Hamburg. Viele Unternehmen kehren nach und nach in den Normalbetrieb zurück. Doch für Schülerinnen und Schüler bleibt es schwer unterzukommen.

Schon lange weiß Lina Schaffner, dass sie etwas mit Medizin machen will, den Menschen helfen. Am liebsten möchte sie Chirurgin werden. Deshalb ist der 16-Jährigen klar: Ihr Betriebspraktikum möchte sie am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) machen. Doch auf ihre Bewerbung erhielt sie nicht einmal eine Antwort. Also versuchte sie es bei anderen medizinischen Einrichtungen – und bekam nur Absagen. Erst kurz bevor das Praktikum beginnen soll, fand Lina eine Lösung: Sie kam in dem Reitstall unter, in dem sie selbst eine Reitbeteiligung hat, und begleitete ihre Trainerin drei Wochen lang bei ihrer Arbeit. „Das finde ich sehr gut, weil es meinen Interessen entspricht und ich so auch mehr Zeit für mein Pferd habe.“

Bildung: Nicht für alle gab es ein Praktikum

Lina ist eine von 16.900 Schülerinnen und Schülern aus dem Jahrgang 10, die im vergangenen Monat in Hamburg ein mehrwöchiges Praktikum gemacht haben. Manche waren in Schulen, Kindergärten oder in anderen sozialen Bereichen. „Die Suche nach einem Praktikum lief auch für meine Mitschüler sehr schleppend“, sagt Lina. Nicht alle hatten bei der Suche so viel Glück wie sie. Zwischen 9,5 und 11,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen waren während der Corona-Pandemie gar nicht mit einem Praktikumsplatz versorgt. Das hat ein Monitoring des Hamburger Instituts für berufliche Bildung ergeben.

„Grundsätzlich sind die meisten Unternehmen bereit, Praktika zur Verfügung zu stellen, insbesondere die Ausbildungs­betriebe“, sagt Fin Mohaupt, Teamleiter Schule und Wirtschaft der Handelskammer Hamburg. Die Betriebe hätten auch ein Interesse daran, für Schulabgänger attrakti­v zu sein. In der Folge könnten nach einem Schulpraktikum auch Ausbildungsverhältnisse oder Werkstudententätigkeiten entstehen. Allerdings: „Durch Corona ist es in den letzten zwei Jahren schwieriger geworden, Praktikumsplätze anzubieten.“

Keine Schülerpraktika wegen Corona

Viele Betriebe gerade in der Gastronomie und im Einzelhandel sind in den Hochzeiten der Pandemie ganz geschlossen geblieben, andere schickten ihre Belegschaft ins Homeoffice oder ordneten Kurzarbeit an. Mohaupt: „Dadurch konnten keine sinnvollen Praktika angeboten werden. Das Ganze kommt erst jetzt wieder langsam in Fahrt.“ Wie viele Schülerpraktika seit Pandemiebeginn ausgefallen sind, kann die Hamburger Schulbehörde nicht sagen. „Vermutlich fand aber nur ein Bruchteil statt“, sagt Behördensprecher Peter Albrec­ht.

Corona machte auch Luana Harneit einen Strich durch die Rechnung. In ihrem Praktikum wollte die 16-Jährige am liebsten in einem Tierheim helfen und Katzenbabys und Hunde pflegen, so ihre Vorstellung. Auch sie bekam eine Absage. Der Grund: Aufgrund der Ansteckungsgefahr und der Hygieneauflagen wolle man die Kontakte auf ein Minimum reduzieren. Die Schülerin ist dann in der Textilpflege gelandet. In einer Reinigung verhalf sie Hemden und Hochzeitskleidern zu altem Glanz. „Das war auch ganz interessant“, sagt sie. Aber es war eben nicht das, was sie wollte.

Hilfsangebote bei der Suche nach Praktikum

So wie Luana erging es vielen Jugendlichen am Ende des dritten Corona-Schuljahres bei der Praktikumssuche. Sie war sehr mühsam: Wer nicht über Kontakte verfügte, hatte es bei der Suche schwer. Der Sprecher der Schulbehörde kann das bestätigen: „Aufgrund der größer werdenden Herausforderung benötigen die Schülerinnen und Schüler eine enge Begleitung und Unterstützung, um einen Praktikumsplatz zu finden.“

Die Schulen können bei der Suche nach Betrieben über Praktikumsbörsen, bei der Kontaktaufnahme sowie der Bewerbung helfen. Handels- und Handwerkskammer unterstützten sie ebenfalls. Die Servicestelle Berufliche Orientierung biete den Schulen ein Modul für die Praktikumssuche an. „Dieses ist buchbar für Schülerinnen und Schüler, die über das schulische Angebot hinaus Unterstützung benötigen“, sagt Albrecht. Für diejenigen ohne Praktikum würden „schulische Angebote umgesetzt, die die begründete Berufswahlentscheidung der Schülerinnen und Schüler unterstützen können“.

Jakob aus Eimsbüttel, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, war als Praktikant an einer Schule. In Bad Oldesloe kümmerte sich der 16-Jährige in den vergangenen Wochen um Grundschüler. Seine erste Idee war das nicht: „Eigentlich wäre ich gern zum Tierschutz oder auch in eine Buchhandlung gegangen“, sagt er. Zehn Bewerbungen habe er geschrieben – ohne Erfolg. Am Ende half ihm seine Familie, den Platz zu finden. Mittlerweile ist Jakob damit sehr zufrieden: „Das ist eine gute Möglichkeit, sich Schule aus der anderen Perspektive anzuschauen.“ Trotz der Schwierigkeiten bei der Suche hält er Schulpraktika für sinnvoll: „Es hilft herauszubekommen, was man in der Zukunft will und was nicht.“

Und Lina, die Chirurgin werden möchte? „Ich kann mir auch vorstellen, später mit Pferden zu arbeiten und sie als Bereiterin auszubilden und zu korrigieren.“ Ihr hat das Praktikum viel gebracht: „Ich habe ganz viel über die Psychologie von Pferden gelernt.“

*Die Autorin (16) absolvierte beim Abendblatt ein Praktikum.