Hamburg. Mit ihrer Erfindung Karydi kamen die Gymnasiasten bis in den Bundesentscheid um die beste Geschäftsidee. Ihre Pläne für Firmengründung.

Was haben die großen internationalen Kosmetikkonzerne mit fünf Gymnasiasten aus Hamburg zu tun? Mehr als man meinen könnte. „Bei unseren Recherchen haben wir herausgefunden, dass in vielen Hautpflegeprodukten Mikroplastik ist“, sagt Oskar Neftel. Vor allem Gesichtspeelings haben davon einen großen Anteil. Das muss man doch besser machen können, dachten sich Oberstufenschüler am Gymnasium Eppendorf.

Gemeinsam haben sie in den vergangenen Monaten ihre Geschäftsidee entwickelt, mit der sie dem umweltschädlichen Mi­kroplastik der Multis den Kampf ansagen. „Wir wollten ein natürliches, biologisch abbaubares Produkt“, sagt Jette Triebel. Das Ergebnis steht jetzt in kleinen Glastiegeln in einem Klassenraum der Schule: ein Peeling mit Walnussschalengranulat. Karydi haben sie es genannt – nach dem griechischen Wort für Nuss. Mit ihrem Projekt hat es das Team bis ins Finale des bundesweiten Schülerwettbewerbs business@school der Unternehmensberatung Boston Consulting Group geschafft.

Schülerwettbewerb bringt nachhaltiges Gesichtspeeling hervor

Die fünf, das sind Oskar Neftel (16), Jette Triebel (17), Leo Berg (17), Mila Hichert (17) und Nicolas Müller (16). Sie haben das Wirtschaftsprofil des Gymnasiums belegt, das in diesem Jahrgang von Oberstudienrätin Birte Rösler betreut wird. Die Praxisaufgabe im elften Schuljahr lautete: mit einer eigenen Geschäftsidee an dem Schülerwettbewerb teilzunehmen und damit die Gründerfähigkeiten unter Beweis zu stellen. „Uns war schnell klar, dass wir ein nachhaltiges Produkt wollten und eins, dass kein Luxusproblem löst“, sagt Oskar.

Mit der Verwendung von Peelings haben einige schon Erfahrung. „Ich hatte gerade eins von meiner Hautärztin bekommen“, sagt Jette. Auch darin sei richtig viel Mikroplastik gewesen. Um die umweltschädlichen Partikel zu ersetzen, haben die Schüler einige Experimente gemacht und Fachleute befragt. Ein Chemielehrer gab ihnen den Tipp, Schalen zu verwenden. Letztlich landeten sie bei Walnussschalen, bislang eher selten in Peelings im Einsatz. Überzeugt hat die Schüler, dass Schalen ein Abfallprodukt sind, die durch die neue Verwendung quasi ein zweites Leben bekommen.

Hilfe von Hautärztin und Kosmetik-Start-up

In der Küche von Leos Familien machten sie sich ans Werk. Erst versuchten die fünf, die Schalen mit einem Fleischklopfer zu zerkleinern. Aber nicht die Schalen, sondern das Küchengerät ging kaputt. Mit einer alten Kaffeemühle klappte es schließlich. Mithilfe von Jettes Hautärztin und einem Kosmetik-Start-up erarbeiteten sie eine Liste mit weiteren Zutaten für ihr Peeling, darunter hochwertiges Arganöl – und dann probierten sie so lange, bis die Mischung stimmte. „Es gibt eine Variante mit Kokosöl für normale bis trockene Haut, und eine mit Honig für Misch- und ölige Haut“, sagt Nikolas.

Danach begann die eigentliche Arbeit, denn für die Teilnahme an dem Wettbewerb mussten die Schüler einen Businessplan erstellen. Parallel entwickelten sie eine Verpackung, Logo und Marketingstrategie. Mit dem Slogan „Skincare in a nutshell“ (englisch: Gesichtspflege in einer Nussschale) und einer 40-seitigen Präsentation gingen sie im April beim Schulentscheid an den Start. Den Preis setzten sie auf 24,99 Euro fest. Nicht gerade günstig für die eher knappen Schülerbudgets, aber angesichts der hochwertigen Zutaten unumgänglich, so Leo. „Für den Onlineshop haben wir eine Marge von 4,91 Euro berechnet.“

Erfolgreiches Wirtschaftsprofil am Gymnasium Eppendorf

Das war der Anfang der Erfolgsgeschichte von Karydi. „Es ist toll zu sehen, wie die Schüler sich im Verlauf der einzelnen Projektphasen entwickeln und immer professioneller werden“, sagt Lehrerin Birte Rösler. Die 44-Jährige ist selbst vom Fach. Sie hat einen Abschluss als Diplom-Kauffrau gemacht, bevor sie auf Lehramt umschwenkte. Nachdem das Karydi- Team sich zunächst unter den anderen Projekten im Jahrgang, darunter Haargummis aus Maskenbändern und Allzweckreiniger auf Orangenschalenbasis, durchgesetzt hatte, waren die fünf auch beim Landesentscheid Mitte April erfolgreich.

Unterstützt wurden sie dabei nicht nur von Lehrkräften, sondern auch von den Kooperationspartner sowie business@school-Betreuern aus namhaften Wirtschaftsunternehmen und der Boston Consulting Group. „Ich bin sehr stolz, dass sie es bis ins Finale geschafft haben“, sagt Rösler. In den vergangenen fünf Jahren hatten vier Geschäftsideen aus dem Gymnasium Eppendorf es unter die letzten zehn geschafft. 2020 konnte ein Schülerteam mit dem Waschmittel Ivy aus getrocknetem Efeu die Jury überzeugen und den ersten Preis gewinnen.

Unternehmertum wird an 50 Schulen gelehrt

Im vergangenen Jahr hatte ein Schülerteam es mit nachhaltiger Kosmetik aus Kaffeesatz ins Finale des Wettbewerbs geschafft. In den Sommerferien 2021, kurz vor Beginn des Abiturjahres, hatten zwei von ihnen, Liam Metzen (19) und Leonard Mücke (18), die Firma Coffeecycle gegründet. Als Gründungskapital hatten sie ihre Verdienste aus Schülerjobs als Barista eingesetzt. „Wir arbeiten mit mehren Cafés zusammen, die uns ihren Kaffeesatz geben“, sagt Leonard. 2000 Seifen mit Orangen- oder Pfirsichduft haben sie inzwischen verkauft – neben dem Abitur. Unter anderem gibt es die Produkte bei Manufaktum, in der Hafenspezerei, in Unverpacktläden und im eigenen Onlineshop. „Profitabel sind wird noch nicht“, sagt Leonard. Im nächsten Jahr wollen die Gründer ihr Geschäft weiterausbauen – bevor es dann ins Studium geht.

Immer wieder gibt es Forderungen, das Thema Wirtschaft fester in der Bildungslandschaft zu etablieren. „Unternehmertum ist ein Thema an zahlreichen Hamburger Schulen“, sagt Schulbehördensprecher Peter Albrecht. Derzeit werde es an 50 Schulen in der Stadt angeboten. „Vor allem an Stadtteilschulen gibt es eine lange Tradition von Schülerfirmen.“ Zudem beteiligten sich Schüler an unterschiedlichen Wettbewerben. Unter anderem gibt es das Kooperationsprojekt Seed (Social Entrepreneurship Education), bei dem Jahrgangsstufen im Rahmen von Projektwochen in Kleingruppen Business-Pläne entwickelten. Im neuen Bildungsplan für das Fach Wirtschaft seien Unternehmertum und Nachhaltigkeit zudem eng verflochten und prominent positioniert, so der Sprecher.

Probleme gibt es jetzt allerdings von unerwarteter Seite: Denn Schülerfirmen, wie sie etwa im Rahmen des Programms Junior des Instituts der deutschen Wirtschaft entstanden sind, sollen vom nächsten Jahr an Umsatzsteuer entrichten müssen. Das könnte die Angebote verteuern. Vielen Schülerfirmen drohe dann das Aus, so die Befürchtung. Auch in der Schulbehörde sieht man die Schwierigkeiten. „Hamburg hat sich in der Kultusministerkonferenz dafür eingesetzt, dass Schülerunternehmen weiterhin von der Umsatzsteuerpflicht befreit bleiben“, so Albrecht. Ob mit Erfolg, ist offen.

Für die Eppendorfer Schüler und ihre Geschäftsidee Karydi ist die erste Etappe jetzt genommen. Ihr Businessplan steht, auch wenn sie beim bundesweiten Wettbewerb nicht unter die ersten drei gekommen sind. „Es war eine Achterbahnfahrt der Emotionen“, sagt Nicolas. „Mit viel Stress neben dem normalen Schulalltag. Aber es hat sich gelohnt.“ So sieht es auch Jette. „Wir hatten zum ersten Mal bei einem Schulprojekt auch die ganze Verantwortung. Ich habe viel gelernt, auf allen Ebenen. Im nächsten Schuljahr wollen sich die fünf erst mal aufs Abitur konzentrieren. Aber danach könnte es etwas werden mit einer echten Firmengründung. „Wir haben Lust, weiterzumachen.“