Hamburg. Die Holsten-Brauerei will sich mit Ölbrennern gegen Versorgungsengpässe wappnen. Eine Patentlösung ist das aber wohl nicht.
An die Versorgung mit Bier denkt man im Zusammenhang mit einer möglichen Gas-Mangellage vielleicht nicht als Erstes. Aber Brauereien sind durchaus energieintensive Betriebe – und die Sudkessel werden meist mit Erdgas beheizt, das sich zuletzt dramatisch verteuert hat. Carlsberg Deutschland mit den Hamburger Marken Holsten und Astra hat jetzt für den Notfall vorgesorgt: Für die Brauerei Hamburg-Hausbruch erhalte man „zeitnah“ einen Ölbrenner plus Tank, um gasunabhängig arbeiten zu können, sagte Firmensprecherin Linda Hasselmann.
An den beiden anderen deutschen Standorten, in der Wernesgrüner Brauerei und der Mecklenburgischen Brauerei Lübz, stünden bereits Ölbrenner als Alternative bereit, „um einen Gas-Lieferstopp abzufedern und die Herstellung nicht zu gefährden“.
Energiekrise: Ratsherrn Brauerei von Gas abhängig
Eine Patentlösung ist das aber offenbar nicht. „Zwar können manche Brauereien ihre Kessel im Notfall alternativ auch mit Öl betreiben, aber meist nur für kurze Zeit und zu immensen Kosten“, sagte Jörg Lehmann, Präsident des Deutschen Brauer-Bundes und Chef der Münchner Paulaner-Gruppe, dem Fachmagazin „Getränke News“. Allgemein gelte, so hieß es von dem Branchenverband: „Ohne Gas bleiben die Regale leer.“
Florian Weins, Geschäftsführer der Ratsherrn Brauerei in Hamburg mit knapp 50 Beschäftigten, kann nach eigenen Worten auch nicht auf eine solche Ausweichlösung setzen: „Wir sind in der Produktion und bei der Abfüllung von Gas abhängig. Eine kurzfristig verfügbare Alternative gibt es nicht.“ Erhebliche Mengen an Heizenergie benötigt das sogenannte Mälzen, bei dem aus Gerste schließlich Malz entsteht. Hierfür werden Temperaturen zwischen 80 Grad (für helle Biere) und 100 bis 120 Grad (für dunkle) benötigt. Aber auch das wechselweise Erhitzen und Kühlen während des eigentlichen Brauens erfordert viel Energie.
„Es ist für die gesamte Branche nicht einfach"
Während sich der Preis von Heizöl in den zurückliegenden zwölf Monaten mehr als verdoppelt hat, legten die Großhandelspreise für Erdgas im gleichen Zeitraum um den Faktor neun zu. Zwar haben Großabnehmer wie die Brauereien längerfristige Lieferverträge abgeschlossen, aber die Verteuerung wird in absehbarer Zeit dennoch durchschlagen.
„Es ist für die gesamte Branche nicht einfach, mit diesen Kostensteigerungen umzugehen“, sagte Weins. „Die Energiepreise haben – neben den Preisen für Braugerste, die sich in den vergangenen zwölf Monaten fast verdoppelt haben, und denen für Hopfen – einen maßgeblichen Anteil an den Herstellkosten von Bier.“ Bei wichtigen Lieferanten sehe es nicht besser aus: „Glashütten und alle unsere anderen Zulieferer, ob für Kronkorken, Kisten, Pappen oder Ähnliches, sind ebenfalls stark durch die Verteuerung der Energie betroffen.“
Kostensteigerungen müssen auf Preis umgelegt werden
Holger Eichele, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, sprach in diesen Zusammenhang von einem regelrechten „Kosten-Tsunami“, der über die Branche hinwegrolle. „Die Kostensteigerungen sind so dramatisch, dass sie irgendwann zumindest teilweise auf den Preis umgelegt werden müssen“, sagte Eichele vor Kurzem dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Aber dieser Prozess hat offenbar schon begonnen. Darauf weisen unter anderem die Geschäftszahlen der Carlsberg-Gruppe hin. Der dänische Konzern hat im ersten Halbjahr 2022 in der Region Westeuropa, zu der auch Deutschland gehört, den Absatz um 10,2 Prozent gesteigert, den Umsatz aber um sogar 23,3 Prozent. Man habe die Einnahmen pro verkauftem Hektoliter um zwölf Prozent erhöht, hieß es. Für das gesamte Geschäft hat der Konzern das Ziel ausgegeben, die Kostensteigerungen – im voraussichtlich niedrigen zweistelligen Prozentbereich – durch höhere Erlöse pro Hektoliter, also durch höhere Verkaufspreise, auszugleichen.
Bierpreise lange Zeit nur moderat gestiegen
Lange Zeit sind die Bierpreise in Deutschland nur moderat gestiegen, im Gleichschritt mit der allgemeinen Inflationsrate. Von 2021 auf das laufende Jahr legten sie nach Angaben der Marktforschungsagentur Nielsen IQ aber bereits um immerhin 4,4 Prozent auf 1,43 Euro je Liter zu. Bei der Durchsetzung der Preisanhebungen dürfte geholfen haben, dass sich der Markt nach der Corona-Flaute zuletzt etwas erholt hat: In den ersten sechs Monaten zog der Inlandsabsatz in Deutschland um 6,4 Prozent an, in den nördlichen Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein sogar um 11,2 Prozent. Allerdings zeigt sich beim Bier die gleiche Tendenz wie zuletzt generell im Lebensmittelhandel – die Discounter bauen ihren Marktanteil am Absatz spürbar aus.
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Für Ratsherrn sind Aldi und Lidl jedoch kein Thema. Der mittelständische Familienbetrieb aus Hamburg, der bereits im Februar eine Preiserhöhung umgesetzt hat, rangiert im Premium-Segment. Dem Energiepreisanstieg wird er sich zwar auf Dauer nicht entziehen können, aber bei einer Hauptzutat des Bieres wird Ratsherrn in den nächsten Jahren weniger abhängig von den an Börsen festgelegten Marktpreisen sein.
Energiekrise: Regionalität kann helfen
„Im Sinne der Strategie, auf Regionalität zu setzen, hat die Eigentümerfamilie rund um Oliver Nordmann die schon vor mehreren Jahren getroffene Entscheidung, Braugerste auf eigenen Flächen anzubauen, nun umgesetzt“, sagte Wiens. „Das wird uns künftig helfen. Wir sehen ja gerade, welche Folgen eine Abhängigkeit von globalen Lieferketten hat.“