Hamburg. Deutlich mehr als drei Prozent für eine zehnjährige Finanzierung sind nun Standard. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Vor einem Jahr war es eine Selbstverständlichkeit, dass die Zinsen für eine Baufinanzierung deutlich unter einem Prozent lagen. Das Baugeld wurde Immobilienkäufern von den Banken quasi hinterhergeworfen. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zen­tralbank (EZB) und andere Faktoren sorgten für eine längere Phase des billigen Geldes. Damit ist es vorbei.

Mittlerweile werden von Banken und Sparkassen für längerfristige Hypothekenkredite wieder deutlich mehr als drei Prozent an Zinsen verlangt – ein teures Unterfangen für alle Immobilienkäufer, die auf eine Fremdfinanzierung angewiesen sind. Das Abendblatt blickt hinter das Phänomen der gestiegenen Bauzinsen. Warum legen sie so stark zu? Was bedeutet das konkret für den Geldbeutel des Kreditnehmers? Und werden die Zinsen noch weiter steigen?

Immobilien Hamburg: Wie haben sich die Bauzinsen in der jüngeren Zeit entwickelt?

Es wirkt wie aus einem anderen Zeitalter, aber gegen Jahresende 1994 erreichten die Hypothekenkredite ein Zinshoch von 8,8 Prozent. Danach ging es zwar fast kontinuierlich abwärts. Aber so mancher Hamburger Immobilienbesitzer wird noch heute ein Darlehen abzahlen, das zu einem Zinssatz von mehr als fünf Prozent abgeschlossen wurde. Mit dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise im Jahr 2012 setzte schließlich eine erneute Abwärtstendenz ein, in deren Verlauf der Zinssatz bis auf weniger als 2,0 Prozent sank.

Im Verlauf des Jahres 2019 wurde dann sogar die Marke von 1,0 Prozent unterschritten: Aus Angst vor einer weltweiten Rezession hatten sich viele Anleger in die als sicher geltenden Staatsanleihen geflüchtet, was deren Rendite drückte – und die Zinsen der Bauzinsen gerieten ebenfalls unter Druck. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde dann gegen den Jahreswechsel 2020/2021 das historische Tief von weniger als 0,7 Prozent erreicht.

Warum steigen die Hypothekenzinsen jetzt so stark?

Banken refinanzieren die von ihnen vergebenen Hypothekendarlehen in großem Umfang über die Ausgabe von Pfandbriefen. Deren Zinssätze orientieren sich grob an den Renditen der Bundesanleihen – sie rangieren in der Regel um etwa 0,5 Prozentpunkte darüber. Wegen dieses Zusammenhangs liegt die langjährige durchschnittliche Differenz zwischen dem Effektivzins für Baufinanzierungen mit zehnjähriger Zinsbindung und der Rendite für die zehnjährige Bundesanleihe bei etwa einem Prozentpunkt.

Infolge des kräftigen Anstiegs der Inflationsrate besonders seit Herbst 2021 hat aber die Rendite der deutschen Staatspapiere kräftig angezogen – von fast minus 0,4 Prozent im Dezember bis auf aktuell knapp 2,1 Prozent. Ungefähr im Gleichschritt damit sind auch die Hypothekenzinsen hochgeschossen. Hinzu kommt, dass die Finanzaufsicht BaFin von den Geldhäusern inzwischen mehr Eigenkapital und höhere Garantien für Baukredite verlangt. Auch das verteuert diese Darlehen. Experten gehen zudem davon aus, dass etliche Banken die abrupte Zinswende zeitweise dazu genutzt haben, ihre Gewinnspannen auf die Baufinanzierungen auszuweiten.

Wie geht es mit den Zinsen in den nächsten Monaten weiter?

„Bis Anfang 2023 werden die Bauzinsen von jetzt knapp 3,5 Prozent auf 4,0 Prozent steigen und vielleicht sogar noch leicht darüber liegen“, erwartet Max Herbst, Gründer der FMH-Finanzberatung. „Solange es nicht gelingt, die Inflation einzugrenzen, werden die Zinsen tendenziell weiter klettern.“ Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Finanzierungsvermittlers Dr. Klein, hat die gleiche Einschätzung: „Die Bauzinsen werden bis Ende des Jahres tendenziell weiter steigen.“

Was bedeuten die hohen Zinsen für die Belastung und die Restschuld?

Zwar lagen die Bauzinsen bei weit in die zweite Hälfte der 1990er-Jahre hinein noch oberhalb von sieben Prozent. Aber seitdem haben sich die Immobilienpreise ungefähr vervierfacht, sodass jede Veränderung der Zinsen jetzt auf einen erheblich höheren Darlehensbetrag wirkt. Nach Daten des Baugeldvermittlers Dr. Klein nehmen die Hamburger im Schnitt heute einen Kredit über rund 500.000 Euro für ihren Immobilienkauf auf. Nimmt man diesen als Basis, so wird klar, dass der kräftige Anstieg der Hypothekenzinsen in vielen Hamburger Familien den Traum vom Eigenheim wohl zunichte machen dürfte.

Ein Beispiel: Bei einem Zinssatz von 1,0 Prozent ist es möglich, einen Kredit von 500.000 Euro innerhalb von gut 29 Jahren bei einer monatlichen Belastung von 1625 Euro vollständig abzutragen. Beträgt der Zinssatz aber 3,4 Prozent – entsprechend dem aktuell erreichten Niveau – so muss man sich schon eine Monatsrate von 2250 Euro leisten können, um das Darlehen im gleichen Zeitraum zurückzahlen zu können. Ein anderes Beispiel: Bei einem Zinssatz von 1,0 Prozent und einer Monatsrate von 1800 bleibt nach Ablauf einer zehnjährigen Zinsbindung eine Restschuld von 325.000 Euro. Steigt der Zinssatz auf 3,4 Prozent, sind bei gleicher Monatsrate noch 445.000 Euro übrig – ein Unterschied von 120.000 Euro.

Immobilien Hamburg: Sollte man mit dem Kauf noch warten?

Dörte Nitt-Drießelmann vom Hamburger Forschungsinstitut HWWI weist auf zwei Entwicklungen hin, die für eine Kaufentscheidung wichtig sind. Zum einen geht sie davon aus, dass sich die Preise vor allem von großen, energetisch ineffizienten Einfamilienhäusern „am unteren Ende der Preisentwicklung“ wiederfinden werden. Denn diese Gebäude müssten mit hohem Aufwand saniert werden – ein teures Unterfangen, das viele Interessenten abschrecken dürfte.

Zudem erwartet Nitt-Drießelmann weiter steigende Bauzinsen, weil aus ihrer Sicht auch die EZB ihre Zinsen weiter erhöhen wird. Deshalb könne es durchaus Sinn ergeben, jetzt eine Immobilie zu kaufen, wenn Lage und Bauzustand stimmten sowie die Finanzierung gesichert sei. Denn aktuell habe man die Möglichkeit mit Maklern und Verkäufern wegen der sinkenden Nachfrage über den Preis zu verhandeln. Ähnlich äußert sich Mirjam Mohr, Vorstandsmitglied des Baukreditvermittlers Interhyp. „Der starke Zinsanstieg beim Baugeld im Vergleich zum Jahresbeginn hat zu Veränderungen am Markt geführt.“ Es spiele sich eine „neue Balance zwischen Angebot und Nachfrage“ ein – und es sei zu ersten Preisrückgängen gekommen. Das biete neue Spielräume für Verhandlungen mit Verkäufern.