Hamburg. Der Chef der Laurens Spethmann Holding, Lars Wagener, verrät, dass auch bei anderen Produkten Preissteigerungen alternativlos sind.
Lars Wagener ist seit 27 Jahren in verantwortlichen Positionen in der Lebensmittelbranche tätig. Wechselvolle Zeiten sind ihm nicht fremd. Aber das, was der Vorstandschef der Laurens Spethmann Holding (Meßmer, Milford, Onno Behrends, Yasashi) derzeit erlebt, ist sogar für ihn außergewöhnlich. 2021 war für das Familienunternehmen aus Seevetal, hinter dem sich Europas führender Tee-Hersteller mit 1634 Mitarbeitern an zwölf Standorten verbirgt, ein gutes Jahr – mit der Ausnahme, dass Firmenpatriarch Laurens Spethmann im Alter von 91 Jahren starb.
Aber Corona und der Lockdown haben den Geschäften des Unternehmens, das auch Nuss-Riegel und Frühstückscerealien produziert, gut getan. Doch nur ein Jahr später hat sich der Wind komplett gedreht. Jetzt muss sich Wagener um Preissteigerungen, Handelskrieg und Lieferproblematiken kümmern.
Konsum von Tee stark gestiegen
Zum Gespräch lädt er das Abendblatt in die eher unscheinbare Firmenzentrale kurz vor den Toren Hamburgs ein. Bei einer Tasse Tee rekapituliert Wagener, was geschehen ist: „In der Corona-Zeit hat sich das Außer-Haus-Geschäft zum Konsum zu Hause verschoben. Das war gut für uns, da viel mehr Tee zu Hause konsumiert wird als außerhalb.
Das haben wir gespürt“, sagt er, und nippt genüsslich an der Tasse. „Wir haben 2021 den größten Teekonsum verzeichnet seit jeher. Es wurden 50 Milliarden Tassen Tee getrunken. Der Pro Kopf-Verbrauch hat um 1,5 Liter auf 71,5 Liter zugelegt.“ Insgesamt wuchs der Teemarkt im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent.
Die Ostfriesische Teegesellschaft in der das Unternehmen seine Tee-Unternehmungen zusammengefasst hat, sei sogar stärker gewachsen als der Markt. Umsatzzahlen will er nicht nennen, die veröffentlicht LSH als nicht-börsennotiertes Unternehmen am Jahresende im Bundesanzeiger. Im Vorjahr waren es 275,7 Millionen Euro. Wagener sagt nur soviel: „Die Marke Meßmer hat zwei Prozentpunkte bei den Marktanteilen hinzugewonnen.“
Gestörte Lieferketten stellen für LSH Problem dar
Auch die Nusssparte mit Backzutaten habe während der Pandemie kräftig zugelegt, weil die Leute zu Hause gebacken haben. Jetzt gehe der Absatz wieder zurück. Und damit ist Wagener bei den Schattenseiten des Jahres 2022. „Uns ist es in den vergangenen zwei Jahren gelungen, die Lieferkette nicht abreißen zu lassen. Koste es, was es wolle. Wir haben die Kunden vor die Eigentümerinteressen gestellt.“ Nicht gelungen sei es dem Unternehmen aber, die Preissteigerungen, „die von allen Seiten auf uns eingehagelt sind“, entsprechend weiterzugeben. „Das ist nicht zuletzt an den mächtigen Handelskonzernen gescheitert“, sagt Wagener. „Deshalb werden wir in diesem Jahr 50 Prozent weniger Gewinn machen als im Jahr 2021.“
Die Gründe für die hohen Kosten sieht der LSH-Chef zum einen in den gestörten Lieferketten: „Wir müssen uns auf längere Vorläufe einstellen.“ Die Bestände seien signifikant höher als in Vor-Corona-Zeiten, die Läger seien voll, weil den Lieferketten die Flexibilität abhandengekommen sei. „Wir müssen also alles verlässlich da haben, um die Lieferfähigkeit sicherzustellen. Das bindet Kapital.“ Ein weiteres Problem sei die Pandemie selbst.
„Wir haben vielmehr Aufwand, um die Produkte in der Qualität die wir haben wollen aus dem Ursprungsland zu bekommen. Wir hatten in der Hochphase der Pandemie zudem das Problem, dass wir gar nicht zu den Anbaugebieten hinkamen, um unsere Qualitätskontrollen durchzuführen.“ Sammler seien in der Lockdown-Phase gar nicht zur Ernte gekommen.
Auch Frühstücks-Cerealien werden deutlich teurer
„Ein wichtiger Bestandteil von Früchtetees ist beispielsweise Hagebutte. Das ist nicht die Hagebutte, die bei Ihnen im Garten wächst. Unsere kommt aus Georgien oder Chile. Die Sammler durften zeitweise aus Corona-Gründen nicht das Haus verlassen. Hagebutte kann man aber nicht drei Monate später ernten. Dann ist sie kaputt. Das hat auch zu Engpässen bei der Rohware geführt.“
Bereits im April hatte die LSH darauf reagiert und die Preise angehoben. Die Marke Meßmer wurde um fünf bis sechs Prozent teurer, die Eigenmarken um etwa zehn Prozent. Aber aufgrund des hohen Vorlaufs bei Preisankündigungen waren die Steigerungen des aktuellen Energiemangels noch gar nicht eingerechnet. Zum Jahreswechsel werde LSH seine Preise also noch einmal signifikant anheben müssen: Meßmer-Tee wird um zehn Prozent teurer. „Kostet die Packung derzeit 1,89 Euro wird sie deutlich über zwei Euro gehen. Eigenmarken werden um 20 Prozent teurer“, kündigt Wagener an.
„Handelskonzerne führen einen Preiskrieg"
Im Bereich Cerealien würden die Preissteigerungen signifikant über 20 Prozent ausfallen, weil beispielsweise die Herstellung von Cornflakes extrem energieintensiv sei. „Bei einer Verachtfachung des Gaspreises sind die Anpassungen unumgänglich. Wir können 25 Prozent Gas einsparen. Alles darüber hinaus führt zu Produktionseinschränkungen.“
LSH lässt es sich also etwas kosten seine Lieferzuverlässigkeit zu halten. Dennoch kann es passieren, dass die Verbraucher ihren Tee im Supermarkt vermissen. „Die Handelskonzerne führen derzeit einen Preiskrieg und auch wir Mittelständler sind davon betroffen. Auch wir führen Gespräche mit Handelskunden, die häufig dazu führen, dass wir uns eine Belieferung zumindest zeitweise bis zu einer Einigung nicht mehr leisten können.“
Handelsunternehmen wollen Preise drücken
Bei dem Thema wird Wagener so engagiert, dass er sogar seinen Tee kalt werden lässt. Der Manager der früher bei großen Lebensmittelherstellern wie Mars, Danone und Griesson – de Beukelaer tätig war, ist sichtlich verärgert, dass Handelsunternehmen wie Edeka, Rewe oder Aldi bei den Herstellern die Preise drücken wollen.
„Ich denke, Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen keinen Vormund, der ihnen die Entscheidung abnimmt, welche Waren sie zu welchem Preis kaufen wollen. Wir sagen, dass die mündigen Konsumenten selbst entscheiden können, welche Ware, sie sich leisten können und welche nicht. Der Handel sollte ihnen diese Auswahlmöglichkeit nicht vorwegnehmen. Mittelständische Unternehmen wie wir, bei denen die Margen nicht so hoch sind, haben es schwer, wenn wir die Erhöhung der Kosten nicht durch Preissteigerungen ausgleichen können. Wir führen doch keine Preiserhöhungen durch, um uns die Taschen voll zu stopfen, sondern weil wir wirtschaftlich rentabel sein müssen, um als Unternehmen und auch als Arbeitgeber am hart umkämpften Markt zu bestehen.“
Tee-Firma sucht neue Anbauregionen
Beispielsweise führe die Klimakrise zu weiteren Kostensteigerungen. Sie treffe den Teeanbau jetzt schon, sagt Wagener, und werde dazu führen, dass klassische Anbaugebiete in absehbarer Zeit ganz wegfallen. „Beispiel ist die indische Provinz Assam. Wo es jetzt schon zu warm und zu feucht wird. Die Anbaugebiete wandern weiter in die Höhe. Aber irgendwann geht es nicht mehr höher. Es wird prognostiziert, dass es in 50 Jahren kein Tee mehr aus Assam gibt. Wir schauen uns nach neuen Anbauregionen um.“
Einen Mangel gebe es auch bei Brennnesseln. Das ist für Teeproduzenten kein Unkraut sondern ein wichtiger Rohwarenbestandteil. „Den sammeln wir uns nicht am Straßenrand, sondern holen ihn aus Bergtälern Georgiens.“ Mittlerweile gebe es immer weniger davon. Deshalb habe die OTG angefangen Brennnesseln in Thüringen anzubauen. „Um aber einen Bauern dazu zu bewegen, Brennesseln anzubauen anstatt Getreide, müssen sie ihm eine Preisgarantie geben.“ Auch das mache die Produkte teurer.
Neue Winter-Tees im Sortiment
Insgesamt ist Wagener aber trotz der Rezession zuversichtlich: „Ich glaube, die Kaufzurückhaltung der Konsumenten wird sich in der Rezession auf die Lebensmittelbranche geringer auswirken als auf andere Handelsgüter. Die Menschen werden sich weiter gut ernähren wollen.“
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Eine weitere Überlegung kommt für den Tee-Macher hinzu: „Wenn die Menschen jetzt zu Hause ihre Heizung drosseln, spielt heißer Tee auf einmal eine ganz andere Rolle. Wir hoffen, dass sie mehr Tee trinken.“ Die LSH hat deshalb ihr Sortiment an Wintertees völlig neu aufgebaut. Und noch etwas haben sie neu im Programm: Aufgrund der Zunahme an Fantasyserien gibt es jetzt eine Fantasy-Tee-Kollektion von Meßmer – mit Elfen, Drachen und Einhörnern. Den Tee-Leuten in Seevetal fällt immer etwas Neues ein.