werkstatt- und Reparaturkosten, die noch über der Inflationsrate liegen. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn die Kfz-Versicherer haben in den vergangenen zwei Jahren so gut verdient wie seit Jahren nicht mehr.

Grund war die Pandemie. Autofahrer waren weniger unterwegs, es gab weniger Unfälle. Die Beitragseinnahmen sind seit Jahren höher als die Ausgaben für Schäden und die Kosten für die Verwaltung der Policen.

Wer ist besonders von hohen Beiträgen betroffen?

Das sind ganz klar die älteren Autofahrer. „Bei sonst identischen Rahmenbedingungen zahlen 85-Jährige mehr als doppelt so viel für ihre Vollkaskoversicherung wie 30 Jahre jüngere Autofahrer“, sagt Wolfgang Schütz, Geschäftsführer der Verivox Versicherungsvergleich GmbH. Der Vergleich zeigt klar, dass die Beiträge bei identischen Fahrzeugen und Bedingungen – alle haben bereits SF 35 – mit dem Alter deutlich ansteigen.

Am stärksten betroffen sind die Fahrer des Golf VIII und der Mercedes-Benz B-Klasse. Die Versicherungsbeiträge der 85-Jährigen liegen mit 782 Euro (VW) und 896 Euro (Mercedes-Benz) rund 145 Prozent über denen des 55-Jährigen. Aber auch die anderen Fahrzeuge sind nicht viel günstiger für betagte Fahrer. Der 85-jährige Audi-Fahrer zahlt im Jahr 884 Euro, während der 55-Jährige Versicherte nur 370 Euro entrichten muss.

Auch wenn man bei diesem Fahrzeug den 65-Jährigen mit dem 85-Jährigen vergleicht, muss der ältere Fahrer mit 884 Euro doppelt so viel zahlen wie der 20 Jahre jüngere Versicherte.

Woran liegt das?

„Laut Statistiken haben ältere Fahrer ein höheres Unfallrisiko. Viele Versicherer berechnen daher vor allem für die Haftpflichtbeiträge höhere Summen“, sagt Schütz. Wie die Statistiken des GDV zeigen, verursachen ältere und jüngere Fahrer im Schnitt vergleichsweise mehr Schäden als Fahrer mittleren Alters.

So liegt der Anteil der über 75-Jährigen, die Unfälle mit Personenschäden verursachen, etwa so hoch wie bei den Fahrern in der Altersgruppe 18 bis 21 Jahre. Tendenziell wirke das Alter beitragserhöhend, sagt Christian Weishuber von der Allianz.

Die höheren Beiträge für ältere Fahrer hat auch die Finanzaufsicht BaFin abgesegnet, weil sie auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruhen und somit nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen.

Wie können ältere Autofahrer den Beitrag senken?

„Wie hoch die Seniorenzuschläge im Einzelnen ausfallen, ist von Versicherer zu Versicherer unterschiedlich. Insbesondere für ältere Autohalter lohnt sich daher ein individueller Tarifvergleich. Hier winken Sparpotenziale von mehreren Hundert Euro im Jahr.“, sagt Schütz.

Dafür können Vergleichsportale wie Verivox, Check24 oder nafiauto.de genutzt werden. Ein Pluspunkt für Senioren seien oft die höheren SF-Klassen und damit höhere Rabatte für unfallfreie Jahre als bei jüngeren Fahrern, sagt Schütz. Für Ältere mit vielen schadenfreien Jahren sind Versicherer interessant, deren SF-Staffel nicht bei 35 endet. Eine Rabattstaffel bis 50 haben etwa Axa, Bruderhilfe, Huk-Coburg, Huk24 und WGV.

Welche Versicherer sind besonders günstig?

Obwohl sich der Versicherer Wefox vor allem an digitalaffine, jüngere Kunden richtet, taucht er 21-mal unter den fünf günstigsten Anbietern in der Altersgruppe 55 bis 85 Jahre auf. Daneben wurden vor allem HUK24, Verti und Europa als günstige Versicherer für Ältere ermittelt. Bei den 85-Jährigen können aber nur Wefox und Europa punkten.

Was macht die Kfz-Versicherung teuer oder preiswert?

Es gibt persönliche Daten, die sich zwar auf den Beitrag in der Kfz-Versicherung auswirken, an denen der Versicherte jedoch kaum bis gar nichts ändern kann. „Familienstand, Kinder, Alter, Beruf, ja auch die Wohngegend sind zwar teilweise Preistreiber in der Autoversicherung, lassen sich aber nicht beeinflussen“, sagt Kathrin Gotthold, Versicherungsexpertin beim Verbraucherportal Finanztip. Aber andere Faktoren durchaus.

„Den Beitrag einmal im Jahr in einer Summe zu zahlen statt monatlich, brachte in unserer aktuellen Studie bis zu neun Prozent Ersparnis“, sagt Gotthold. Wer eine Werkstattbindung vereinbare, spare im Schnitt elf Prozent. Bei einem Kaskoschaden kann dann der Versicherer eine Werkstatt zuweisen. Eine Selbstbeteiligung von 150 Euro in der Teilkaskoversicherung ergab 20 Prozent weniger Beitrag, bei 300 Euro Selbstbeteiligung waren es 28 Prozent. Beim Fahrerkreis lässt sich sparen, wenn man ihn klein hält.

Der Ehe- oder Lebenspartner als weiterer Fahrer verteuerte den Beitrag in der Finanztip-Studie im Schnitt nicht. Ein Fahranfänger als zusätzlicher Fahrer hingegen verdoppelte ihn fast. 5000 mehr gefahrene Kilometer kosteten in der Untersuchung bis zu 15 Prozent mehr Beitrag.

Welche Leistungen sind für alle wichtig für eine Kfz-Versicherung?

„Wir raten zur Höchstdeckung von 100 Millionen Euro für den Gesamtschaden“, sagt Sandra Klug, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Personenschäden sollten mit mindestens 15 Millionen Euro versichert sein. Bei der Vollkaskoversicherung sollte durch den Versicherer auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet werden.

Ändern sich 2023 die Regionalklassen für Hamburg?

Nein, aber sie bleiben hoch. Neben der Schadenfreiheitsklasse, der Typklasse und der Fahrleistung ist der Beitrag auch von der Regionalklasse abhängig. Diese spiegelt die Anzahl der Unfälle im jeweiligen Zulassungsbezirk wider. Hamburg hat in der Haftpflichtversicherung mit 11 die zweithöchste Regionalklasse.

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  • Die Kfz-Haftpflichtschäden liegen fast 27 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, so der GDV. Auch die Regionalklasse (8) in der Vollkaskoversicherung ist die zweithöchste. Nur die Teilkaskoversicherung ist mit Klasse 6 von 16 günstiger.

    Wann lohnt ein Wechsel?

    Ein Versicherungsvergleich lohnt auf alle Fälle, wenn man schon mehrere Jahre bei dem gleichen Anbieter ist. Denn viele Versicherer stellen ihre treuen Kunden schlechter als Neukunden. Wer lange bei seinem Anbieter bleibt, zahlt mehr als jemand, der öfter wechselt.

    Um neue Versicherte zu gewinnen, wird die Police im ersten Jahr besonders günstig angeboten – auf Kosten der Altkunden. Nach einer Umfrage der ADAC Autoversicherung geben 36 Prozent der Autofahrer an, dass sie über einen Wechsel der Kfz-Versicherung in diesem Jahr nachdenken wollen.