Hamburg. Top-Anbieter zahlen schon bis zu 3,55 Prozent für fünf Jahre. Der Trend scheint vorerst anzuhalten. Was Experten Sparern raten.
Die Deutschen gelten im Hinblick auf die Geldanlage als außergewöhnlich risikoscheu. Insofern dürfte dieser Satz aus einem Anschreiben der Haspa an ihre Kunden vielfach Zustimmung finden: „In unruhigen Zeiten möchte man die eigenen Geldreserven sicher zurücklegen – und davon gleichzeitig auch profitieren“, heißt es da. Und weiter: „Wir unterstützen Sie dabei und erhöhen deshalb unsere Zinsen für Festgeld auf bis zu 2,2 Prozent pro Jahr.“
Zweifellos erscheint das auf den ersten Blick äußerst verlockend. Allerdings muss man das Geld für immerhin zehn Jahre festlegen, um Zinsen in dieser Höhe einstreichen zu können. Für Zweijahresfestgeld gibt es nur 1,2 Prozent, für Zwölfmonatsfestgeld 1,0 Prozent.
Festgeld: Zinsen steigen rasant an
Etliche Anbieter treiben derzeit die Festgeldzinsen deutlich in die Höhe – sie erreichen Größenordnungen, die in den zurückliegenden sechs bis acht Jahren regelrecht utopisch erschienen wären. So bietet etwa die italienische Cherry Bank 3,55 Prozent für Fünfjahresfestgeld.
Doch ist es sinnvoll, sich angesichts womöglich noch spürbar weiter steigender Zinsen für so lange Zeit zu binden? Wie sollten sich Anleger jetzt verhalten? Unsere Zeitung hat Experten befragt.
Wie sparen die Deutschen?
Bankeinlagen und Bargeld machen noch immer rund 40 Prozent des Geldvermögens der privaten Haushalte aus – und damit den größten Posten. Im zweiten Quartal 2022 ist das Geldvermögen gesunken, zum zweiten Mal in Folge. Ursache dafür waren Wertverluste vor allem bei Aktien und Investmentfonds.
Von den Bankeinlagen im Umfang von etwa drei Billionen Euro, die von Privatpersonen gehalten werden, liegt der weitaus größte Teil auf Giro- und Tagesgeldkonten. Termineinlagen machten zuletzt knapp 300 Milliarden Euro aus, Spareinlagen und Sparbriefe gut 550 Milliarden Euro.
Wie haben sich die Tages- und Festgeldzinsen zuletzt entwickelt?
Nachdem die Festgeldzinsen über die vergangenen zehn Jahre tendenziell immer weiter abgebröckelt sind, bis sie zum Jahresbeginn 2022 im Schnitt nur noch bei rund 0,1 Prozent lagen, begann im Frühjahr ein steiler Anstieg auf zuletzt durchschnittlich 1,15 Prozent für eine Laufzeit von zwölf Monaten beziehungsweise 1,5 Prozent für Zweijahresfestgeld. So viel boten die Banken zuletzt im Jahr 2012. Top-Anbieter liegen allerdings weit darüber. So lockt die Alpha Bank Romania mit 2,75 Prozent bei einjähriger Bindung (siehe Tabelle).
Zum Vergleich: Noch Ende August lag der Spitzensatz für Einjahresfestgeld bei 1,90 Prozent, die man damals bei einem italienischen Institut bekam. Zwar haben auch die Tagesgeldzinsen sehr deutlich angezogen. Gemessen an den in der Vergangenheit beobachteten Abständen zum Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) herrscht hier aber noch erheblicher Nachholbedarf.
Warum sind die Banken beim Tagesgeld weniger großzügig?
„Die Banken haben noch sehr viel Geld auf den Tagesgeld- und Girokonten herumliegen“, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. Wer beim Tagesgeld hohe Zinsen offeriere, ziehe zwar Neukunden an. „Viele sind aber im nächsten Moment beim nächsten Top-Anbieter, wenn man nach drei bis sechs Monaten vom Neukunden in den Bestandskunden wechselt.“ Früher habe man von „Zinshoppern“ gesprochen – und die sind bei den Banken derzeit offenbar noch weniger beliebt als einst.
Werden die Zinsen in den nächsten Monaten noch weiter steigen?
„Ein Ende des aktuellen Aufwärtstrends beim Festgeld ist vorerst nicht in Sicht“, heißt es beim Verbraucherportal biallo.de. Gleiches gelte für das Tagesgeld. Auch hier werde der Aufwärtsdruck anhalten, „denn im Dezember steht bereits die nächste Leitzins-Erhöhung der EZB an – möglicherweise erneut um 75 Basispunkte, wenn nicht sogar um einen Prozentpunkt.“
Max Herbst wagt für das Festgeld eine konkrete Prognose. Er erwartet bei ein- und zweijährigen Laufzeiten „noch Steigerungspotenzial von bis zu einem Prozentpunkt in den nächsten Wochen – bis zur nächsten EZB-Leitzinserhöhung.“
Für wie lange sollte man das Geld festlegen?
„Man sollte sich jetzt nicht länger als für zwei oder höchstens drei Jahre binden, weil die Zinsen voraussichtlich noch steigen“, rät Sandra Klug, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Max Herbst zieht den Rahmen noch enger: „Meine Empfehlung wäre sehr gute zwölf Monate Festgeld.“
So könne es sich lohnen, das Geld zu 2,7 Prozent bei der Banco do Brasil (Wien) anzulegen – mit österreichischer Einlagensicherung über den Vermittler Zinspilot. „Da kann man sich dann getrost zurücklehnen und die weiteren Zinserhöhungen aussitzen.“
Welche Rolle spielt die Inflation?
„Bis die Zinsen beim Festgeld oder Tagesgeld auch nur annähernd an die Inflationsrate heranreichen, werden noch viele Monate, vielleicht sogar Jahre vergehen“, erwartet das Expertenteam von Max Herbst. Damit werden Sparer mit diesen Geldanlageformen auch weiterhin unter dem Strich Vermögensverluste erleiden. Zwar dürfte der Abstand zwischen der Teuerungsrate und den Sparzinsen nicht ganz so hoch bleiben, wie er derzeit bei einer Inflation von rund zehn Prozent ist.
Aber Deutschland oberster Währungshüter, Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, ist im Hinblick auf eine schnelle Abkühlung des Preisauftriebs nicht allzu optimistisch: „Im Jahresdurchschnitt 2023 halte ich eine Sieben vor dem Komma für wahrscheinlich“, sagte er. Eine dauerhaft hohe Inflation sei „der größte Wohlstandsvernichter“.
Gibt es einen Kompromiss zwischen Tages- und Festgeld?
Auf Zinsvergleichsportalen stößt man seit einiger Zeit auch auf den Begriff „Flexgeld“. Solche Angebote sind ein Mittelding zwischen Tages- und Festgeld: Man legt eine bestimmte Summe als Festgeld an, kann aber je nach Anbieter 20 bis 50 Prozent des Betrages vor Ende der Laufzeit abheben. Diese Flexibilität hat ihren Preis: Auch der Zinssatz liegt zwischen dem von klassischen Tages- und Festgeldangeboten.
Verbraucherschützerin Klug weist noch auf eine andere Offerte mit Flexibilität hin: Wer mindestens 5000 Euro anlegen will, kann das bei der Bausparkasse Mainz für sechs Jahre zu einem Staffelzins tun, der von 0,5 Prozent im ersten Jahr bis auf 7,0 Prozent im letzten Jahr steigt. „Das ist schon krass“, so Klug. Der Vorteil des Angebots: Nach den ersten zwölf Monaten kann man jederzeit kündigen, wenn man das Geld nun doch für etwas anderes benötigt.
Festgeld: Wie wichtig ist die jeweilige Einlagensicherung?
Unter den Anbietern mit hohen Tages- und Festgeldzinsen sind einige Banken mit einer Einlagensicherung von Staaten wie Rumänien, Portugal oder auch Malta. „Wir raten bei solchen Angeboten eher zur Vorsicht, weil schwer einzuschätzen ist, wie gut das entsprechende Sicherungssystem im Zweifel ist“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg.
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Tendenziell könne es empfehlenswert sein, Banken mit der Einlagensicherung nord- oder westeuropäischer Staaten wie Schweden, Frankreich oder den Niederlanden zu wählen. „Es gilt eben immer: Je höher das Zinsversprechen, umso höher ist auch das Risiko“, so Klug.