Hamburg. In der ganzen Stadt sind Preissenkungen von bis zu 70 Prozent zu beobachten. Wieso Kunden trotzdem ganz genau hinschauen sollten.
Gefühlt sind die Preise seit Wochen im Sinkflug. Überall in den Schaufenstern in der Hamburger Innenstadt hängen Plakate für günstige Angebote. Sommerkleider, Shorts und Bademoden, vieles ist heruntergesetzt. Bei Galeria in der Mönckebergstraße gibt es bis zu 50 Prozent Rabatt. Wer zwei reduzierte Teile aus den Bereichen Mode, Sport oder Schuhe kauft, bekommt noch mal 25 Prozent Preisnachlass.
Ganz ähnlich das Bild in der Europa Passage. Kaum ein Laden in dem großen Einkaufszentrum am Ballindamm, der nicht reduziert hat. Teilweise zahlen Schnäppchenjäger bis zu 70 Prozent weniger auf ausgewählte Artikel. Selbst Juwelier Christ lockt mit „minus 60 Prozent auf Topmarken“. Wenn um einen herum alles teurer wird, eine gute Gelegenheit, möchte man meinen.
Einzelhandel Hamburg: Sommerschlussverkauf war mal
Allerdings lohnt es sich, ein bisschen genauer hinzuschauen. In früheren Jahren hat der Einzelhandel in der letzten Juliwoche die finale Reduzierungsphase für Sommerwaren in den Geschäften und zunehmend auch im Internet ausgerufen – auch wenn es den Sommerschlussverkauf streng genommen schon seit 2014 nicht mehr gibt.
Damals war die gesetzliche Grundlage für die Preisschlacht zum Saisonende aufgehoben worden. Viele Geschäfte haben aber freiwillig an der Tradition festgehalten, um Platz und Geld für neue Waren zu schaffen und weil die Kunden es gewöhnt waren. Nach zwei Corona-Jahren ist alles ein bisschen anders.
Nicht alle Händler machen Rabatte mit
Vor allem bei den großen Handelsketten ist praktisch immer Sale. Allerdings ist das, was im Moment mit hohen Rabatten angeboten wird, teilweise der Rest früherer Kollektionen, die wegen der langen Lockdowns 2020 und 2021 wie Blei in den Regalen liegen. Dagegen ist die aktuelle Sommerware insbesondere in Fachgeschäften gut verkauft worden.
Die Lager sind leerer als in den Vorjahren, auch weil teilweise zurückhaltender geordert wurde und Lieferschwierigkeiten das Angebot im Markt reduzieren. Der Handelsverband Textil, Schuhe und Lederwaren rechnet daher mit einer uneinheitlichen Beteiligung des Handels am Schlussverkauf. „Es ist zu erwarten, dass sich manche Händler Ende Juli mit umfangreichen Preisaktionen zurückhalten werden“, sagt Branchensprecher Axel Augustin.
Hutgeschäft macht klassischen Schlussverkauf
Eine, die ihre Kunden noch ganz traditionell zum Schlussverkauf in ihr Hutfachgeschäft in Rathausnähe einlädt, ist Sabine Falkenhagen. Reduziert sind bei ihr ausschließlich Saisonware, wie Sonnenhüte oder Schirmkappen, und Einzelstücke. „Ich habe in diesem Jahr nicht viel für den Sale“, sagt die Einzelhändlerin. Vor allem in Mai und Juni habe sie gut verkauft, bis zu 25 Prozent mehr als in beiden vergangenen Jahren.
Selbst im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit liegen die Umsätze des mehr als 100 Jahre alten Familienbetriebs mit 15 Prozent im Plus. „Der Nachholbedarf macht sich bemerkbar“, so Falkenhagen. Auch wenn die beiden guten Monate die Einbußen der Corona-Zeit nicht ausgleichen könnten.
Umsätze in der Hamburger City wie 2019
Dass die Geschäfte in der Hamburger Innenstadt wieder besser laufen, bestätigt Citymanagerin Brigitte Engler. „Die Kundenfrequenz und die Umsätze sind fast auf dem Niveau des Vor-Corona-Jahrs 2019“, sagt sie. Zugleich hört sie von vielen Modehändlern, dass die Warenbestände deutlich geringer sind. Trotzdem rechnet Engler damit, dass die Preisreduzierungen ähnlich wie in den Vorjahren angeboten werden.
„Es geht ja auch darum, gerade Modeartikel dann zu verkaufen, wenn es jahreszeitlich passt.“ Dazu kommt: Viele Händler haben Angst, dass Inflation und steigende Preise die Kauflaune der Deutschen in den nächsten Monaten weiter beeinträchtigen.
Aktion 2 für 1 soll zum Kauf von mehreren Produkten reizen
Die Strategien sind unterschiedlich. Der Sneakers-Händler Snipes an der Mönckebergstraße etwa hat die einmonatige Aktion „2 für 1“ für reduzierte Kleidung und Accessoires schon Ende Juni gestartet. In den Regalen weisen Schilder zudem auf reduzierte Schuhe hin. „Wir machen nicht mehr diesen einen großen Sale, sondern viele kleinere Aktionen“, sagt ein Mitarbeiter.
Andere Unternehmen, wie etwa das Modehaus AppelrathCüpper oder auch H&M, geben Besitzern von Mitgliedskarten zusätzliche Rabatte. Beim Gang durch die Einkaufsstraßen sieht man zahlreiche weitere Angebote, die zum Kauf von mehreren Artikeln anreizen sollen. Die Otto-Tochter Bonprix wirbt mit „minus 25 Prozent auf den günstigsten Artikel in der Shoppingbag“.
Einzelhandel Hamburg: Kaum jemand kauft zum regulären Preis
„Schon jetzt überschattet die Kaufzurückhaltung alles“, sagt Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord mit Blick auf schwierige Zeiten für den Einzelhandel. Dabei sei der Modehandel weiterhin besonders hart betroffen und werde auch im ersten Halbjahr diesen Jahres ein reales Minus einfahren. „Die Märkte sind noch nicht wieder im Gleichgewicht“, so Nolte.
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So angenehm Preisnachlässe für Kunden sind, Jörg Harengerd beobachtet die immer schneller drehende Rabattspirale ebenfalls mit zunehmender Sorge. „Wer kauft überhaupt noch zum regulären Preis?“, sagt der Centermanager der Europa Passage. Für die Händler werde es so immer schwerer, ihr Geschäft am Laufen zu halten. „Es ist auch ein selbst gemachtes Problem. Aber wer nicht mitmacht, hat keine Chance, seine Waren zu verkaufen.“