Hamburg. Online-Brillenhändler stellt nach Entlassungen und Filialschließungen „alles auf den Prüfstand“. Gesellschafter zieht sich zurück.

In den weißen Regalbrettern liegen die Brillengestelle nach Marken sortiert. Ein Kunde klickt sich an einem Tablet durch das Sortiment, vor einem Spiegel probiert eine Frau eine neue Sonnenbrille. Auf den ersten Blick läuft das Geschäft bei Edel Optics wie gewohnt. Im hinteren Bereich der Verkaufsräume am Ballindamm öffnet sich eine Automatiktür und ein kleiner Roboter fährt mit einer Auswahl weiterer Modelle aus dem Lager zu einem der Beratungsplätze.

„Brillenbutler“ nennen sie ihn bei dem Hamburger Augenoptiker. Draußen vor der Tür hält ein Taxi, Geschäftsführer Dennis Martens kommt aus der Firmenzentrale am Nobistor zum Interviewtermin mit dem Hamburger Abendblatt in die Vorzeigefiliale an der Binnenalster.

Augenoptiker Edel Optics: Entlassungen und Schließungen

Die Anspannung ist dem 45-Jährigen anzusehen, als er mit einer Aktenmappe unter dem Arm durch die Tür kommt. Die vergangenen Wochen waren die wohl schwierigsten in seinem Leben als Chef von Edel Optics. Das Unternehmen ist wirtschaftlich massiv unter Druck. Entlassungswelle und Filialschließungen haben für Schlagzeilen gesorgt.

Wie ernst steht es? „Wir können so nicht mehr weitermachen. Wir müssen dringend etwas tun“, sagt Martens, der das Unternehmen 2009 mit dem Hamburger Investor Tomislav Karajica gegründet hat. Konkreter wird er nicht, wenn es um Umsatzverluste und Jahresfehlbeträge geht. „Wir haben in den vergangenen Jahren an allen Fronten für unsere Brillen geworben und sehr viel in Marketing investiert, aber am Ende zu wenig verdient.“

Edel Optics: Sparen statt wachsen

Deswegen hat der Brillenhändler mit Schwerpunkt im Onlinegeschäft jetzt eine Kehrtwende eingeleitet. Statt weiter im Turbotempo wachsen zu wollen, wird eisern gespart. „Erst mal müssen wir auf eine solide Basis kommen, dann starten wir wieder durch“, gibt sich der Betriebswirt Dennis Martens zuversichtlich. Der „Neustart“ sei finanziell abgesichert. „Unser Ziel ist, bis 2023 profitabel zu werden.“ Wie groß der Handlungsdruck ist, hatte sich Ende Juni gezeigt. Fast jeder dritte der knapp 100 Beschäftigten verlor seinen Arbeitsplatz bei Edel Optics. Betroffen sind alle Bereiche, vom Marketing bis zum Lager. Auch zwei Geschäftsführer mussten die Firma verlassen (das Abendblatt berichtete).

„Die Reduzierung der Kosten ist der erste Schritt“, sagt Martens, der die Firma jetzt allein leitet. So richtig bemerkbar wird sich das auf der Ausgabenseite allerdings erst in den nächsten Monaten machen, wenn alle Kündigungsfristen abgelaufen sind. Zudem wurden zwei der fünf Filialen geschlossen, nachdem dort die Mietverträge ausgelaufen waren. „Die Läden spielen eine ungünstige Rolle bei den Kosten“, sagt der Edel-Optics-Chef etwas umständlich. Im Klartext: Bei Jahresumsätzen von knapp einer Million Euro pro Filiale lohnen sich Miete und Personalkosten nicht.

Mit Beginn von Corona brechen Umsätze ein

Als weitere Maßnahme stellt Edel Optics das defizitäre Marketing im Internet ein. Ob das auch die Kooperationen mit Prominenten wie Sylvie Meis, Guido Maria Kretschmer oder Dieter Bohlen betrifft, die mit eigenen Brillenkollektionen die Bekanntheit des Markennamens in der Vergangenheit deutlich gepusht haben, bleibt offen. „Wir haben laufende Verträge“, sagt Geschäftsführer Martens. Die Zusammenarbeit mit Fußballprofi Jérôme Boateng ist inzwischen beendet – einvernehmlich, wie es heißt. Das gilt auch für den Hamburger Rapper Sammy Deluxe, mit dem Edel Optics für die eigene Brillenmarke vooy einige Modelle zusammen herausgebracht hatte.

Nach starken Wachstumsjahren waren die Umsätze des Optikers mit Beginn der Corona-Pandemie eingebrochen. „Die Kunden haben online weniger bestellt und sind nicht mehr in unsere Filialen gekommen“, sagt Geschäftsführer Martens. Zudem habe der Augenoptiker, der in besten Zeiten 130 Beschäftigte hatte, unter den weltweiten Lieferschwierigkeiten gelitten. Edel Optics, auf den Verkauf von Markenbrillen zu günstigen Preisen spezialisiert, hat nach einigen Angaben ein Sortiment von 60.000 Brillenmodellen, von denen 25.000 direkt verfügbar sein sollen. „Wir hatten Probleme, die richtigen Brillen da zu haben“, sagt Martens.

2021: Fehlbetrag von circa acht Millionen Euro

Schon im Frühjahr 2020 haben sich erste Probleme abgezeichnet. Ein wichtiges Darlehen zur Absicherung der Lagerbestände war geplatzt, staatliche Förderung bekam das Unternehmen nicht. Trotzdem eröffnete Edel Optics im ersten Corona-Herbst die Filiale am Ballindamm samt einer Boutique mit Brillengestellen zu Preisen von mehreren Tausend Euro. Investitionsvolumen: drei Millionen Euro. Zwar erzielte der Online-Optiker im Jahr 2020 einen Netto-Jahresumsatz (nach Retouren) von knapp 28 Millionen Euro. Zugleich weist der letzte im Bundesanzeiger veröffentlichte Firmenabschluss für 2020 einen ungedeckten Fehlbetrag von nahezu acht Millionen Euro aus. 2021 betrug der Netto-Umsatz nach Firmenangaben knapp 29 Millionen Euro.

Der Brillenmarkt in Deutschland ist hart umkämpft. Bislang wird das Geschäft mit einem Gesamtumsatz von gut 6,5 Milliarden Euro weiterhin vor allem über den klassischen Fachhandel abgewickelt. Nach Rückgängen im Jahr 2020 meldete der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen für das vergangene Jahr wieder eine leichte Aufwärtsbewegung um ein Prozent über dem Vor-Corona-Niveau. Trotz leichter Zuwächse liegt der Anteil des reinen Onlineverkaufs bei Korrektionsbrillen weiterhin gerade mal bei einem Anteil von gut zwei Prozent.

Edel Optics: Zukunft ungewiss

Dem sogenannten Multichannel-Vertrieb ist demnach ein Volumen von neun Prozent zuzuordnen. Vormals reine Online-Unternehmen gehen dabei vermehrt dazu über, mit Partner-Augenoptikbetrieben vor Ort zusammenzuarbeiten, oder eröffnen zusätzlich eigene Geschäfte. So hat etwa das börsenorientierte Berliner Unternehmen Mister Spex die stationäre Präsenz in den vergangenen Jahren auf inzwischen 60 Standorte ausgebaut.

Welche Auswirkungen die aktuelle wirtschaftliche Situation, in der die Kauflaune durch stark steigende Preise sowie den Ukraine-Krieg sinkt, auf die Optiker hat, lässt sich noch nicht sagen. So richtig gut sieht es nicht aus. Marktführer Fielmann hat nach einem Einbruch der Gewinnmarge für das erste Halbjahr 2022 gerade ein Kostensenkungsprogramm verkündet. Auch Edel Optics hat laut Martens in diesem Jahr erneut massiv Umsatz eingebüßt. Seit der Gründung vor 13 Jahren hat der Händler 3,3 Millionen Brillen verkauft.

Mehrheitsgesellschafter hat alle Anteile abgegeben

Die wichtigste Produktkategorie sind Marken-Sonnenbrillen. Deutlich mehr lässt sich allerdings mit teuren Gleitsichtbrillen verdienen, die der Optiker inzwischen auch online anbietet. Zahlen dazu werden nicht genannt. Noch sei man am Anfang, sagt Geschäftsführer Martens. Er setzt für die Zukunft vor allem auf die hochautomatisierten, computergesteuerten Geschäftsbereiche. „Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken“, sagt Martens und will künftig so deutlich mehr Brillen online verkaufen als bislang.

Der Kurswechsel bei Edel Optics fällt zeitlich mit einer Veränderung in der Gesellschafterstruktur zusammen. Ende Juni hat Rolf Elgeti mit seiner Obotritia GmbH alle Anteile abgegeben. Der Immobilienunternehmer und Risikokapitalgeber mit verzweigtem Firmenimperium war seit 2017 Mehrheitseigner des Online-Brillenhändlers. Zu den Gründen für den Ausstieg machte Obotritia auf Abendblatt-Nachfrage keine Angaben. Die Anteile wurden von den Gründern, Dennis Martens und Tomislav Karajica, übernommen. In Zukunft sei aber denkbar, dass der Gesellschafterkreis für den weiteren Weg auch wieder erweitert wird, heißt es bei Edel Optics.

Dabei haben sich in der Vergangenheit im Hintergrund diverse Geschäftsverbindungen gekreuzt. Der Rostocker Rolf Elgeti ist ein Geschäftspartner des gut vernetzten Hamburger Geschäftsmanns Karajica und seiner Think United Group. Unter dem Dach ist unter anderem die Firma Home United, die Karajica mit Elgeti gegründet hatte. Auch das Co-Working-Gebäude Hamburger Ding auf St. Pauli gehört dazu, in dem Edel Optics ein wichtiger Mieter ist. Karajica, der auch als Mitbetreiber des Fernsehturms in den Startlöchern steht, ist zudem seit dem Jahr 2014 Hauptgesellschafter der in der Bundesliga spielenden Profi-Basketballmannschaft Hamburg Towers (künftig wohl Veolia Towers) und plant unter anderem den Bau der Mehrzweckhalle Elbdome für bis zu 8000 Zuschauer an den Hamburger Elbbrücken. Partner: Rolf Elgeti.

Aktuell spielen die Towers in ihrer Heimspielstätte in Wilhelmsburg, die seit 2017 edel-optics.de Arena heißt. Bei Fragen zur Zukunft dieser Zusammenarbeit ist Edel-Optics-Chef Martens betont zurückhaltend. Der Vertrag über die Namensrechte für die Arena der Profi-Basketballer laufe noch bis Ende 2022. Man schaue sich die Optionen an, sagt Martens. „Alles steht auf dem Prüfstand.“