Hamburg. Herzteig ist tiefgekühlt und besteht aus Bio-Zutaten. Wie Cordula Schüch den Handel von ihrem Produkt überzeugen will.

In ihren Tiefkühltruhen geben Discounter und Supermärkte der Pizza den größten Platz, die Tiefe des Sortiments ist kaum zu überschauen: Dicker Boden, dünner Boden, mal kross, mal fluffig-weich. Die Formate reichen von mini bis zur Familiengröße. Und beim Belag scheint die Fantasie der Produktentwickler keine Grenze zu kennen.

Fehlt da noch was? Gibt es noch irgendwas, was es noch nicht gibt? Cordula Schüch ist davon überzeugt. Die Hamburger Lehrerin ist auf dem Weg, die Pizza-Abteilungen des Handels um etwas Neues zu erweitern: Tiefgekühlter, klassischer Hefe-Pizzateig zum selber belegen und backen.

Start-up: Einige Supermärkte verkaufen Herzteig schon

„Ich glaube, ich habe mir das schwierigste Produkt ausgesucht. Ein neues Getränk zu entwickeln und in den Handel zu bringen, wäre vermutlich einfacher gewesen“, sagt die zweifache Mutter. Vor ziemlich genau einem Jahr hat sie ihre Firma gegründet und die Marke Herzteig geschaffen. Seit April liegen die quadratischen Packungen mit je zwei Hefeteig-Rohlingen in einem guten Dutzend Supermärkte in Hamburg und Umgebung. Kaufen Kunden so etwas überhaupt? Kaufen sie es nur einmal oder auch wieder? Das hat Cordula Schüch für sich geklärt. „Ja, es funktioniert“, sagt sie. Jetzt soll der entscheidende Schritt folgen. Herzteig muss sich einen der hart umkämpften Plätze in den Tiefkühlern des Handels sichern.

Die Vorgeschichte beginnt in der Kindheit der 40-Jährigen. „Dass es zu Hause etwas frisch Gebackenes gibt, war für mich völlig normal“, sagt sie. Da war die Oma, die den Teig, den sie in den Ofen schob, vorher selbst geknetet hatte. Nur aus den Zutaten, die wirklich reingehören. Selber Backen und Kochen, gutes Essen aus natürlichen Zutaten, das ist heute ein Teil von Cordula Schüchs Berufsalltag an der Irena-Sendler-Stadtteilschule in Wellingsbüttel.

„Hauswirtschaft ist mein Lieblingsschwerpunkt“

Dort koordiniert sie die Ganztagsbetreuung, unterrichtet Englisch und das Fach Arbeit und Beruf. „Hauswirtschaft ist mein Lieblingsschwerpunkt“, sagt sie. In der Lehrküche gehe es auch darum, bei vielen Schülerinnen und Schülern „erstmal ein Bewusstsein für gute Ernährung zu schaffen“.

Sie selbst hat das, aber es daheim beim Backen mit und für ihren Mann und die beiden Söhne immer umzusetzen, war schwer. Jeden Teig selbst zubereiten, das kostet viel Zeit. „Ich habe mich dann auf die Suche nach richtig gutem Fertigteig gemacht – aber nichts gefunden.“ Was an Rohteigen in den Kühlregalen der Geschäfte liegt, genügt ihren Qualitätsansprüchen nicht: Jede Menge Zusatzstoffe drin. „Toter Teig“, so nennt Cordula Schüch das.

Mehl, Wasser, Öl, Salz, Hefe – viel mehr braucht es nicht

Bei ihr sind Emulgatoren, Feuchthaltemittel oder Säuren zur Haltbarmachung tabu. Nur Weizenmehl, Wasser, Olivenöl, Agavendicksaft, Meersalz und Trockenhefe sind drin. „Aktive Hefe“, betont die Jung-Unternehmerin, das unterscheide Herzteig von anderen Produkten. Alle Zutaten seien biozertifiziert. Dass die aktive Hefe den Teig gehen lässt, macht ihn einerseits besser, ist andererseits ein Problem. „Wenn er nur gekühlt wird, dehnt er sich weiter aus und würde die Verpackung sprengen.“ Die Lösung: Einfrieren, um so die Gärung vorübergehend zu stoppen. Anfangs war das für Cordula Schüch nur ein praktischer Notbehelf, um daheim Pizzateig auf Vorrat herstellen zu können.

Daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das liege wohl auch in der Familie, sagt sie. Die Eltern betrieben einen Angelgerätehandel, die beiden Töchter arbeiteten früh mit und führten die Geschäfte jahrelang selbst, als der Vater es nicht mehr konnte. „Selbstständig arbeiten, mein eigenes Ding machen, mir neue Ziele setzen – das ist es wohl, was mich antreibt.“ Als die Kinder da waren, der Aufstieg im Beruf erreicht war, begann das Projekt Herzteig. „Ich bin sicher, dass es viele Leute gibt, die am liebsten auch ihren Teig selbst zubereiten würden, denen aber die Zeit dazu fehlt.“ Das ist die Zielgruppe.

Drei Tage Schule, zwei Tage Start-up

Ihre Arbeitszeit in der Schule hat sie inzwischen auf 60 Prozent reduziert, die Montage und Freitage gehören der Firma. Ein bis zwei Mal pro Monat schleppt sie Mehlsäcke, wenn sie mit den Experten der Bönningstedter Bäckerei Kolls neuen Teig herstellt. Der wird per Hand zu 300-Gramm-Fladen von der Größe eines Kuchentellers geformt und lässt sich später zu einem Pizzaboden mit etwa 30 Zentimeter Durchmesser ausbreiten. „Zwei davon reichen für ein Backblech, und man kann natürlich auch ein Ciabatta oder Pizza-Schnecken daraus machen“, sagt Cordula Schüch.

Beim Vertrieb arbeitet sie mit einem Großhändler zusammen, der die Ware tiefgekühlt in die Märkte bringt. Und manchmal geht die eingetragene Kauffrau selbst Klinken putzen bei den Kaufleuten. Sie kennt das. Damals im elterlichen Unternehmen war sie neben dem Studium als Vertreterin für Angelruten in ganz Deutschland unterwegs.

13 Edeka-Märkte haben Herzteig im Sortiment

Derzeit haben 13 Edeka-Märkte in Hamburg und Umgebung Herzteig im Sortiment. Die Hälfte davon fest, fünf Märkte von Edeka-Struve sind vor Kurzem dazu gekommen. Nicht alle Händler, die den Verkauf des Tiefkühlteigs testeten, daraus macht Cordula Schüch kein Hehl, waren uneingeschränkt überzeugt und haben nachgeordert.

„Anfangs habe ich sicherheitshalber nur sechs Wochen Mindesthaltbarkeit angegeben. Wenn dann noch nicht alle Verpackungen verkauft waren, ist der Händler natürlich nicht zufrieden.“ Mittlerweile weiß sie, dass sie bedenkenlos drei Monate Mindesthaltbarkeit garantieren kann.

Verpackung aus Recyclingmaterial

Ein anderer Lernprozess: Solange die Produktion in überschaubarem Maßstab läuft, ist sie teuer. Von den Kartons aus Recyclingmaterial hat sie erstmal 3000 geordert. „Einer kostet mich dann 80 Cent, wenn ich 10.000 bestellt hätte, wäre es die Hälfte gewesen.“ Es ist einer der Gründe, warum ein Paket mit 600 Gramm Teig im Handel derzeit 4,49 Euro kostet.

Der klassische Pizzaboden sei das erste Herzteig-Produkt, sagt Cordula Schüch. Das klingt nach größeren Plänen. „Dinkel-, Vollkorn-, Mürbe- und Cookieteige könnte ich sofort auch machen.“ Nur wäre ein größeres Sortiment derzeit der falsche Schritt. Für die Jung-Unternehmerin geht es jetzt vornehmlich darum, aus der erfolgreichen Markttestphase ins feste Sortiment von Super- und Biomärkten zu kommen, von Lieferdiensten, die Tiefgekühltes zum Endkunden bringen.

Start-up: Herzteig-Gründerin bewirbt sich bei Förderfonds

Allein wird das schwer. Die Herzteig-Gründerin bewirbt sich bei Start-up-Förderfonds, vernetzt sich mit Menschen, die mehr als sie darüber wissen, welche Wege eine Innovation in den Lebensmitteleinzelhandel und in dessen Tiefkühltruhen führen. Nicht zuletzt wird das eine Frage der Geldes sein. Cordula Schüch sagt: „Ich brauche jetzt Leute, die an die Zukunft des Produkts glauben. Ich brauche Kapitalgeber.“