Hamburg. Die Preise steigen aktuell kaum noch, aber Normalverdiener müssen häufig ihren Traum vom Eigenheim aufgeben. Die Gründe.
In den vergangenen zehn Jahren lagen die Preissteigerungen bei Immobilien in Hamburg meist deutlich oberhalb von fünf Prozent, im Jahr 2021 sogar bei 12,1 Prozent. Da wirkt es für potenzielle Immobilienkäufer schon beruhigend, wenn jetzt die Zeiten dieser Preissteigerungen vorbei sind. Nach Angaben des Immobilienportals Scoperty sind die Immobilienpreise im zweiten Quartal 2022 in Hamburg nur noch um zwei Prozent gestiegen. Für das erste Quartal hatte der Verband der Hypothekenbanken noch einen Anstieg von 11,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal registriert.
Doch für Hauskäufer ist das nur ein schwacher Trost. Die Preise und die Zinsen für Baufinanzierungen sind so stark gestiegen, dass der Immobilienkauf immer schwieriger wird. Denn seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen für Hypothekendarlehen mehr als verdreifacht. Für eine Zinsbindung von 15 Jahren liegen die Konditionen im Schnitt inzwischen bei 3,50 Prozent. Vor sieben Monaten konnte man noch für gut ein Prozent finanzieren. Grund für die steigenden Bauzinsen ist das allgemein steigende Zinsniveau an den Kapitalmärkten.
Immobilien Hamburg: Wo der Traum vom Eigenheim platzt
Wegen der hohen Inflation stehen Notenbanken unter Druck, ihre lockere Geldpolitik zu straffen. „Die Zinsen steigen in einem Tempo, wie man es in Deutschland schon sehr lange nicht mehr gesehen hat. Zuletzt gab es einen derart extremen Aufwärtstrend im Jahr 1981“, sagt Max Herbst, Gründer der FMH-Finanzberatung. „Im April habe ich vier Prozent Zinsen für zehnjährige Finanzierungen bis Jahresende für vorstellbar gehalten. Das ist nun bereits nach der Sommerpause denkbar.“ Damit wäre dann wieder das Zinsniveau aus dem Jahr 2011 erreicht. Auch die 15-jährige Zinsbindung dürfte dann deutlich über vier Prozent liegen.
Vor diesem Hintergrund wird der Immobilienkauf immer schwieriger. Hamburger haben im zweiten Quartal – sofern sie das überhaupt konnten – im Schnitt 460.000 Euro an Kredit für ihren Immobilienkauf aufgenommen, wie aus Daten des Baugeldvermittlers Dr. Klein hervorgeht. Zusätzlich brachten sie im Schnitt noch 162.000 Euro Eigenkapital mit. Das dürften sich nur noch wenige leisten können. So kommt auch die Stiftung Warentest in einer aktuellen Analyse zu dem Ergebnis: „In Hochpreisstädten wie München, Hamburg, Frankfurt am Main oder Berlin können sich Normalverdiener heute kein Eigenheim mehr leisten.“
Eigenheim in Hamburg nur für Spitzenverdiener
Gemessen an den Mietkosten einer vergleichbaren Wohnung zahlt der Eigentümer jetzt in Hamburg 1439 Euro mehr pro Monat, rechnet die Stiftung Warentest an einem Beispiel vor. Die Gesamtbelastung des Eigentümers liegt mit Kreditrate aus Zins und Tilgung und den Bewirtschaftungskosten bei 3329 Euro im Monat. Das können sich wirklich nur Spitzenverdiener leisten. Der Mieter hat mit Nebenkosten eine monatliche Belastung von 1890 Euro. Hintergrund der Berechnung ist eine gekaufte Immobilie für 710.000 Euro, für die ein Kredit über 639.000 Euro aufgenommen werden musste. Der Zinssatz lag bei 3,5 Prozent und die anfängliche Tilgung bei zwei Prozent. Auch die Förderprogramme der KfW-Bank für die Sanierung von Bestandsobjekten sind deutlich teurer geworden. Der Zinssatz stieg von weniger als ein Prozent auf bis zu 2,83 Prozent bei einer zehnjährigen Zinsbindung.
Spielraum bleibt Immobilienkäufern nur bei der Tilgung. Statt bisher zwei Prozent akzeptieren manche Banken jetzt auch wieder nur ein Prozent anfängliche Tilgung. Doch angesichts der hohen Kreditsumme verlängert das die Rückzahlung auf mehr als drei Jahrzehnte, warnt die Stiftung Warentest. Wer das noch mit kurzen Zinsbindungsfristen von fünf oder zehn Jahren kombiniert, geht ein hohes Risiko bei der Anschlussfinanzierung ein. Die monatliche Belastung kann dann höher ausfallen als am Anfang.
Neue Sanierungsauflagen erschweren Finanzierung
Nach dem Immobilienkauf ist der finanzielle Spielraum für die nächsten Jahre bei den Eigentümern stark eingeschränkt. Doch bei Bestandsimmobilien drohen weitere hohe fünfstellige Ausgaben, um Sanierungsauflagen der Länder und des Bundes mit Blick auf die Klimaneutralität bis 2045 zu erfüllen. In Hamburg ist es von 2025 an Pflicht, bei Neueindeckung noch eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach zu installieren. Auch das Aus für die Gasheizung beim Heizungstausch von 2024 an ist inzwischen sicher.
Wie sich das Blatt für Eigentümer gegenüber Mietern gewendet hat, zeigt auch die Grafik. Hier wurden Angebotspreise und geforderte Mieten aus dem ersten Quartal 2022 für die Berechnung des Kaufpreis-Miete-Verhältnisses herangezogen. Für die Berechnung wird der Kaufpreis der Immobilie durch eine angenommene Jahresnettokaltmiete geteilt. Je höher dieser Faktor ausfällt, desto höher ist die Monatsbelastung für den Eigentümer im Vergleich zu einer Mietwohnung. Eigentlich wurde dieser Maßstab für Investoren entwickelt, aber auch Selbstnutzer können sich daran orientieren. Der Faktor zeigt, wie viele Jahresnettokaltmieten eingenommen werden müssen, bevor der Kaufpreis wieder eingespielt ist.
Prognose für Hamburg: Immobilienmarkt wird sich verändern
Natürlich ist das nur eine Momentaufnahme. Wertsteigerungen der Immobilie und Mieterhöhungen in der Zukunft sind nicht berücksichtigt. Langfristig ist beides möglich, aber für die nächsten Jahre eher unwahrscheinlich. „Der Immobilienmarkt wird sich in den kommenden Wochen und Monaten noch einmal dramatisch verändern“, sagt Experte Herbst. „Topverdiener mit sehr viel Eigenkapital werden zwar weiterkaufen. Sie allein können den Rückzug der normalen Kauf- und Erwerbinteressenten aber wohl nicht ausgleichen.“ Und auch die Durchsetzung immer höherer Mieten wird angesichts der Belastung der Haushalte durch Inflation und explodierende Energiekosten gesellschaftspolitisch immer schwieriger.
Das günstigste Kaufpreis-Miete-Verhältnis findet sich mit weniger als 30 noch im Landkreis Stade. Zwar ist auch diese Zahl schon weit entfernt von den Werten 20 bis 24, die in der Vergangenheit noch als guter Indikator für Käufer galten. Die günstigsten Immobilien gibt es im Kreis Steinburg, wo ein Einfamilienhaus noch für weniger als 325.000 Euro erworben werden kann – aber entsprechend weit wäre der Weg zur Arbeit nach Hamburg. Eigentumswohnungen sind aufgrund der geringeren Wohnfläche überall günstiger als Einfamilienhäuser, am günstigsten in den Kreisen Herzogtum-Lauenburg, Steinburg und Stade. Mit einem Kaufpreis-Miete-Verhältnis von 43 ist Hamburg der mit Abstand teuerste Standort und auch zunehmend unattraktiv für Investoren, die Wohnraum schaffen wollen.
Doch Käufer, die in die eigenen vier Wände einziehen wollen, achten meist ohnehin nicht auf die Rendite von Wohneigentum. Ihre entscheidenden Kriterien sind, ob die Immobilie passt und ob sie sich das noch leisten können. „Nicht mehr als ein Drittel des Haushaltsnettoeinkommens sollte man im Regelfall für die Monatsrate der Finanzierung einplanen“, sagt Andreas Brendel, Baufinanzierungsberater bei Dr. Klein. „Alles darüber hinaus halte ich für waghalsig.