Hamburg. Positive Tests, viele kranke Schüler und Lehrer. Leiterin Languth: „Wir sind nicht mehr bei Plan A oder B, wir sind bei Plan Omikron.“

Eine Hamburger Schulleiterin funkt SOS: Bald könne sie – ebenso wie Restaurants und einzelne Geschäfte – auch am Gymnasium Eppendorf ein Schild aufhängen mit den Worten: wegen Personalmangels geschlossen. „Die Situation ist angespannt, die psychische Belastung groß, die Kollegen fühlen sich so kurz nach den Ferien, als hätten sie ein halbes Jahr Unterricht hinter sich“, sagt Maike Languth, Leiterin des Gymnasiums an der Hegestraße, dem Abendblatt.

Acht von 64 Lehrkräften seien an Corona erkrankt, obwohl das ganze Kollegium schon im Dezember auf Initiative der Schule eine Auffrischungsimpfung erhalten hat. Drei weitere Lehrer müssen zu Hause bleiben, um sich um ihre kleinen Kinder zu kümmern, die sie aus Kita oder Grundschule coronabedingt abholen mussten.

Corona in Hamburg: Schulen ächzen unter Lehrer-Ausfällen

„Die, die da sind, müssen nicht nur die ausgefallenen Kollegen, so gut es geht, zu vertreten versuchen. Während die Zahl der Neuinfektionen dramatisch steigt, stehen wir Lehrer Tag für Tag in einem nicht besonders großen Klassenraum vor 28 Kindern, von denen drei dann im Schnelltest positiv auf das Coronavirus getestet werden.“ Das Sekretariat und die Hausmeister müssten täglich Testsets schleppen, sortieren, infizierten Kindern ein Formular ausdrucken. Auch sie seien überlastet.

Die Schulbehörde gibt die Krankenquote bei Lehrern derzeit mit gut zehn Prozent an, nur 214 oder 0,6 Prozent der schulischen Beschäftigten waren zwischen dem 6. und 12. Januar an Corona erkrankt. In diesem Zeitraum wurden 3542 Infektionen von Schülerinnen und Schülern registriert, wie die Behörde am Freitag auf Anfrage mitteilte. Besonders viele Fälle gab es unter den Zehn- bis 19-Jährigen – also in der Altersgruppe, mit denen es die Leiterin des Gymnasiums zu tun hat. Doch das ist der Durchschnitt, an einzelnen Schulen sieht es anders aus. Die Sorgen und Nöte der Lehrkräfte können die Statistiken nicht abbilden. Sie würden zu wenig thematisiert, findet Languth.

Schule unter Corona-Bedingungen sei „extrem belastend“

Gerade hat die Schulleiterin mit einer Mutter telefoniert, die ihr Kind aus Angst vor einer Ansteckung nicht in die Schule gehen lassen möchte. „Das ist ja auch in Ordnung, aber meine Lehrerinnen und Lehrer kann ich nicht nach Hause schicken, wenn sie Angst haben“, sagt Languth. „In vollen Klassen unterrichten zu müssen, während die Infektionszahlen draußen explodieren, ist extrem belastend. Die Kolleginnen und Kollegen sind schon jetzt nach gut einer Woche Schule am Limit.“ Auch im Abschlussjahrgang, in dem sich die Jugendlichen auf ihre Abiturprüfungen im Frühjahr vorbereiten, sei die Sorge vor Ansteckung groß. Was, wenn sie wegen einer Infektion jetzt wochenlang ausfallen?

„Ich bin ein optimistischer Mensch, habe alle Regeln und Vorgaben immer mitgetragen“, sagt die promovierte Pädagogin. Aber die Politik, die seit dem Spätherbst gemacht wurde, kann sie nicht nachvollziehen. Seit November sei bekannt gewesen, was mit der Omikron-Welle auf das Land zurolle, aber Clubs und Bars seien weiterhin geöffnet gewesen, auch Großveranstaltungen fanden statt.

In den Schulen zeigten sich jetzt zudem die Infektionen, die Reiserückkehrer aus den Weihnachtsferien mitgebracht hätten oder die bei Silvesterpartys im dann doch nicht so kleinen Rahmen weitergegeben wurden. Allein in der vergangenen Woche schlugen die unsicheren Selbsttests der Marke Genrui in 60 Fällen positiv an. Die Betroffenen mussten nachgetestet werden, ein weiterer Aufwand.

Corona an Schulen: Sitznachbarn Infizierter müssen nicht in Quarantäne

Trotz der Tests herrscht an den Schulen Unsicherheit: Bis Mitte dieser Woche mussten sich geimpfte und genesene Schüler nicht testen, Languth hat es an ihrer Schule trotzdem vorgeschrieben – das Risiko war ihr zu groß. Aber auch weiterhin müssen selbst die unmittelbaren Sitznachbarn von Schülern, die sich mit Corona angesteckt haben, nicht in Quarantäne gehen. Sogar wenn Kinder oder Jugendliche in einem Haushalt leben, in dem Mutter, Vater oder ein Geschwisterkind infiziert seien, dürften sie weiterhin in die Schule kommen.

Stellt sich dann heraus, dass sie sich auch angesteckt haben, saßen sie bereits einige Tage im Unterricht. „Was ist das für die Schülerinnen und Schüler für ein Gefühl, wenn sie wissen, der Sitznachbar, mit dem ich gestern noch eng beisammen war, hat Corona?“ Dabei habe sie in Eppendorf noch einen vergleichsweise leichten Standort, in anderen Stadtteilen sei die Lage zum Teil noch viel schwieriger. Languth: „Ich habe noch etwas Kraft, manche andere Schulleiter haben sie nicht mehr.“

Cafés rund um die Schule in Hamburg sind voll besetzt

Die Pädagogin findet es richtig, die Schulen, solange es geht, offen zu halten. Sie weiß, dass Fernunterricht auf Dauer gerade die schwächeren Kinder und Jugendlichen abhängt. Deshalb hat sie Verständnis für Schulsenator Ties Rabe (SPD), der auf jeden Fall an offenen Schulen festhalten will.

„Aber wenn die Schulen geöffnet bleiben sollen, dann muss man das öffentliche Leben da draußen viel stärker herunterfahren als bisher“, fordert sie. Doch die Cafés vor der Haustür der Schulen seien weiterhin voller Gäste ohne Masken und ohne Abstände. „Wenn Bildung Priorität haben soll, dann muss das auch entsprechend umgesetzt werden.“

Leiterin fordert strengere Corona-Regeln an Schulen in Hamburg

Languth wäre auch intern für strengere Regeln: Nach den Ferien sollte jede Schülerin und jeder Schüler einen negativen PCR-Test vorweisen müssen, um die Infektionen aus den Schulen herauszuhalten. Bisher hätten die Ferien die Zahlen immer in die Höhe getrieben. Und sie fordert einen Stufenplan, wie Mecklenburg-Vorpommern etwa ihn bereits vor Wochen beschlossen hat. Je nach Lage und Krankenstand kann dort jede Schule für sich entscheiden, anhand von der Politik vorgegebener Stufen den Unterricht schrittweise auf Digitalunterricht umzustellen.

„Entweder Präsenzbetrieb oder vollständiger Fernunterricht mit einem guten und wirklich pädagogisch betreuten Angebot vor Ort, andere Optionen sehe ich nicht.“ Die Schulleiterin ist sicher: „Es wird in den kommenden Wochen zu massivem Unterrichtsausfall kommen, weil die Lehrkräfte schlicht nicht da sind.“

Besonders ärgert sich Maike Lan­guth über die Worte der neuen Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die fordert, Schulen müssten in der aktuellen Corona-Welle einen Plan B für Vertretung entwickeln. „Wir sind nicht mehr bei Plan A oder B, wir sind bereits bei Plan Omikron.“