Norderstedt. Alte Verträge laufen aus, hohe Abschläge drohen – viele Menschen sind verunsichert. Was die Verbraucherzentrale jetzt rät.

Viele Stromverträge laufen jetzt aus. Die Versorger bieten an, auch weiter Strom zu liefern, verlangen dafür aber kräftige Aufschläge. So erhöhen die Stadtwerke Norderstedt erhöhen den Strompreis in der Grundversorgung zum 1. Dezember von 33,07 auf 55,60 Cent pro Kilowattstunde (brutto).

Ab 1. Januar werden dann 58,04 Cent fällig. „Viele Menschen sind verunsichert, Fragen zu Strom und Gas sind aktuell das Thema Nummer 1 bei uns“, sagt Heike Vogel, Leiterin der Verbraucherberatungsstelle in Norderstedt.

Norderstedt: Strompreise explodieren – Tipps für Verbraucher

Sie und ihr Team bekommen die Verunsicherung täglich zu spüren. „Es herrscht eine enorme Nachfrage nach Auskunft und Beratung“, sagt Vogel, die davon ausgeht, dass der Andrang noch gar nicht seinen Höhepunkt erreicht hat. Wenn die höhren Stromkosten Anfang des Jahres greifen werden, werde die Zahl der Ratsuchenden nochmals steigen.

Tipps: Jedes Schreiben des Versorgers gründlich lesen

Für den Fall, dass der Strom- oder Gasvertrag ausläuft und der Versorger für eine Fortsetzung des Vertrags kräftige Aufschläger verlangt, geben die Experten der Verbraucherzentrale folgende Tipps:

Jedes Schreiben des Energieanbieters genau lesen, auch, wenn es wie Werbung wirkt. Preiserhöhungen können sich irgendwo im Text verstecken.

Prüfen, ob die Erhöhung erlaubt ist. Grundversorger dürfen die Preise grundsätzlich erhöhen, wenn bestimmte Kostenfaktoren, auf die sie keinen Einfluss haben, ansteigen. Dazu zählen Netzentgelte oder die Stromsteuer. In Sonderverträgen muss das Preisänderungsrecht dagegen wirksam in den AGB (Kleingedrucktes) vereinbart sein.

Ist ein Wechsel des Stromanbieters sinnvoll?

Recherchieren, ob die Preiserhöhung wirksam mitgeteilt wurde. In der Grundversorgung müssen Preisänderungen öffentlich bekannt geben werden. Bei Sonderverträgen müssen die Kunden rechtzeitig, in der Regel vier Wochen, bevor die Preisänderung in Kraft tritt, einen Brief erhalten haben, in dem die Preiserhöhung einfach und verständlich erklärt werden muss.

Anbieterwechsel prüfen. Dazu eignen sich die Vergleichsportale im Internet. Bei jeder Preisänderung haben Kunden in der Regel ein Sonderkündigungsrecht. Der Vertrag kann dann zu dem Zeitpunkt beendet werden, an dem die Preiserhöhung in Kraft tritt. „Ein Anbieterwechsel ist eine individuelle Entscheidung, einen pauschalen Rat gibt es nicht“, sagt Carina Habeck, Referentin für Energierecht bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.

Örtlicher Grundversorger springt bei Kündigung ein

Ein Wechsel könne sinnvoll sein, wenn die Mindestvertragslaufzeit eines Sondervertrages und damit auch die Preisgarantie endet. Oft könne der Grundversorger aktuell eine günstigere Alternative sein, wobei es in der Grundversorgung keine langen Preisgarantien gibt.

Kündigt der Anbieter, und der Kunde will dort weiter keinen Strom beziehen, springt automatisch der örtliche Grundversorger ein, in Norderstedt die Stadtwerke.

Zudem gibt die Verbraucherzentrale Tipps, wie sich Strom sparen lässt.

Energieberatung: Seit Wochen sind die Experten im Dauereinsatz

Heike Vogel, Leiterin der Verbraucherberatungsstelle Norderstedt, beim Beratungsgespräch.
Heike Vogel, Leiterin der Verbraucherberatungsstelle Norderstedt, beim Beratungsgespräch. © Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein

Die Energieberater der Verbraucherzentrale sind schon seit Wochen stark gefordert. „Da geht es hauptsächlich um die energetische Sanierung“, hat die Leiterin der Norderstedter Beratungsstelle festgestellt.

Viele Hausbesitzer wollten ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen installieren lassen – Vorhaben, die technische Fragen aufwerfen, aber auch Finanzierung und Fördergeld seien wichtige Themen.

Auch beim Mieterverein hat sich die Schlagzahl der Beratungen deutlich erhöht. Hier geht es allerdings nicht um Stromverträge, da die zwischen Mieter und Versorger geschlossen werden und in den Nebenkosten nicht auftauchen. „Unser aktuelles Thema sind die Gaspreise und die Vorauszahlungen, die Vermieter verlangen“, sagt Anette Schütz-Schreiber, Geschäftsführerin des Mietervereins Norderstedt.

Norderstedt: Viele Mieter sind „alarmiert und verunsichert“

Jeder Vertrag werde individuell geprüft. Es reiche nicht, wenn der Vermieter den Aufschlag mit einer allgemeinen Aussage begründet und darauf hinweist, dass sowieso alles teurer werde. Er müsse mit dem Schreiben des Energielieferanten die Erhöhung nachweisen.

Die Experten des Mietervereins ermitteln dann mit Hilfe der letzten Nebenkostenabrechnung die bisherigen monatlichen Abschläge und bewerten, ob und in welcher Höhe die geforderten Vorauszahlungen gerechtfertigt sind. Sind Forderungen nachvollziehbar, rät der Mieterverein seinen Mitgliedern, den Aufschlag zu zahlen.

Was passiert, wenn das Geld für die Nebenkosten nicht mehr reicht?

Die Mitglieder seien „alarmiert und verunsichert“. Sie wüssten nicht, ob sie ihre Nebenkosten noch bezahlen können und fragten, ob sie aus ihrer Wohnung raus müssen, wenn das Geld nicht mehr reicht. Das sei momentan schwierig zu beurteilen.

„Die Rechtssprechung hat sich noch nicht an die jetzige Situation mit den explodierenden Energiepreisen und den Folgen angepasst“, sagt Anette Schütz-Schreiber. Zwar habe die Wohnungswirtschaft Kündigungsschutz zugesagt, wenn jemand mit seiner Nebenkostenzahlung im Verzug ist, aber das seien bisher nur Absichtserklärungen.

Energiepreise: Norderstedt legt „Härtefallfonds Energienotstand“ auf

In Norderstedt kommt am Freitag, 4. November, um 14 Uhr, im Sitzungsraum II des Rathauses zum ersten Mal der „Runde Tisch Energie“ der Stadtverwaltung zusammen. An ihm wird diskutiert, wie der von der Stadtvertretung verabschiedete „Härtefallfonds Energienotstand“ konkret umgesetzt werden soll. Am Tisch sitzen Vertreter jeder Fraktion der Stadtvertretung, des Sozialamtes, der Diakonie, des Sozialverbands Norderstedt, der Verbraucherzentrale und der Schuldnerberatung.

Im Fonds sind eine Million Euro, die bis Ende 2023 zur Verfügung stehen. Mit dem Geld sollen Privatpersonen oder Gewerbetreibende vor der Sperrung ihrer Gas-, Strom- oder Wasseranschlüsse durch die Stadtwerke geschützt werden.

Der Fonds springt ein, wenn Energie-Rechnungen nicht bezahlt werden können. Der Fonds übernimmt nicht nicht die kompletten Rechnungen säumiger Kundinnen und Kunden, sondern nur einen zu definierenden Teil der erhöhten Kosten. Die Definition eines Härtefalls soll am Runden Tusch mit dem Sozialamt der Stadt erörtert werden. Im Amt wurden zwei zusätzlichen Stellen dafür geschaffen.