Hamburg. Start-up El Origen gewinnt Fernsehshow mit Quinoa-Bites mit Schokoladenüberzug. Der Gründer erzählt im Abendblatt seine Geschichte.
Gordon Prox steht im goldenen Lametta-Regen. Abwechselnd schlägt er die Hände vor das Gesicht und ballt die Fäuste. Dann wird ihm ein Blumenstrauß in die Hand gedrückt. „Ich glaub’s nicht“, sagt er und zeigt ein strahlendes Lachen. Sekunden zuvor war die Kreation aus seiner Firma zu „Die leckerste Idee Deutschlands“ gewählt worden. Prominente wie Fernsehkoch Tim Mälzer und Comedian Mirja Boes sowie 100 Supermarktkunden kürten die mit Schokolade überzogenen Quinoa Bites, die einen Hauch Maca haben, zum Sieger der gleichnamigen TV-Show auf dem Fernsehsender Vox.
Hunderttausende Zuschauer schauten sich die ohne Werbung fast drei Stunden lange Sendung an und wurden Zeugen, wie sich Prox’ Produkt gegen neun Konkurrenten durchsetzte. Sein Preis: Bereits am nächsten Tag sollten die Quinoa Bites in allen 3700 Rewe-Filialen in Deutschland erhältlich sein. Statt Klinken bei Einkäufern von Handelsketten putzen zu müssen, wurde das Start-up in die Regale der zweitgrößten deutschen Supermarktkette katapultiert.
TV-Show: Start-up kommt aus Hamburg
Natürlich musste der 36-Jährige nicht von heute auf morgen seine Produktion hochfahren und die Ware blitzschnell ausliefern. Wie bei der Investoren-Sendung „Die Höhle der Löwen“ wurde der TV-Auftritt bereits im April und damit Monate vorher aufgezeichnet. Die riesige Menge zu produzieren, war für das in der Altstadt sitzende Start-up aber dennoch eine große Herausforderung – aber der Reihe nach.
Beruflich habe er schon viel Verschiedenes gemacht und sei fast immer unternehmerisch tätig gewesen, erzählt der geborene Hamburger beim Termin mit unserer Zeitung in den im Juli bezogenen Büros an der Großen Reichenstraße. Er versuchte sich mit einem Stand-up-Paddling-Verleih, entwickelte Software, gründete eine Marketingagentur. Er fing ein Betriebswirtschaftsstudium an, beendete es aber nicht.
Gründer drehte „Vegan ist ungesund“-Videos
Dann fasste er den Entschluss, sich vegan zu ernähren. Er schnappte sich eine Kamera und drehte mit einem befreundeten Arzt „Vegan ist ungesund“-Videos unter anderem für YouTube. Er wollte mit Mythen um den Veganismus wie Mangelernährung aufräumen, sagt Prox: „In der Spitze hatten wir plattformübergreifend grob 500.000 Abonnenten und verdienten mit Werbung Geld.“
Unter den Anhängern war auch eine Einkäuferin der Drogeriekette Budnikowsky. Sie erzählte ihm, dass es in der Hansestadt einen Geschäftsmann gebe, der Biochips aus Maniok und Kochbananen anbietet und das Unternehmen verkaufen möchte. Prox und der Geschäftsmann trafen sich, reisten zusammen nach Ecuador, um sich die Produktion bei den Kleinbauern anzuschauen. Er war begeistert. „Ich habe ein sehr großes Herz für Lateinamerika“, sagt Prox, der seit elf Jahren mit einer Mexikanerin liiert und mittlerweile verlobt ist. Ende 2019 übernahm Prox mit einem Partner, der mittlerweile ausgestiegen ist, das Unternehmen.
Ein Hamburger Family Office stieg als Investor ein
Er steckte eigenes Kapital in die Firma, holte sich zudem ein Hamburger Family Office mit ins Boot. Der Grund: Er muss viel vorfinanzieren. Die Ware zahlt er im Voraus, dann wird sie vor Ort produziert. „Wir setzen uns in regelmäßigen Abständen mit unseren Produzenten und den Kooperativen zusammen, um Preise und Mengen für zukünftige Ernten zu planen. Diese langfristige Planungssicherheit ist für die Bauern von enormer Bedeutung“, sagt Prox: „Zudem stellen wir sicher, dass für faire Arbeit auch ein fairer Abgabepreis gezahlt wird, damit die Bauern vor Ort in der Lage sind, nachhaltig von ihrer Arbeit zu leben.“
Die Kochbananen und Maniokwurzeln werden geerntet, in Scheiben geschnitten, frittiert und gewürzt. Rund einen Monat lang sind sie dann auf dem Seeweg unterwegs, bis sie in Europa eintreffen. Hier werden sie auf die Geschäfte verteilt und verkauft, 30 Tage räumt er als Zahlungsziel ein – daher ist das Geld lange gebunden.
2020 kam der erste Container in Hamburg an
Anfang 2020 kam der erste Container unter seiner Ägide in Hamburg an. Zu den bestehenden Kunden Budnikowsky und Denn’s Biomärkte kamen weitere Abnehmer für die Chips hinzu. Mittlerweile gebe es sie außer bei dm und Kaufland in fast allen großen Handelsketten und Drogerien. Sie kosten 1,99 Euro pro Packung, dafür gibt es 80 Gramm Kochbananen- und 60 Gramm Maniokchips. „Die Drehzahlen bei den Chips sind sehr, sehr stark im Vergleich zu Konkurrenzprodukten, sie sind regelmäßig ausverkauft“, sagt Prox, der heute Chef von 19 Mitarbeitern ist: „Um Geld zu verdienen, müssen wir aber das Sortiment ausweiten.“
Er traf bei einer Ecuador-Reise auf den Inhaber einer familiengeführten Schokoladenmanufaktur. Dieser werkelte in der Küche herum, schickte ihm verschiedene Kostproben. Schließlich entwickelte eine El-Origen-Mitarbeiterin mit dem Manufakturbesitzer zusammen die Quinoa Bites und deren „Schwester“ Amaranth Crispies.
„Quinoa ist in den Anden ein Grundnahrungsmittel"
„Quinoa ist in den Anden ein Grundnahrungsmittel. Daher lag es nahe, etwas mit Quinoa zu machen“, sagt Prox. Ende 2021 war das Produkt fertig und in Hamburg. Budnikowsky und Alnatura wollten es ab Februar ins Sortiment nehmen. „Dann kam der Anruf von Vox“, sagt Prox. Der Zeitplan geriet durcheinander.
Der überzeugte Veganer hatte sich mit den Kochbananenchips schon für die erste Staffel von „Die leckerste Idee Deutschlands“ vor einem Jahr beworben. Letztlich reichte es aber nicht für die Teilnahme an der Show. Nun habe der Sender ihn angerufen und gefragt, ob er ein neues Produkt habe. Er ging mit den Quinoa Bites ins Rennen, fasste das Produkt aber noch einmal an und machte es etwas süßer, um mehr den Durchschnittsgeschmack abzuholen. Im März schickte er es zur TV-Station. Im April erfolgte die Aufzeichnung – mit dem Triumph, den er eigentlich nicht eingeplant hatte.
Budnikowsky und Alnatura müssen warten
Denn zum Vertrag habe auch die Exklusivität gehört, die sich Rewe sicherte. Nach der Ausstrahlung dürfe er drei Monate lang nur die Kölner Supermarktkette mit den Quinoa Bites beliefern. Dafür habe sie eine große Menge bestellt und wolle die Hamburger süßen Snacks, die vegan, glutenfrei und biozertifiziert sind sowie ohne Palmöl hergestellt werden, für mindestens sechs Monate listen.
Budnikowsky und Alnatura müssen also noch bis Ende des Jahres warten, bis sie Ware erhalten. Wer das neue Büro betritt, stößt aber bereits auf mehrere Stapel mit bedruckten flachen Kartonscheiben. Das Firmenlogo El Origen ist auf den Pappen zu sehen, die schon bald in weiteren Geschäften oben auf die Aufsteller gesteckt werden sollen.
Ausstrahlung wurde einen Monat vorgezogen
In den vergangenen Monaten mussten seine Kooperationspartner in Ecuador schnell die Produktion hochfahren – ein Kraftakt. Rund 250.000 Schachteln wurden hergestellt. Dann sei die Ausstrahlung plötzlich einen Monat vorgezogen worden, sagt Prox. Der Seeweg wäre zu lang gewesen, daher kamen die Schoko-Quinoa-Stückchen per Luftfracht angeflogen. Ein teures Vergnügen. Ein Biozertifikat aus Ecuador fehlte, sodass viel telefoniert werden musste – letztlich klappte aber alles.
Die hohen Luftfrachtkosten sorgen zusammen mit den geplanten Investitionen in den Produktionshochlauf dafür, dass man Ende dieses Jahres aber nicht wie geplant operativ die Gewinnschwelle erreiche. 750.000 Euro Umsatz habe man im Vorjahr erzielt, drei Millionen sollen es 2022 sein, sagt Prox. „Im nächsten Jahr streben wir zehn Millionen Euro Umsatz an.“ Drei neue Produkte sollen hinzukommen, darunter eine Art Energy-Drink mit „exotischem“ Geschmack.
TV-Show: Quinoa Bites jetzt in allen Rewe-Märkten
Zunächst konzentriert sich aber alles auf die Einführung der Quinoa Bites in den bundesweit 3700 Rewe-Märkten. Zwar habe El Origen rechtzeitig an die Handelskette geliefert, in allen Geschäften ist die Ware aber nicht angekommen. Es habe wohl Probleme in der Verteilung auf die Filialen gegeben, insbesondere im Norden, sagt Prox: „Ab dem heutigen Mittwoch sollen die Quinoa Bites wirklich in allen Rewe-Märkten stehen.“
- Joybräu drängt nach China – die Pläne der Hamburger Gründer
- Start-ups zeigen nachhaltige Ideen auf Food Innovation Camp
- Start-Up Nect wächst mit Gesichtserkennung per App
Wie viele 60-Gramm-Schachteln für 2,79 Euro bereits verkauft wurden, wisse er nicht. Eine Rückmeldung von Rewe habe es bisher nicht gegeben. Auf den Vertrieb im eigenen Onlineshop verzichtet er, weil das Lager nur noch dünn gefüllt ist, so Prox: „Aber wir kriegen viel positives Feedback bei Social Media und von Influencern.“