Hamburg. 75 Prozent des Alaska-Seelachses in Deutschland stammen aus dem Putin-Reich. Hamburger fallen beim Konsum zurück.

Das dürfte den meisten Verbrauchern nicht bewusst sein: Rund 75 Prozent des in Deutschland konsumierten Alaska-Seelachses – hierzulande immerhin der zweitbeliebteste Fisch – kommen noch immer aus Russland, ein großer Teil davon auf dem Umweg über China. „Wir fürchten zwar ein Importverbot durch die Europäische Union, halten es aber für unwahrscheinlich, dass solche Sanktionen eingeführt werden“, sagte Matthias Keller, Geschäftsführer des von Unternehmen und Verbänden der Branche getragenen Fisch-Informationszentrums (FIZ) mit Sitz in Hamburg.

Zwar hat die EU im April wegen des Ukraine-Krieges den Import von Kaviar und Krebstieren aus Russland untersagt, für Fisch gilt das aber nicht. Würde auch dessen Einfuhr verboten, „dann wären die Regale tatsächlich leer“, sagte der FIZ-Vorsitzende René Stahlhofen – und das gelte auch für andere europäische Staaten. Zuletzt hat der Importanteil von aus Russland stammendem Alaska-Seelachs den Angaben zufolge sogar noch zugenommen, weil in dem anderen wichtigen Lieferland, den USA, der Eigenverbrauch steige: Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte verordnet, Fischstäbchen aus Alaska-Seelachs in der Schulspeisung einzusetzen.

Alaska-Seelachs: 2021 wurden 139.000 Tonnen nach Deutschland importiert

Im vorigen Jahr importierte Deutschland dem Statistischen Bundesamt zufolge insgesamt 139.000 Tonnen Alaska-Seelachs, davon gut 68.000 aus China. Denn ein Großteil des von russischen Trawlern gefangenen Fischs wird zum Handfiletieren nach China gebracht. Von dort kommt er tiefgekühlt in Containern nach Deutschland, um hier schließlich zu Fischstäbchen oder Schlemmerfilet verarbeitet zu werden.

Allerdings könnten Lieferkettenprobleme „namhafte Unternehmen der Fischwirtschaft dazu zwingen, ihre Produktion zeitweilig zu stoppen“, sagte Keller. Wegen der Null-Corona-Politik Chinas fielen dort immer wieder Filetierbetriebe aus, zudem seien Container weiterhin knapp oder zumindest sehr teuer. Anfang Juni musste bereits das Bremerhavener Unternehmen Frozen Fish International, das für die Marke Iglo tätig ist, für 440 Beschäftigte Kurzarbeit anmelden.

Fisch-Experten:Klimaauswirkungen von Fischkonsum geringer als bei dem von Fleisch

Auch wenn es unter dem Aspekt der CO2-Bilanz nicht gerade günstig erscheint, Fisch in permanent tiefgekühlten Containern auf die wochenlange Schiffsreise von China nach Europa zu schicken, sieht Stahlhofen gerade in der Klima­bilanz einen langfristigen Vorteil für seine Branche: „Zuversichtlich stimmt uns, dass Fisch und Meeresfrüchte die Quellen tierischen Proteins für die menschliche Ernährung sind, die die geringsten Klimaauswirkungen bei ihrer Gewinnung haben.“

Peter Breckling, Generalsekretär des Deutschen Fischerei-Verbands, ging noch etwas weiter. „Fisch essen ist aktiver Klimaschutz“, sagte er. „Da kann kein Schwein und Rind mithalten.“ Schließlich müssten Fische nicht mit energieaufwendig erzeugtem Futter versorgt werden, und sie produzierten nicht in großem Maße klimaschädliche Gase durch ihre Verdauungsvorgänge, so Breckling.

Umsatz von Fisch ging im 1. Halbjahr 2022 zurück

Auch wenn sich die deutsche Fischwirtschaft langfristig zuversichtlich gibt, sind die jüngsten Zahlen nicht gut. Die von den privaten Haushalten eingekaufte Menge an Fisch sowie der entsprechende Umsatz gingen im ersten Halbjahr 2022 um jeweils gut 14 Prozent zurück. „Das hat uns nicht überrascht“, sagte Stahlhofen. Es sei zu erwarten gewesen, dass sich die „enormen Zuwächse der beiden Corona-Ausnahmejahre 2020 und 2021“, als es weit weniger Restaurantbesuche gab, nicht wiederholen lassen. Ein Vergleich mit den ersten sechs Monaten 2019 zeige aber, dass die aktuelle Einkaufsmenge nur geringfügig unter der für ein „Normaljahr“ liege (minus 1,5 Prozent).

Interessant ist der Blick auf die Preisentwicklung. Während seit Anfang 2019 die Preise für Fisch und Meeresfrüchte stärker gestiegen seien als die für Nahrungsmittel insgesamt, habe sich das seit Anfang Januar 2022 umgekehrt, sagte Keller: „Fleisch hat sich in diesem Jahr viel stärker verteuert als Fisch.“ Dennoch bestehe eine der Herausforderungen der Branche derzeit darin, die Verbraucherpreise an die „enormen Preiserhöhungen“ für Energie und Logistikdienste anzupassen, fügte Stahlhofen an.

Umsatzrekord im Jahr 2021 bei sinkenden verkauften Mengen

Im vorigen Jahr 2021 hat die Fischwirtschaft im Lebensmitteleinzelhandel im neunten Jahr in Folge einen Umsatz­rekord erzielt. Die Verbraucher gaben 5,4 Milliarden Euro (plus 1,3 Prozent) für die entsprechenden Waren aus. Die eingekaufte Menge sank jedoch um 2,0 Prozent auf 495.053 Tonnen.

Zurückgegangen ist auch der Pro-Kopf-Gesamtverbrauch, der nicht nur die Einkäufe im Einzelhandel, sondern ebenso den Verzehr in Restaurants enthält. Er verringerte sich im Jahr 2021 nach vorläufigen Daten um fast zehn Prozent auf 12,7 Kilogramm. Dagegen ist der bundesweite durchschnittliche Fischeinkauf pro Kopf nach Angaben des Marktforschungsinstituts GfK um 0,4 Kilogramm auf 6,3 Kilogramm Produktgewicht gestiegen.

Alaska-Seelachs auf Platz 2 der Beliebtheitsskala für Fischprodukte

Dabei ist Hamburg im Bundesländer-vergleich überraschenderweise vom ersten auf den dritten Rang abgerutscht: Vor der Hansestadt mit 6,7 Kilogramm (Vorjahr: 7,4) liegen nun Schleswig-Holstein (7,1 Kilogramm) und Rheinland-Pfalz (6,9 Kilogramm).

Auch bei den in Deutschland beliebtesten Fischarten gab es einen Wechsel auf den oberen Rängen: Der Lachs liegt mit 18,0 Prozent Anteil am Verzehr zwar unverändert an der Spitze, knapp dahinter auf Rang zwei folgt nun aber der Alaska-Seelachs mit 17,4 Prozent. Er hat mit dem Thunfisch (13,3 Prozent) den Platz gewechselt. Der Hering (11,1 Prozent) und die Garnelen (8,7 Prozent) haben es ebenfalls in die Top 5 der meistverzehrten Arten geschafft.