Hamburg. Optiker eröffnet neuen Standort am Ballindamm und will im ersten Halbjahr 2021 Gleitsichtbrillen online verkaufen.
Ganz schön edel, dieser Laden. Viel Kupfer, schwarzer Marmorboden und jede Menge Luxusbrillen hinter Glas. Nach monatelanger Bauzeit hat der Hamburger Optiker Edel-Optics mitten in der Corona-Krise einen neuen Standort in der Hamburger Innenstadt eröffnet. Eigentlich sind es sogar zwei. Erstmals gibt es neben dem Geschäftsraum im Edel-Optics-Design eine Boutique mit separatem Eingang. Hier tragen die Optiker weiße Handschuhe. Eine Brillenfassung kann schon mal 5000 Euro kosten. „Es ist ein kleiner exklusiver Laden“, sagt Geschäftsführer Dennis Martens. „Aber dahinter verbirgt sich die ganze Tiefe unseres Onlinesortiments.“ Mehr als 30.000 unterschiedliche Brillen lagern im integrierten Logistikzentrum direkt hinter den Geschäftsräumen.
Gemeinsam mit Michael Busch, seit einigen Monaten zweiter Geschäftsführer bei Edel-Optics, ist Dennis Martens an diesem Novembervormittag aus der Firmenzentrale am Nobistor an den Ballindamm gekommen. „Commercial-Bereich“ nennen sie diesen Bereich des neuen Flagship-Stores. Mit reduziertem Design und viel Technik ist er so etwas wie der Gegenpart zur Boutique. Eine Auswahl an Brillen wird auf weißen Regalbrettern präsentiert.
Unternehmen treibt die Expansion im stationären Handel voran
Auf den Tischen ist gut ein Dutzend Tablets installiert, über die Kunden sich selbst durch das Sortiment klicken können. Die ausgewählten Modelle werden über einen Leuchtpunkt im Regal angezeigt oder direkt aus dem Lager angefordert. Dann kommt wenige Minuten später ein kleiner Roboter um die Ecke gefahren, der die Auswahl bringt. Ein Novum in der Branche. „Wir sind das einzige Optikerfachgeschäft, in dem man wählen kann, ob man sich von einem Optiker oder von einem unserer Brillenbutler bedienen lassen möchte“, heißt es bei Edel-Optics. Personal solle damit aber nicht eingespart werden.
Edel-Optics war 2009 als reiner Online-Brillenhändler gestartet. Dennis Martens hatte das Unternehmen mit dem Hamburger Projektentwickler und Investor Tomislav Karajica (Imvest Gruppe) gegründet, den er aus der gemeinsamen Schulzeit kannte. Inzwischen hat Edel-Optics mehr als 1,5 Millionen Brillen in 120 Länder verschickt. Seit einigen Jahren treibt das Unternehmen auch die Expansion im stationären Handel voran und hat Filialen im Alstertal-Einkaufszentrum, in Ottensen, im Einkaufszentrum Hamburger Meile und im niedersächsischen Buxtehude eröffnet. „Unser Ziel ist es, digitale Angebote und stationären Service zu vernetzen, um den Kunden den größtmöglichen Mehrwert zu bieten“, erklärt Geschäftsführer Martens den Strategiewechsel.
Hochmoderner Lagerroboter
In den Standort am Ballindamm hat Edel-Optics drei Millionen Euro investiert. Dabei befindet sich das Herzstück für die Kunden unsichtbar im hinteren Teil des Gebäudes. Auf insgesamt 700 Quadratmetern betreibt Edel-Optics von hier ab sofort die gesamte Logistik für das Onlinegeschäft. Auf mehr als 200 Regalmetern lagern 250.000 Artikel. „Hier wird in den nächsten Monaten noch ein hochmoderner Lagerroboter eingebaut, der die Abläufe automatisiert“, sagt der 39 Jahre alte Co-Geschäftsführer Busch, der von der Hamburger Media-Agentur Carat kommt.
Edel-Optics setzt weiter auf Expansion. 2019 lag der Umsatz bei 23 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte der Erlöse erwirtschaftet Edel-Optics im Ausland. Für den April 2020 hatte das Unternehmen mit 130 Mitarbeitern ein Umsatzplus von 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gemeldet. Geschäftsführer Martens hatte damals einen Jahresumsatz von 40 Millionen Euro für 2020 prognostiziert. Jetzt musste der Brillenhändler seine optimistische Wachstumsprognose allerdings korrigieren. „Lieferengpässe haben das Geschäft belastet“, erklärt Martens. Weitere Angaben machte er nicht.
Brillenmarkt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel
Der Brillenmarkt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Bislang läuft das Geschäft in dem Markt mit einem Jahresumsatz von knapp 6,5 Milliarden Euro vor allem über Fachhändler. Nach Angaben des Zentralverbands der Augenoptiker und Optometristen lag der reine Online-Umsatz 2019 gerade mal bei zwei Prozent (250.000 Korrektionsbrillen). Dem Multichannel-Bereich sind demnach neun Prozent (1,05 Millionen Brillen) zuzuordnen. Auch wenn die Optiker vergleichsweise gut durch die Corona-Krise kommen, wird die Digitalisierung immer wichtiger für Zukunftsfähigkeit der Unternehmen.
Corona-Krise: Hamburg ändert die Strategie
So setzt auch Deutschlands führende Optikerkette Fielmann, die mit mehr als 600 Filialen in Deutschland jede zweite Brille verkauft und rund 1,8 Milliarden Euro Umsatz macht (2019), inzwischen offensiv auf das Onlinegeschäft. Im Juni hatte der Marktführer an der Mönckebergstraße eine neue Filiale mit viel Hightech eröffnet. Kunden können Brillen dort virtuell vor einem interaktiven Monitor anprobieren und haben so Zugriff auf mehr als 100.000 Fassungen. Noch 2020, so Vorstandschef Marc Fielmann, will das Unternehmen erstmals Brillen mit einfachen Korrekturgläsern online verkaufen. Möglich ist das bereits für Sonnenbrillen. Auch Verfahren für Online-Sehtests sowie eine Technik für eine virtuelle Brillenanprobe, bei denen die Kunden mit hohen Sehstärken ihre Sehhilfe nicht mehr abnehmen müssen, stehen kurz vor der Einführung.
Lukratives Geschäft mit teuren Gleitsichtbrillen geht an reinen Onlinehändlern vorbei
Auf der anderen Seite sind bisherige Onlinehändler wie Mister Spex oder Edel-Optics verstärkt im stationären Handel unterwegs. „Wir erreichen mit einem reinen Onlinekonzept nicht alle Kunden“, sagt Edel-Optics-Geschäftsführer Martens. Vor allem das lukrative Geschäft mit teuren Gleitsichtbrillen geht derzeit an reinen Onlinehändlern vorbei. Trotzdem sieht Martens „einen Riesenmarkt“. Immer mehr Menschen seien bereit, auch Korrektionsbrillen online zu bestellen.
„Das Wachstum in dem Segment ist 2020 doppelt so hoch wie bei Sonnenbrillen und liegt im zweistelligen Prozentbereich“, sagt der 44-Jährige. Auch am Onlineverkauf von Gleitsichtbrillen arbeitet das Unternehmen. Im ersten Halbjahr 2021 soll es seinen Angaben zufolge so weit sein. Ein ehrgeiziges Vorhaben. Bislang haben auch große Optiker noch keine digitalen Lösungen für die fachgerechte Anpassung.
Die Eröffnungsparty am Ballindamm musste ausfallen
In den vergangenen Jahren hat Edel-Optics mit niedrigen Preisen für Markenbrillen gepunktet, außerdem haben Kooperationen mit Prominenten wie Jérôme Boateng, Guido Maria Kretschmer, Sylvie Meis und Dieter Bohlen zur Bekanntheit des Namens beigetragen. Zum Start der eigenen Brillenmarke vooy (steht für: Vision of the other you) brachte Edel-Optics mehrere Brillenmodelle mit dem Hamburger Rapper Sammy Deluxe heraus. Der Clou: Die Brillen gibt es immer nur im Doppelpakt, zusammen für 120 Euro. „Wir sind überzeugt, dass eine Brille im Leben nicht reicht“, sagt Michael Busch.
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Bekannt geworden ist Edel-Optics noch über einen weiteren clevern Marketingcoup, der erst mal gar nichts mit der Optikerbranche zu tun hat. Seit einiger Zeit ist der Brillenhändler Sponsor der Hamburger Profi-Basketballmannschaft Hamburg Towers. Im Mai 2017 übernahm das Unternehmen die Namensrechte an der Heimspielstätte der Towers, der ehemaligen Inselparkhalle in Wilhelmsburg, die seitdem edel-optics.de Arena heißt. Die Verbindung kommt über Gründer Tomislav Karajica, der 2014 bei den Hamburg Towers eingestiegen war.
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Der gut vernetzte Geschäftsmann ist wie Geschäftsführer Dennis Martens weiterhin Minderheitsgesellschafter bei Edel-Optics. Die Mehrheit der Anteile hält inzwischen die Beteiligungsgesellschaft Hevella Capital mit Sitz in Potsdam. Wobei sich im Hintergrund unterschiedliche Geschäftsverbindungen kreuzen. Hevella-Geschäftsführer Rolf von Elgeti und Karajica haben gemeinsam die United Management GmbH gegründet, die unter anderem mit Plänen für eine privat finanzierte Mehrzweckhalle für insgesamt bis zu 8000 Zuschauer an den Hamburger Elbbrücken Schlagzeilen macht.
Die große Eröffnungsparty für den neuen Edel-Optics-Laden am Ballindamm ist coronabedingt ausgefallen. Jetzt muss man sehen, wie sich das Geschäft während des Lockdowns entwickelt. „Wir haben unsere Erwartungen angepasst“, sagt Geschäftsführer Martens. Vergleiche mit etablierten Konkurrenten in der direkten Nachbarschaft in der Hamburger City wie Fielmann oder demnächst auch Bode, scheut der Digitalmanager nicht. Gerade hat auch die Berliner Brillenmarke MyKita am Neuen Wall ein Fachgeschäft eröffnet. „Ich gucke aus unserer Brille“, sagt Dennis Martens. „Unser Konzept ist, dass wir günstiger sind und der Kauf Spaß macht. Brillen sind längst nicht mehr nur Sehhilfen, sondern modische Accessoires.“