Hamburg. Aug. Prien ist für den Neubau verantwortlich. Geschäftsführer Jan Petersen spricht über das Großprojekt und dessen Nutzen für Hamburg.
Es ist die wohl umstrittenste Baustelle der vergangenen Jahre: Am Klosterwall, wo der City-Hof mit seinen vier Hochhäusern einst den Aufbruch in die Moderne symbolisierte und später vergammelte, entsteht nun das Johann Kontor. Seine Gegner verspotten den Bau als Backsteinwurst, seine Befürworter sehen darin einen Beitrag zur Stadtreparatur und den angemessenen Abschluss des backsteinernen Weltkulturerbes. Hinter dem wichtigen Projekt steht Aug. Prien, Hamburger Baufirma und Projektentwickler zugleich, ein Traditionsunternehmen, das im kommenden Jahr 150 Jahre alt wird.
Im Podcast „Was wird aus Hamburg“ wirbt Geschäftsführer Jan Petersen für den Neubau. „Wenn das Gebäude erst einmal fertig ist, wird man sehen, wie differenziert es ist.“ Der 67 Jahre alte Petersen verweist auf den Architektenwettbewerb mit 29 internationalen Büros, darunter Hochkarätern wie Daniel Libeskind.
Klosterwall: „Vorgabe war, den Wallring zu schließen"
„Die Vorgabe war, den Wallring zu schließen und das Weltkulturerbe der Kontorhäuser weder zu konterkarieren noch ihm Konkurrenz zu machen. Das Haus durfte gar nicht spektakulär werden, sondern sollte nur eine Ergänzung sein.“ So präsentiert sich der Siegerentwurf des Hamburger Büros KPW Papay Warncke Vagt als eher zurückhaltender Klinkerbau.
Als Hamburger hat er den Streit um den City-Hof des Architekten Rudolf Klophaus mit Interesse, aber auch mit Unverständnis verfolgt. „2013 wurden alle Gebäude und Ensembles, die entsprechend den gesetzlichen Kriterien als Denkmäler erkannt waren, automatisch unter Denkmalschutz gestellt – auch der City-Hof. Das passierte kurz vor der Ausschreibung“, erinnert sich Petersen.
Johann Kontor ein „Kontorhaus 2.0“
„Diese beinhaltete deshalb Erhalt und Sanierung ebenso wie Abriss und Neubau. Wir sind zum Ergebnis gekommen, dass Wohnen in einem sanierten Haus baurechtlich schwierig ist. Es war schon schwierig genug, das in einem Neubau hinzubekommen.“ Der Entwurf der Revitalisierung der schneeweißen Hochhäuser von Volkwin Marg habe auch ihm gefallen, sagt Petersen. „Wir hätten eine Bestandssanierung aber technisch nicht umsetzen wollen. Das hätte ein Desaster werden können. Heute ist die Kritik ja auch verstummt.“
Nun schiebt sich ein Backsteinriegel zum Wallring. Petersen, seit 27 Jahren in der Geschäftsführung von Aug. Prien, nennt das Johann Kontor ein „Kontorhaus 2.0“. Es besteht aus drei Teilen: An der Steinstraße entsteht ein Novotel der Accor-Gruppe. Zum Deichtorplatz hin wird die Maersk-Gruppe nach der Übernahme von Hamburg Süd Büroräume für 1300 Mitarbeiter beziehen und dort ihre Marken zusammenführen. Im mittleren Gebäudeteil wird die Vision des Wohnens in der Innenstadt Wirklichkeit.
143 Wohnungen entstehen
Hier entstehen 143 Wohnungen, ein Drittel gefördert. Zusammen mit dem Nikolai-Quartier ist es das größte Wohnungsbauprojekt in der City. Ins Erdgeschoss zieht der Vinh-Loi-Asia-Markt auf eine 1400 Quadratmeter großen Fläche. Die Betreiberfamilie Truong war bereits im alten City-Hof Mieter. „Sie kehrt an ihren alten Standort und die Geburtsstätte des Unternehmens zurück und wird dort eine Markthalle mit kleinem Bistro betreiben.“
Petersen ist zuversichtlich, dass die Fertigstellung wie geplant klappt. „Wir kämpfen, aber wir bekommen es hin. Hotel und Büro sollen noch 2023 übergeben werden, die Mietwohnungen dann Mitte 2024.“ Petersen sieht in dem Johann Kontor große Chancen für das Quartier: „Bislang ist der Burchardplatz einfach ein Parkplatz, nun wird er neu gestaltet. Das Johann Kontor wird zur Belebung beitragen. In zwei Jahren wird dieser Ort ein Lieblingsplatz der Hamburger werden.“
Weiteres Projekt: Quartier am Strandkai
Ein weiteres Großprojekt des Unternehmens Aug. Prien mit rund 710 Beschäftigten ist das Quartier am Strandkai direkt gegenüber der Elbphilharmonie in der HafenCity, von manchen die „begehrteste Halbinsel der Stadt“ genannt. Auf dem 14.000 m² großen Areal verteilen sich auf vier Baufeldern vier Objekte. Insgesamt entstehen 550 Wohnungen, darunter preisgedämpfte Mietwohnungen dreier Wohnungsbaugenossenschaften, deren Mieten quersubventioniert sind.
Architektonischer Hingucker werden zwei Luxuswohntürme: Das renommierte Büro Ingenhoven hat dort das 58 Meter hohe Wohnhochhaus „The Crown“ entworfen, fast alle 75 Wohnungen sind verkauft. Das Gleiche gilt für die 76 Wohnungen im „Fifty9“ von Hadi Teherani. „Wir haben das Projekt bei der Ausschreibung 2011 noch mit Preisen von 8000 Euro pro Quadratmeter kalkuliert – im Luxussegment“, erinnert sich Petersen. „Davon sind wir nun aufgrund der massiv gestiegenen Baukosten weit entfernt. Heute liegen sie im Mittel bis 15.000 Euro.“ Einer der Gründe ist die komplizierte Warft, die dort errichtet werden musste – der Strandkai ist von zwei Seiten von Wasser umgeben.
„Das ist eine wirklich gelungene Stadtteilentwicklung“
Die attraktiven Freiflächen wird die Stadt für Veranstaltungen nutzen, auf der Spitze ist Gastronomie geplant. „Da gibt es einige attraktive Kandidaten“, sagt Petersen. Unterschriften erwartet er zur Jahreswende. Eine kulturelle Nutzung ist ebenfalls geplant – die Märchenwelten, die ursprünglich dort heimisch werden sollten, rutschten 2020 in die Insolvenz.
Nun sollen kleinere Angebote dort einziehen. Petersen mag die HafenCity: „Das ist eine wirklich gelungene Stadtteilentwicklung“, lobt er. „Man kann einzelne Häuser kritisieren, aber das Gesamtkonzept ist stimmig, weil Neues gewagt und Nachhaltigkeit gelebt wird. Das sieht man auch an den vielen jungen Menschen, die hier leben und arbeiten.“
Beim Thema Nachhaltigkeit wurde "einiges verpasst"
Allerdings gesteht Petersen ein, dass die gesamte Branche früher auf Nachhaltigkeit hätte setzen müssen: „Wir haben da einiges verpasst, weil es an Regeln fehlte, nachhaltig zu werden. Das ist heute anders: Inzwischen sorgen schon die Anforderungen der Banken dafür, dass umweltfreundlicher gebaut wird.“ Die Baubranche ist verantwortlich für rund 40 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes. 60 Prozent davon stammt aus dem Bau, 30 Prozent aus dem Betrieb eines Gebäudes und zehn Prozent durch den Abriss.
Der Vater dreier Töchter fordert ein Umdenken. „Wir müssen von der Immobilie zur Mobilie kommen und 100 Prozent der Baustoffe wiederverwerten.“ So werde Holz als Baustoff interessanter und die Vorfertigung etwa der Bäder wichtiger, weil sich so Energie sparen lasse. „Wir haben gerade eine Gesellschaft für nachhaltige Immobilienprojekte gegründet, um zu experimentieren und zum Beispiel über einen digitalen Zwilling sämtliche Verbräuche und CO2-Bilanzen besser zu erfassen.“ Allerdings dürfte der neue Öko-Trend die Preise zusätzlich treiben. „Ich fürchte, das Bauen wird dadurch noch mal teurer werden.“
Wohnungsbauziele der Stadt unrealistisch
Schon heute liegen die Herstellungskosten in Hamburg bei durchschnittlich 4000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche – ohne Grundstück. „Da landen sie dann bei einer Miete von 13,33 Euro. Bei einer geförderten Wohnung liegen wir bei 10,90 Euro. Da sieht man, wie hoch die Quersubventionierung sein muss.“ Ein Grund, warum sich viele Gesellschaften aus dem Neubau zurückziehen und eher in energetische Sanierung investieren.
Petersen, der von Beginn an im Hamburger Bündnis für das Wohnen mitarbeitet, sieht die Ziele von 10.000 Wohnungen pro Jahr in der Hansestadt in weite Ferne rücken. „Bundesweit stellen laut Umfrage des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen 70 Prozent der Mitglieder Neubauten zurück oder fangen gar nicht mehr an – das ist eine sehr gefährliche Entwicklung. Ich gehe fest davon aus, dass wir deutlich niedrigere Fertigstellungszahlen sehen.“
Petersen erwartet eine Marktbereinigung
Wenn nicht mehr gebaut werde, würden auch keine Sozialwohnungen entstehen. Petersen sieht noch eine weitere Ursache für die neue Zurückhaltung: „Für Investoren lohnen sich wegen des Zinsanstiegs Projekte nicht mehr. Da werden Anleihen wieder interessant.“
Petersen erwartet in Kürze eine Marktbereinigung – und hält sie für nötig. „Wenn die Preise zurückgehen, fallen die Grundstückspreise. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Bis dahin wird der Staat in der Pflicht stehen, das Bauen anzukurbeln.“ Positiv sei, dass unseriöse Anbieter verschwänden. „Es haben sich zuletzt Unternehmen im Markt getummelt, die ohne Eigenkapital ein ganz großes Rad drehen wollten.“
Bewertungen für Holstenquartier viel zu hoch
Ein bekanntes Beispiel lässt sich beim Holstenareal besichtigen, auf dem zwecks Bilanzkosmetik die Grundstücksgesellschaften mehrfach weitergereicht, aber kaum Steine bewegt wurden. Petersen ärgert sich darüber, dass solche schwarzen Schafe die ganze Branche in Verruf gebracht haben. „Wir werden als Profitgeier und Kapitalisten beschimpft, was wir gar nicht sind.“
Das Holstenquartier werde erst dann entwickelt werden, wenn die astronomischen Bewertungen wieder zurückkommen, glaubt Petersen: Das Grundstück, das einst mit über 364 Millionen Euro in den Bilanzen der Consus AG stand, werde wohl erst zu deutlich unter 200 Millionen verkauft werden können. „Mehr wird kein seriöses Unternehmen bezahlen. Wir brauchen hier eine Hamburger Lösung. Ich bin mir aber sicher, dass es diese geben wird: Die Stadt hat Einflussmöglichkeiten, weil der städtebauliche Vertrag noch nicht unterschrieben worden ist. Ohne den ist das Grundstück weniger wert.“
„Das ist ein spannendes Quartier"
Auch Aug. Prien hat Interesse an dem Filetgrundstück auf dem früheren Brauereigelände. „Das ist ein spannendes Quartier und ein toller Standort. Wir haben schon mit Mitbewerbern gesprochen. Da kann man mit einem Konsortium etwas Tolles entwickeln.“
Petersen sieht noch weitere Probleme der Branche, um die Ziele beim Wohnungsbau zu erreichen: „Die Planungs- und Genehmigungsprozesse dauern nach wie vor zu lang.“ Zudem kämen vonseiten der Bezirkspolitik immer höhere Auflagen. „Jeder will das Maximum herausholen – aber diese Diskussionen verzögern den Bebauungsplan. Und wenn ständig neue Wünsche kommen, lohnt sich ein Projekt irgendwann nicht mehr“, sagt er mit Blick auf das Paloma-Viertel an der Reeperbahn, das seit Jahren nicht vom Fleck kommt.
Johann Kontor: Petersen lobt Bündnis für Wohnen
Hinzu kommt: Manche Genehmigungen dauerten mit Architektenwettbewerb und B-Plan mehrere Jahre, am Strandkai waren es insgesamt zwölf Jahre. 2011 begann das Verfahren, 2023 ist die Fertigstellung geplant. Gerade in der Baubranche ist Zeit Geld. „Nach vielen Jahren Verzögerung gehen angesichts der Kostensteigerungen manche Pläne nicht mehr auf“, warnt er.
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Ausdrücklich lobt Petersen, der im kommenden Jahr bei Aug. Prien ausscheiden will, das Bündnis für das Wohnen. „Das ist eine Erfolgsstory. Wir müssen aber die Bezirke noch mehr einbinden, damit wir gemeinsam an einem Ziel arbeiten.“ Zugleich warnt er davor, Volksinitiativen vor Ort zu weit entgegenzukommen. „Dann werden wir unsere Ziele niemals erreichen.“
Fünf Fragen |
Meine Lieblingsstadt ist Paris. Ich lebe zwar am liebsten in Hamburg, aber ich liebe die französische Hauptstadt mit ihrer städtebaulichen Struktur, ihren Plätzen, ihren Straßen, die sternförmig darauf zulaufen. Und die Fülle der Cafés und Brasserien – Paris ist eine Stadt, in der ich stundenlang spazieren kann. Mein Lieblingsstadtteil zum Wohnen ist Blankenese, ich mag den dörflichen Charakter, die Elbe, das Treppenviertel. Zum Arbeiten liebe ich die HafenCity. Mein Lieblingsort ist der Bismarckstein in Blankenese. Auf der Aussichtsplattform den Sonnenuntergang zu genießen, wenn die Schiffe stromauf- und abwärts ziehen, ist immer wieder etwas ganz Besonderes. Da kann ich nach einem anstrengenden Tag wunderbar herunterkommen. Mein Lieblingsgebäude ist die Elbphilharmonie, ein faszinierendes Gebäude mit ihrer Mischung aus Alt und Neu. Wir sind damals auch gefragt worden, ob wir das Konzerthaus bauen wollen. Und haben uns dagegen entschieden, weil wir fürchteten, entweder unser Geld oder unseren Ruf zu verlieren – oder sogar beides. Das hätten wir als Mittelständler nicht überlebt. Einmal mit dem Abrissbagger sollten wir vorsichtiger sein. Heute sollte man sich besser zweimal überlegen, ob man ein Gebäude wegen der dort gespeicherten grauen Energie wirklich abreißen muss. Was abgerissen werden sollte, ist inzwischen abgerissen – zum Beispiel die City-Hochhäuser. |