Hamburg. Immer mehr Städter wollen ihr Gemüse selbst anbauen. Das Angebot ist vielfältig. Der große Abendblatt-Überblick mit Preisen.

Jörn Görlitzer zeigt stolz auf einen unscheinbaren grünen Busch, etwa kniehoch, der zwischen Möhren und Mangold auf seiner Parzelle wächst. „Das sind Physalis“, sagt der 63-Jährige mit der kleinen Brille auf der Nase. „Die machen sich hier super“, schwärmt der Hobby-Gärtner über das orangefarbene Obst aus Südamerika, eine Vitaminbombe, das sich offenbar nicht nur in Kolumbien, sondern auch in Kirchwerder wohlfühlt.

Jörn Görlitzer ist in der Blumenanbauregion im Süden der Hansestadt Mieter eines gut 40 Quadratmeter großen Landstücks im Erlebnisgarten Hamburg. Zusammen mit etlichen Gleichgesinnten, die sich an diesem heißen Sommertag mit Hacken und Gießkannen über die ausgetrocknete Erde hermachen.

Parzellen werden von Bauern vermietet

Denn auch wenn Jörn Görlitzer in Hamburgs City nahe des Chile-Hauses wohnt – er möchte wie die anderen Frauen und Männer auch als Städter nicht auf selbst angebautes Gemüse verzichten. „Vorher hatte ich nicht mehr damit zu tun als mit etwas Gemüse in einem Blumentopf im Wohnzimmer“, erinnert sich der ehemalige Sozialarbeiter an die Zeit vor fünf Jahren, als er im Erlebnisgarten einstieg.

Genau diese Zielgruppe haben mittlerweile etliche Bauern oder Gärtnereien im Blick, die Land gegen Miete abgeben. Die Kunden brauchen bei den Anbietern keine Vorkenntnisse, um Grünkohl und anderes Gemüse anzubauen. Bereits während der Pandemie hatte die Branche einen Wachstumsschub erlebt, sodass inzwischen gut zehn Betriebe rund um Hamburg Parzellen vermieten. Einige Anbieter stoßen bereits an ihre Grenzen und haben Wartelisten eingerichtet, so groß ist der Andrang. Bei den Ackerhelden etwa war die Saison 2022 im Spadenland und in Tangstedt komplett ausgebucht.

Inflation verstärkt den Trend

Schon vor Corona beförderten Themen wie Nachhaltigkeit, Wertschätzung für Lebensmittel und bewusste Ernährung den Trend. Dann sehnten sich die Menschen im Homeoffice, ohne Treffen mit Freunden, nach etwas Gemeinschaft – und diese fanden sie, mit anderen Gummistiefelträgern im Garten. Dazu kommt: „Viele unserer Mieterinnen und Mieter betrachten es als gelebten Klimaschutz, einen Sommer lang Gemüse in seiner gesündesten Form anzubauen, zu pflegen und zu ernten“, sagt Cornelia Brühl von der Demeter Gärtnerei Sannmann, die in Ochsenwerder Parzellen anbietet.

Inzwischen befördert noch eine weitere Entwicklung die Freude am eigenen Feld – die Inflation. „Viele der Leute, die bei uns wegen einer Parzelle anfragen, sprechen über die teureren Lebensmittel“, berichtet Susanne Drengemann, gemeinsam mit ihrem Mann Peter Kreipe Inhaberin des Erlebnisgartens Hamburg, über die Hoffnung der Kunden, mit dem Gemüseacker Geld zu sparen.

Gemüsegarten lohnt sich auch finanziell

Geschäftsführerin Wanda Ganders von „Meine Ernte“, die bundesweit Gärten vermieten, ist davon überzeugt, dass sich der Einsatz beim Eigenanbau finanziell lohnt: „Man erntet in jedem Fall den Wert, den man auch für den Gemüsegarten bezahlt und in den meisten Fällen deutlich mehr, bis zum zwei- und dreifachen, wenn man nachpflanzt“, sagt die Betriebswirtin über die Erträge. Wer sich einen Überblick verschaffen will über einige Mietgärten der Region und die Preise, findet hier Beispiele:

Erlebnisgarten Hamburg

Bei dem Blumenanbaubetrieb, den viele Hamburger von seinem Stand auf dem Markt am Goldbekufer kennen und der bereits vor zehn Jahren die Idee der Mietparzellen umsetzte, ist die Fläche nicht knapp. Daher sind weitere Hobbygärtner stets willkommen. „Wir wollten nicht alleine auf dem Acker stehen“, erinnert sich Susanne Drengemann an die Zeit der Gründung. Damals gehörte der Erlebnisgarten Hamburg zu den Pionieren in Sachen Mietäcker, deren Wurzeln in Österreich liegen, als Reaktion auf den Reaktorunfall in Tschernobyl.

Neben den oben genannten Physalis wachsen in derzeit 106 Parzellen Rote Bete, Mangold oder Grünkohl auf einem idyllischen Areal, das mit Ziegen, Meerschweinchen und Hühnern auch Familien mit Kindern einige schöne Stunden im Grünen verspricht. Eine Parzelle mit 43 Quadratmetern kostet pro Saison 199 Euro zum Selbstgießen oder 239 Euro mit Bewässerungsservice. Im Angebot ist auch eine kleine Relax-Parzelle für Faule. Auf dem gut 20 Quadratmeter kleinen Acker wachsen Tomaten, drei Sorten Kartoffeln, Kürbisse sowie Kräuter wie Schnittlauch, Rucola und Minze, die Bewässerung ist für 109 Euro inklusive.

Meine Ernte

Bei dem bundesweit tätigen Anbieter bewirtschaften rund 10.000 Menschen insgesamt 3500 Gemüsegärten. In Barsbüttel sind es 130 und in Norderstedt 170 Parzellen, in der Region ackern also ein paar Hundert Frauen und Männer an diesen beiden Standorten von „Meine Ernte“. Barsbüttel startete erst 2021 mit 85 Gärten, sagt Geschäftsführerin Wanda Ganders. „Und wir freuen uns sehr, wie gut das Projekt angelaufen ist und wie begeistert die Gemüsegärtner dort sind.“

Auch in Norderstedt ist das Projekt gewachsen, die Zahl der Gärten hat von 100 im Jahr 2020 auf derzeit 170 zugelegt. Bei „Meine Ernte“ kosten 45 Quadratmeter 229 Euro, die doppelte Größe 439 Euro. In Norderstedt sind zudem 20 Quadratmeter für 139 Euro zu mieten. Dafür erhalten die Gemüsegärtner die Erstbepflanzung, Wasser, Geräte und Beratung, Tipps und Tricks – über einen Newsletter, in der WhatsAppGruppe, per E-Mail oder vor Ort.

Bei Übernahme durch den Mieter hat der Landwirt den Garten bereits mit etwa 20 verschiedenen Kulturen bepflanzt, etwa vier Kohlköpfe, fünf Mangoldpflanzen, vier Salate, zwei Zucchini-, Kürbis- oder Gurkenpflanzen, 30 Radieschen oder Karotten.

„Wir empfehlen unseren Gärtnern mindestens einmal in der Woche, besser zweimal für gut eine Stunde vor Ort zu sein“, sagt die Chefin mit den dunklen Locken über den Aufwand fürs Gießen, Boden lockern oder Unkraut jäten. Doch sehr viele Mieter würden gerne deutlich mehr Zeit auf dem Feld verbringen, „sei es bei einem netten Plausch mit dem Gartennachbar oder wenn man sich sein geerntetes Gemüse direkt vor Ort schmecken lässt“.

Biogärten Sannmann

Der Anbieter hat von 100 Privatfeldern auf seiner Fläche am Ochsenwerder Norderdeich derzeit noch 15 Parzellen frei. „In der Regel sind wir ausgebucht“, sagt Cornelia Brühl von der Demeter Gärtnerei Sannmann. Nach zwei Corona-Jahren seien in diesem Sommer allerdings viele Menschen verreist.

Die Mieter kämen überwiegend aus dem Hamburger Stadtgebiet, etwa aus Altona, Eimsbüttel, Barmbek oder Horn, davon seien in jeder Saison etwa 60 Prozent Stammkunden und 40 Prozent neue Kunden. Eine 45-Quadratmeter-Parzelle kostet derzeit 289 Euro, für die Saison von Mai bis November. „In dem Preis inbegriffen sind das Vorpflanzen mit 15 Gemüsesorten durch uns, eine vielfältige Auswahl an Jungpflanzen in Demeter-Qualität während der gesamten Saison für die freien Reihen in der Parzelle, eine persönliche Gartenberatung vor Ort und ein wöchentlicher Newsletter mit Informationen zum Thema ,Pflanzen, pflegen, ernten‘“, sagt Cornelia Brühl. Die erforder­lichen Gartengeräte werden vorgehalten.

„Die Ernte fällt sehr reichhaltig aus“, sagt die Gartenberaterin. Einige Mieterinnen führten sehr genau Buch darüber, wie viel sie ernten. „In der Regel erwirtschaftet man bei einem Preis von 289 Euro Biogemüse in Demeter-Qualität im Wert von 650 bis 700 Euro“, konkretisiert Cornelia Brühl.

Saisongarten Ramcke

In dem Areal nahe des Niendorfer Geheges sind derzeit rund 350 Äcker vermietet. „Hinter jeder Parzelle steht jedoch nicht nur eine Person“, sagt Gründer Christoph Ramcke. „Die meisten Parzellen werden zu zweit oder als WG zu dritt oder von Familien bewirtschaftet.“ Angefangen hat der Saisongarten vor knapp zehn Jahren mit etwa 66 Parzellen – und die Zahlen sind seitdem jedes Jahr stetig gestiegen.

„Der Wunsch nach dem eigenen Gemüseanbau ist in den letzten zwei Jahren gestiegen, sodass wir auch eine Warteliste haben und nicht allen den Wunsch erfüllen konnten“, ergänzt Christoph Ramcke über seine Mietäcker, die 129 Euro für 40 Quadratmeter kosten und 219 Euro für die doppelte Fläche.