Hamburg. Steuern und niedrige Freibeträge können zur Falle werden. Und auch weitere Kosten sind nicht zu unterschätzen.
Ein Immobilienerbe in Hamburg ist immer ein Glücksfall – das denken zumindest viele. Doch bei genauer Betrachtung kann das Erbe teuer werden. Denn anders als ein Lottogewinn muss das Erbe versteuert werden. Die Freibeträge der Kinder reichen nicht einmal mehr für ein Mittelreihenhaus. Denn gemessen am Durchschnittswert einer solchen Immobilie von aktuell 583.000 Euro war die letzte Möglichkeit des steuerfreien Vererbens dafür im Jahr 2018, wie eine Analyse des Abendblatts anhand der durchschnittlichen Verkaufspreise aus den Jahresberichten des Gutachterausschusses Hamburg zeigt.
Damals lag der Wert des Mittelreihenhauses bei 389.000 Euro, also knapp unter dem Freibetrag von 400.000 Euro pro Kind. Für das frei stehende Einfamilienhaus mit einem Durchschnittswert von 1,2 Millionen Euro lief die Frist des steuerfreien Vererbens schon vor mehr als zehn Jahren ab. Wie kann man jetzt noch reagieren? Wie groß wird die Steuerlast? Ist eine Steuerbefreiung möglich? Müssen Erben auch Grunderwerbsteuer zahlen? Was ist mit Renovierungen? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Immobilien Hamburg: Welche Steuerbelastung droht jetzt?
Schon das Mittelreihenhaus kann zum Problem werden. Seit 2009 ist der Wert um 176 Prozent gestiegen. Das Jahr 2009 als Vergleichsbasis wurde nicht zufällig gewählt. Die Freibeträge der Erbschaftsteuer wurden seit diesem Zeitpunkt nicht mehr angepasst. Erbt im Beispielfall (583.000 Euro) ein Kind ein Reihenhaus, müssen 183.000 versteuert werden, da der Freibetrag von 400.000 Euro überschritten wird. Zwar fallen Kinder in die günstigste Steuerklasse I bei der Erbschaftsteuer (s. Tabelle), aber es würden dennoch elf Prozent auf 183.000 Euro fällig, sofern nicht noch andere Vermögenswerte hinzukommen.
An den Fiskus müssen dann 20.130 Euro überwiesen werden. Noch gravierender fällt die Rechnung beim frei stehenden Einfamilienhaus aus, dessen Wert sich seit 2009 auf gut 1,2 Millionen Euro im Schnitt verdreifacht hat. Nach Abzug des Freibetrages müssen immer noch 823.000 Euro versteuert werden, was zu einer Steuerbelastung von rund 156.400 Euro führt. Bei zwei Kindern als Erben kann jedes den Freibetrag nutzen, aber es bliebe pro Kind immer noch eine Steuerlast von rund 23.300 Euro. Eine teure Hypothek für die Erben.
Werden die Freibeträge erhöht?
Die Union macht sich für höhere Freibeträge stark. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) fordert vom Bund sowohl eine Erhöhung der Freibeträge als auch eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer. In München sind die Auswirkungen aufgrund der höheren Immobilienwerte noch gravierender als in Hamburg. Doch von der Ampel-Regierung ist keine Erhöhung der Freibeträge zu erwarten, geht aus einer Antwort auf eine Anfrage der CSU-Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler hervor.
Wie kann man reagieren?
Sofern der Erbfall nicht eingetreten ist und beide Elternteile noch leben, sollten sie zunächst an sich denken und das Erbe für die Kinder taktisch klug vorbereiten. „Die tatsächlichen Werte viele Immobilien liegen noch viel höher“, weiß Thomas Krüger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in der Kanzlei Schomerus aus seiner Beratungstätigkeit. „Viele ältere Immobilienbesitzer müssen sich unbedingt mit dem Thema beschäftigen, sonst drohen ihren Erben hohe Steuerbelastungen.“
Das betrifft vor allem Ehepaare in denen nur ein Partner Besitzer der Immobilie ist. Dann reichen die Freibeträge nicht mehr aus. „Als erster Schritt sollte dem anderen Ehepartner die Hälfte der Immobilie übertragen werden“, sagt Krüger. „Denn Ehegatten und eingetragene Lebenspartner haben die Möglichkeit das selbst genutzte Wohneigentum ganz oder in Teilen auf den anderen Ehegatten zu übertragen, ohne dass dessen persönlicher Freibetrag angegriffen wird.“ Damit fällt unabhängig vom Wert keine Schenkungssteuer an. Zusätzlicher Effekt: Durch die Schenkung verdoppeln sich die Freibeträge für die Kinder, da beide Partner sie nutzen können.
In weiteren Schritten kann dann überlegt werden, die Immobilie in einem oder mehreren Schritten im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge auf das Kind zu übertragen. Freibeträge bei Schenkung und Erbe sind gleich. Verschenken gegenüber Vererben zahlt sich allerdings zusätzlich aus: Nach zehn Jahren können die Freibeträge erneut genutzt werden. Gerade bei Immobilien, deren Werte inzwischen oft deutlich über den Freibeträgen liegen, kann es sich deshalb lohnen, Anteile sukzessive zu übertragen.
Wie kann man das bei einem Einfamilienhaus umsetzen?
Am besten lässt sich das mit der Salamitaktik verwirklichen. Wenn der Ehemann Alleineigentümer der Immobilie ist, überträgt er seiner Frau die Hälfte. Beide besitzen dann einen Immobilienwert von 611.500 Euro, weil das Einfamilienhaus einen Wert von 1.223.000 hat. Ein halbes Jahr später schenkt jedes Elternteil den beiden Kindern jeweils einen Anteil von 400.000 Euro an der Immobilie. Bei den Eltern verbleibt lediglich ein Anteil von jeweils 211.500 Euro.
Müssen Eltern dann aus der Immobilie ausziehen?
Natürlich sollen die Eltern nicht aus der Immobilie ausziehen. Schenkungen von Immobilien müssen notariell beurkundet werden. „Damit sind auch Nutzungsrechte der Eltern gut abgesichert“, sagt Fachanwalt Krüger. „Das Nießbrauchrecht ist umfassender als das Wohnrecht und ermöglicht auch eine Vermietung der Immobilie.“ Bei einem lebenslangen Wohnrecht sind die Kinder als neue Eigentümer verpflichtet, die Instandhaltung der Immobilie zu übernehmen. Anders als beim Nießbrauch verfügen die Kinder über entsprechende Mieteinnahmen, um die Kosten für die Instandhaltung zu übernehmen.
Ob also Wohnrecht oder Nießbrauch, hängt auch davon ab, in welcher finanziellen Lage die Eltern sind und was sie mit der Schenkung erreichen wollen. Droht der Umzug in ein Pflegeheim, kann ein Nießbrauchrecht vorteilhafter sein, weil dann das Haus vermietet werden kann und die Mieteinnahmen von den Eltern für die Pflegekosten genutzt werden können. Nießbrauch hat noch einen weiteren Vorteil: Denn dieses Nutzungsrecht senkt den steuerlichen Wert der Immobilie erheblich.
Muss beim Immobilienerbe Grunderwerbsteuer gezahlt werden?
Grundsätzlich gilt: Bei der Erbschaft einer Immobilie durch ein Familienmitglied wird keine Grunderwerbsteuer erhoben. Das gilt auch in komplizierteren Fällen, in denen ein oder mehrere Miterben die Immobilie übernehmen und am Ende sie aber nur ein Erbe besitzt, weil die anderen Erben Ausgleichzahlungen erhalten haben. Auch im zweiten Schritt beim Übertrag der Anteile der Miterben wird keine Grunderwerbsteuer fällig.
Können Kinder eine Immobilie steuerfrei erben?
Ja, es gibt eine Ausnahme, die allerdings an Bedingungen geknüpft ist. Das Elternhaus darf nicht größer als 200 Quadratmeter sein, und der Erbe muss zehn Jahre in der Immobilie wohnen. Das Familienhaus muss innerhalb von sechs Monaten nach der Erbschaft bezogen werden. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, werden auch keine Steuern fällig, wenn der Freibetrag überschritten ist.
Aber es drohen andere Ausgaben?
Wenn es Miterben gibt, müssen sie ausgezahlt werden. Sofern das Haus schuldenfrei ist, kann eine Hypothek aufgenommen werden. In den meisten Fällen werden sich aber weitere finanzielle Belastungen aus der Modernisierung des Gebäudes ergeben. Angenommen, eine alte Ölheizung soll durch eine Pelletheizung ersetzt werden, so können dafür 40.000 Euro fällig werden, wie das Beratungsunternehmen Caala ermittelte. Neue Fenster mit dreifacher Wärmeschutzverglasung kosten rund 52.000 Euro, um nur einige Beispiele zu nennen. Bereits jetzt ist bei einem Eigentümerwechsel von Bestandsimmobilien eine energetische Sanierung vorgeschrieben. Das gilt auch für Erben. Sie haben zwei Jahre Zeit, die wesentlichsten Sanierungspflichten zu erfüllen.
Die Heizung muss ausgetauscht werden, wenn sie älter als 30 Jahre ist und nicht auf Nieder- oder Brennwerttechnik beruht. Mindestens muss die oberste Geschossdecke gedämmt werden, ebenso ungedämmte Heizungs- und Warmwasserrohre in nicht beheizten Räumen. Wer eine Immobilie übernimmt, muss auch künftig mit strengen staatlichen Auflagen rechnen, wenn es um die Modernisierung geht. Ab 2024 dürfen keine konventionellen Gasheizungen mehr eingebaut werden. Ab 2025 muss in Hamburg eine Fotovoltaikanlage aufs Dach, wenn es neu eingedeckt wird.
Immobilien Hamburg: Lohnt ein Abwarten?
Wenn sich mehrere Erben nicht gleich einigen können, was mit der Immobilie passiert, wird erst einmal abgewartet. Bisher war diese Strategie in Hamburg und dem Umland nicht mit großen Nachteilen verbunden, weil die Immobilienpreise stetig gestiegen sind. Doch damit ist es vorbei, Das Immobilienportal McMakler ermittelte einen Rückgang der Immobilienpreise in Hamburg im zweiten Quartal um 2,2 Prozent, verglichen mit dem Vorquartal. Experten rechnen damit, dass jetzt verstärkt ältere Immobilien auf den Markt kommen werden, weil die Eigentümer die Sanierungsauflagen fürchten.
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„Wird das Haus vorübergehend nicht genutzt, sollte man mit Zeitschaltuhren ein Bewohnen vortäuschen, um Einbrüchen oder illegalem Übernachten vorzubeugen“, sagt Karl-Heinz-Schneider vom Verband Privater Bauherren in Hamburg. Im Inneren kann auch eine Web-Kamera installiert werden. „Auch wenn die Häuser leer stehen, müssen sie beheizt und regelmäßig inspiziert werden“, sagt Schneider. „Länger als einen Winter sollte ein Haus nicht ungenutzt bleiben, um Schäden zu vermeiden.“ Ohnehin sollte man wie bei einem Kauf das Haus mit einem Sachverständigen besichtigen, um Mängel aufzudecken. Auch die Wohngebäudeversicherung muss über den Leerstand informiert werden. Sonst droht im Schadenfall Leistungsverweigerung.