Hamburg. Sparkasse sieht Geflüchtete nicht nur als Kunden, sondern bietet ihnen auch Jobs an. Oksana Maruniak arbeitet in der Filiale Wandsbek.
Wie die meisten Geflüchteten aus der Ukraine hat Oksana Maruniak vieles in ihrem Heimatland zurücklassen müssen – vor allem ihren Sohn, der dort Militärdienst leistet, aber auch eine Eigentumswohnung in Kiew, ihr Auto und natürlich ihren Arbeitsplatz.
Doch nach Hamburg mitgebracht hat sie außer ihrer Tochter und einer Nichte auch ihre Berufserfahrung, die sie in der Zentrale einer der größten ukrainischen Banken als stellvertretende Leiterin des Immobiliengeschäfts gesammelt hat.
Sparkasse Hamburg: Ukrainerin bei der Haspa tätig
Heute ist Maruniak als Aushilfskraft bei der Haspa tätig. In der Wandsbeker Filiale unterstützt sie seit vier Wochen ihre Landsleute bei der Eröffnung eines Girokontos und beim Online-Banking, berät sie aber auch darüber hinaus, etwa wenn es um Behördengänge oder Unterkunfts-Tipps geht. „Für diese Arbeit ist Oksana natürlich völlig überqualifiziert“, sagt der stellvertretende Filialleiter Andreas Müthel. Aber ihre Leistung ist sehr gefragt.
Allein 350 Kontoeröffnungen hat sie schon betreut, bis zu 50 Kundengespräche am Tag sind nicht ungewöhnlich. Inzwischen sind bei der Haspa, die insgesamt bereits mehr als 10.000 Konten für Ukrainerinnen und Ukrainer eröffnet hat, außer Oksana Maruniak noch weitere sechs Geflüchtete mit Zeitverträgen angestellt, sieben über das Stadtgebiet verteilte Filialen bieten diesen besonderen Unterstützungsservice in Landessprache an.
„Tagsüber bleibt das Smartphone aus"
„Auf einer Jobmesse in der Hamburger Handelskammer bin ich mit Haspa-Mitarbeitern ins Gespräch gekommen“, sagt Maruniak. „Ich fand diese Idee der Sparkasse sehr interessant und wollte das gern selbst probieren.“ Es geht ihr aber auch noch um etwas anderes: „Ich bin Deutschland und Hamburg sehr dankbar dafür, wie wir hier aufgenommen wurden, und möchte etwas Nützliches tun.“ Entsprechend ernst nimmt sie ihre Arbeit: „Tagsüber bleibt das Smartphone aus. Aber jeden Abend bin ich über Kurznachrichten in Kontakt mit meinem Sohn.“
Seit gut vier Monaten ist Maruniak nun in Hamburg. Vor einigen Wochen konnte sie ein Apartment anmieten, aber zunächst wohnte sie mit ihrer Tochter und ihrer Nichte bei einem Arztehepaar in Blankenese, das Zimmer für Geflüchtete zur Verfügung gestellt hatte. „Anfangs wusste ich gar nicht, warum sich Menschen wunderten, wenn ich ihnen erzählte, dass ich in Blankenese wohne“, sagt sie und lacht – sie wusste eben nichts über Hamburg. Dass sie gerade in diese Stadt gekommen ist, sei ein Zufall gewesen.
Maruniak stolz auf ihre Landsleute
Englisch sprechen kann Maruniak, weil sie unter anderem Sprachen studiert hat. Inzwischen kann sie sich auch auf Deutsch schon verständigen. Um das in Alltagssituationen zu üben, hat sie den Kontakt zu einer Seniorengruppe in der Nachbarschaft gesucht, um sich mit ihnen zu unterhalten. „Ich war sehr erstaunt, wie viele Menschen in Deutschland auch mit über 80 Jahren noch so aktiv sind und Pläne für die Zukunft machen“, sagt sie. Das sei in der Ukraine ganz anders.
Insgesamt ist Maruniak stolz auf ihre Landsleute, mit denen sie in der Haspa-Filiale zusammentrifft. „Selbst wenn sie hier in Containern leben, ziehen sich die beste Kleidung an, wenn sie hierherkommen, und versuchen, die Kontoanträge auf Deutsch auszufüllen. Arbeiten wollen sie fast alle.“ Um so mehr regt es Maruniak auf, wenn jemand aus ihrer Sicht ein schlechtes Licht auf das Heimatland wirft. Als sie sah, dass drei junge Menschen in der S-Bahn ihre ukrainischen Pässe den Fahrgästen zeigten, um zu betteln, drohte sie damit, die Polizei zu benachrichtigen.
Krieg gegen die Ukraine könnte noch lange dauern
Wie Maruniak aus vielen Gesprächen mit geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern weiß, hat sich die Perspektive dieser Menschen in den vergangenen Monaten verändert: „Es sind ja zu 95 Prozent Frauen und Kinder, die zunächst so bald wie möglich wieder zu ihren Ehemännern, Vätern oder Söhnen zurück wollten.“ Nachdem sich der Krieg weitgehend in den Osten des Landes verlagerte, habe es daher auch eine Rückreisewelle gegeben.
Auf der anderen Seite zeichne sich immer klarer ab, dass der Krieg noch lange dauern könnte. „Gerade die Jüngeren überlegen, für längere Zeit in Deutschland zu bleiben“ – zumal dann, wenn sie eine gefragte Qualifikation besitzen. „Meine Nichte, eine IT-Spezialistin, hat schon am dritten Tag in Hamburg eine Arbeit in diesem Bereich gefunden“, sagt Maruniak. So spreche sie mit den Neukundinnen und -Kunden der Haspa zunehmend auch über Versicherungen, weil immer mehr der Geflüchteten eine eigene Wohnung hier mieten können.
Sparkasse Hamburg: Maruniak kritisiert die Bürokratie
Wie lange sie selbst bleiben wird, weiß sie noch nicht. Sie ist sich aber sicher, dass ihre eigene Qualifikation in einigen Jahren, wenn es um den Wiederaufbau in der Ukraine geht, dort sehr gefragt sein dürfte. Manches in Hamburg erinnert Maruniak an Kiew: „Beide Städte sind sehr grün, in beiden gibt es viele Kastanienbäume, beide liegen an einem großen Fluss, das Wetter ist ähnlich – auch wenn es in Kiew etwas wärmer wird als hier.“
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Eines aber gefällt ihr in Deutschland gar nicht: Die Bürokratie. In der Ukraine sei man im Hinblick auf die Digitalisierung schon viel weiter, dort gebe es zum Beispiel eine zentrale Datenbank mit allen wichtigen persönlichen Dokumenten und Angaben: „Ich kann nicht glauben, dass in einem Land, das so groß und so stabil ist wie Deutschland, für jedes Amt wieder neue Formulare mit immer den gleichen Angaben ausgefüllt werden müssen – und das auf Papier.“