Hamburg. Die Firma FlyNex arbeitet daran, Flughäfen, Gefängnisse und Krankenhäuser gegen Störungen aus der Luft abzusichern.

Es kommt gar nicht so selten vor, dass Drohnen einem Flughafen gefährlich nahe kommen: 22 Vorfälle zählte die Deutsche Flugsicherung (DFS) in den vergangenen beiden Jahren – allein in Hamburg. In Deutschland waren es im vorigen Jahr 125 derartige „Behinderungen“. Zum Teil wurden die ferngesteuerten oder autonom fliegenden Geräte sogar innerhalb des umzäunten Flughafengeländes gesichtet, obwohl sie einen Sicherheitsabstand von 1,5 Kilometern zum Airport einhalten müssten.

Lebensbedrohlich für die Passagiere sind solche Vorfälle nicht unbedingt. „Verkehrsflugzeuge sind so konstruiert, dass sie nach einen Zusammenstoß mit einer nicht allzu großen Drohne noch sicher landen können“, sagt Christian Caballero, einer der vier Gründer der Firma FlyNex, die Flugplanungssoftware für Drohnen anbietet. Doch darauf ankommen lassen möchte man es besser nicht – und auch ohne einen Unfall ist der Schaden durch solche „Verkehrsstörungen“, die den Betrieb am Flughafen Frankfurt in diesem Jahr schon für mehrere Stunden stoppten, enorm: „Jeder Stillstand ist extrem teuer“, so Caballero.

Ende 2019 kündigte das Bundesverkehrsministerium daher das Versuchsprojekt „Falke“ für eine Drohnenabwehr am Hamburger Flughafen an. Dabei geht es zunächst darum, die Störer rechtzeitig zu entdecken. Für die eigentliche Abwehr kommen automatische Abfangdrohnen mit einer Art Fangnetz ebenso infrage wie Störsignale, die den Eindringling zu einer sofortigen Landung veranlassen, die dann auch hart ausfallen kann. „In der Nähe von Schulen oder Kitas bietet sich beides aber nicht an“, sagt Caballero – von den hohen Kosten für ein stationäres Anti-Drohnensystem ganz abgesehen. Bei der Bundespolizei rechnet man dafür mit rund 30 Millionen Euro – pro Flughafen.

Drohnen über Gefängnissen versetzen Personal in Alarmzustand

Doch nicht nur dort machen die unbemannten Luftfahrtsysteme, wie sie im Amtsdeutsch heißen, immer wieder Probleme. Die Geräte, von denen es in Deutschland nach Schätzungen der DFS inzwischen rund 1,2 Millionen gibt, werden zunehmend auch über Gefängnissen gesichtet und versetzen deren Personal in Alarmzustand. Peter Biesenbach, Justizminister von Nordrhein-Westfalen, drängt aus diesem Grund bei der Europäischen Union auf einen wirksamen digitalen Drohnenschutz: Die Flugobjekte sollen künftig schon ab Werk so programmiert sein, dass sie die Grenzen gesperrter Lufträume, wie sie etwa auch um Krankenhäuser, Industrieanlagen, Polizeistationen, Kasernen, Autobahnen, Kraftwerke oder Umspannwerke existieren, gar nicht überwinden können. Der englische Fachbegriff für diese Art des Schutzes lautet Geofencing (abgeleitet von „Fence“: Zaun).

Bei FlyNex liegen die technischen Grundlagen dafür längst vor. „Wir nutzen das Verfahren seit Jahren in umgekehrter Form: Kommerziell eingesetzte Drohnen, die mit unserer Flugplanungssoftware betrieben werden, können nicht aus dem Areal heraus, in dem sie ihre Aufgaben erfüllen“, sagt Caballero. In seiner einfachsten Form beruht Geofencing auf Koordinaten, die eine Drohne über das Satellitennavigationssystem GPS ermittelt. „Aber diese Daten spiegeln meist nicht die aktuelle Situation wider, weil zum Beispiel eine Polizeistation inzwischen verlegt wurde und damit die Flugverbotszone nun woanders liegt“, erklärt der FlyNex-Manager.

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Dagegen werde die interaktive Karte, die den Kern der Drohnenflugplanungssoftware des Unternehmens darstellt, mit hohem Aufwand ständig aktuell gehalten: „Wir nutzen dafür 180 verschiedene Quellen und viele der Daten sind auch im Jahr 2020 nur auf Papier vorhanden.“ FlyNex wurde im September 2015 in Hamburg gegründet. Drei der vier Gründer sind Ex-Offiziere der Bundeswehr – auch Caballero, der dort zum Luftraum-Manager ausgebildet wurde.

Die kostenlose App hat mittlerweile mehr als 100.000 Nutzer

Ihr Ziel lautete, eine App zu entwickeln, die mit einem Klick alle Informationen liefert, die ein Drohnennutzer benötigt. Die kostenlose App hat mittlerweile mehr als 100.000 Nutzer, bisher wurden mehr als zwölf Millionen Standortabfragen für die „Map2Fly“-Karte registriert. Den Umsatz von zuletzt rund einer Million Euro liefern aber Firmenkunden, die für eine Komplettlösung mindestens rund 4000 Euro pro Monat zahlen. Zu den Partnern gehört unter anderem die Telekom, die mittels Drohnen laufend den Zustand ihres umfangreichen Immobilienbesitzes überprüft.

Die Drohnenlizenz

  • Seit dem Jahr 2017 gilt in Deutschland die „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten“.
  • Darin ist unter anderem festgeschrieben, dass diese Geräte ab einem Gewicht von 250 Gramm mit dem Namen und der Adresse des Besitzers gekennzeichnet werden müssen.
  • Wird ein Gewicht von zwei Kilogramm überschritten, ist ein sogenannter Kenntnisnachweis, inoffiziell auch Drohnenführerschein genannt, erforderlich.
  • Die Einweisung und die Prüfung erfolgen online und kosten 26,75 Euro. Die Hürden für eine gewerbliche Nutzung von Drohnen sind aber wesentlich höher.
  • Eine Lizenz hierfür kostet mehrere Hundert Euro, Voraussetzung ist eine meist mehrtägige Schulung.

Auch Energieunternehmen sind unter den professionellen Nutzern. „Für die Mitteldeutsche Netzgesellschaft haben wir mit einer autonom fliegenden Drohne 70 Hochspannungsmasten innerhalb von 45 Minuten auf Vogelnester und Schäden an den Leitungen abgesucht und außerdem noch die Seriennummern der Masten registriert – das könnte ein herkömmliches Montageteam nicht schaffen“, sagt Caballero.

Als im Februar die Testflüge für das Projekt „Medifly Hamburg“ begannen, war FlyNex ebenfalls als Partner mit dabei: Drohnen sollen Gewebeproben über eine Distanz von fünf Kilometern zwischen dem Bundeswehrkrankenhaus in Wandsbek und dem Marienkrankenhaus in Hohenfelde transportieren. Das spart wertvolle Zeit, wenn die Proben noch während einer Operation durch einen Pathologen untersucht werden müssen.

In 3-D-Luftraumkarten ist jede Straßenlaterne verzeichnet

Rund 30 Beschäftigte hat FlyNex heute. Etwa die Hälfte von ihnen, vor allem die Programmierer sowie auch Caballero, arbeiten in Hamburg, die andere Hälfte in Leipzig. Dort ist auch der juristische Sitz, nachdem das Unternehmen eine großzügige Förderung des Technologiegründerfonds Sachsen erhielt.

Naturgemäß liegt es im Interesse der Firma, dass Drohnen nicht als Gefährdung wahrgenommen werden. Daher wirkt FlyNex darauf hin, gesperrte Lufträume künftig durch „virtuelle Zäune“ abzusichern. Einige Drohnenhersteller bieten diese Option zwar schon an. Aber freiwillige Sperren lassen sich leicht abschalten – und bis ein Gesetz sie verpflichtend machen kann, muss erst ein Industriestandard festgelegt werden. „Wir arbeiten aktiv in solchen Normungsgremien mit, weil wir die Dinge voranbringen wollen“, so Caballero.

Das gilt auch für eine andere Innovation: In einem vom Bundesverkehrsministerium geförderten Projekt hat FlyNex gemeinsam mit dem niederländischen Navi-Datendienst Here Technologies, an dem die Autobauer Daimler, BMW und Audi beteiligt sind, eine 3-D-Karte des Luftraums deutscher Städte erstellt. Selbst Laternen und Werbetafeln sind verzeichnet. Damit könnten künftig auch Lufttaxis in Hamburg ihren Weg finden – vielleicht in einem ersten Probebetrieb schon zum ITS-Mobilitätskongress im Oktober 2021.