Norderstedt. Die Kosten für den Campus Glashütte und die neue Ganztagsgrundschule sind dramatisch gestiegen – deswegen wird nun gespart.

Trotz der dramatischen Entwicklung der Baukosten setzen die Norderstedter Politik und die Stadtverwaltung unbeirrt die großen Neubauprojekte im Schulbereich fort. Sowohl das neue Schulzentrum Süd, der sogenannte Campus Glashütte, als auch die neue Ganztagsgrundschule Lütjenmoor am Aurikelstieg mit Dreifeldsporthalle und Kita sollen gebaut werden. Der Ausschuss für Schule und Sport hat zu beiden Projekten einstimmige Beschlüsse gefasst.

In einer Abendblatt-Umfrage hatten zuvor alle Vorsitzenden der acht Fraktionen der Stadtvertretung betont, dass die Sanierungen und der Neubau im Schulbereich der Stadt Norderstedt auch bei deutlich gestiegenen Baukosten Priorität haben müssten.

Norderstedter Schulneubau: Kosten steigen um mehr als das Doppelte

Die Kosten auf den Baustellen steigen indes so dramatisch, wie es die Baubranche in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht erlebt hat, kommentiert die städtische Entwicklungsgesellschaft (EGNO) die Lage. Der nun im Grundsatz vom Schulausschuss beschlossene Neubau des Campus Glashütte war bislang mit einem Volumen von 70 bis 80 Millionen Euro im städtischen Haushalt veranschlagt worden. Nun hat sich die Politik einstimmig auf eine Version des neuen Gebäudes samt Außenbereich und Sporthallen geeinigt, die mit mindestens 151.550.000 Euro zu Buche schlagen wird.

Der Neubau der Offenen Ganztagsgrundschule Lütjenmoor, die am Aurikelstieg den Altbau der ehemaligen Horst-Embacher-Schule ersetzen soll – zusätzlich mit einer Dreifeldsporthalle und einer Kita für 110 Kinder –, sollte ursprünglich 31 Millionen Euro kosten. Jetzt hat der Ausschuss entschieden, das Projekt mit einem Kostenrahmen in Höhe von fast 50 Millionen Euro auf den Weg zu bringen.

Baukostenexplosion: Seriöse Prognosen kaum möglich

Wohlgemerkt: Bei all diesen nun ermittelten Baukosten handelt es sich um Prognosen nach heutigem Wissensstand, wie die EGNO betont. Zwar werden die Projekte nun mit diesen Summen im städtischen Haushalt veranschlagt. Wie sich die Baukosten der Projekte dann nach Baustart wirklich entwickeln, das kann derzeit nur schwer seriös und belastbar abgeschätzt werden. Bei der Preisentwicklung in der Bauwirtschaft haben infolge der Pandemie und der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sämtliche bisherigen Gewissheiten keine Gültigkeit mehr. Das macht Gesamtkostenprognosen schwierig.

Blick über den künftigen Campus Glashütte in Norderstedt.
Blick über den künftigen Campus Glashütte in Norderstedt. © Büro GMP

Um die Kostenexplosion beim Campus Glashütte einzudämmen, führte der Schulausschuss vor seinem Beschluss ein Streichkonzert auf. Die EGNO hatte die ambitionierte Bauplanung des Hamburger Architekturbüros Gerkan, Marg & Partner (GMP) auf Einsparpotenzial geprüft und war dabei auf mögliche Veränderungen gestoßen, die das Projekt in Summe mehr als 9,5 Millionen Euro günstiger gemacht hätten. Über die Liste mit 19 Spar-Vorschlägen wurde in der Sitzung schließlich einzeln abgestimmt. 16 davon wurden vom Ausschuss angenommen und somit 5,9 Millionen an geschätzten Baukosten eingespart.

Keine Holzfassaden, keine Holzdecken – dafür mehr Stahlbeton

Das Sparen ging auf Kosten der geplanten nachhaltigen Bauweise des Campus mit dem Baustoff Holz. So entfallen jetzt die geplanten Holzstrukturen in der Fassade des Schulgebäudes (Minus 534.000 Euro). In den Innenräumen waren ursprünglich Betondecken mit Holzbalken vorgesehen – nun werden es reine Stahlbetondecken (Minus 1,88 Millionen Euro).

Im Außenbereich zwischen den Gebäuden wird es nun statt versiegelter Funktionsflächen und Sitzgelegenheiten aus Beton mehr grüne Wiese und größere Baumscheiben geben (Minus 427.500 Euro).

Sowohl das Foyer des Campus als auch das innenliegende Lehrerzimmer sollten in der Ursprungsplanung mit großen gläsernen Oberlichtern natürlich beleuchtet werden – nun gibt es massive Decken und Kunstlicht (Minus 400.000 Euro).

Die neue Sporthalle soll jetzt nicht mehr wie geplant 8,60 Meter, sondern nur noch sieben Meter hoch werden. Zusätzlich sollen statt Stützen aus Holz solche aus Beton an der Hallenfassade verwendet werden. Außerdem wird es innen keine baulich abgesetzte Tribüne geben, sondern nur eine, die auf einer ebenen Galerie aufgestellt wird (Minus 1,5 Millionen Euro).

Die Schulleitung freut sich, dass überhaupt gebaut werden kann

Keine Abstriche hingegen wollte die Politik bei den geplanten Photovoltaik-Anlagen der Gebäude, bei den Lüftungsanlagen in den Klassenzimmern, beim Open-Air-Sportfeld auf einem Dach zwischen den Sporthallen und bei der Fußbodenheizung machen.

Im Lise-Meitner-Gymnasium und der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark sei man froh und erleichtert, dass der Neubau des Schulzentrums Süd erneut abgesegnet wurde, sagt Torben Krüger, Leiter des Lise-Meitner-Gymnasiums. „Die vorgenommenen Änderungen im Zuge der Einsparungen sind für uns angesichts der wirtschaftlichen Lage durchaus vertretbar und ändern nichts daran, wie großartig die neue Schule wird. Das Wichtigste ist jetzt, das schnell mit der Umsetzung begonnen wird, damit die Schule bis 2027 bezugsfertig wird.“

Norderstedts Investitionen stehen alle auf dem Prüfstand

Die extrem steigenden Baukosten sorgen in Norderstedt dafür, dass alle großen Investitionen der kommenden zehn Jahre auf den Prüfstand kommen. Neben dem Schulzen­trum Süd auch das „Leuchtturmprojekt“ Bildungshaus, der Rathaus-Anbau, das neue Feuerwehrtechnische Zentrum, weitere Kita-Neubauten, Schulsanierungen und Straßenprojekte. Nahezu überall erhöhen sich die Kosten um den Faktor 2, teilweise sogar mehr.

Beim Bildungshaus hatte man die Kosten auf etwa 34 Millionen Euro gedeckelt – im Rückblick naiv. 60 bis 70 Millionen Euro scheinen nun realistisch. Mit einem Rathaus-Anbau und einem Umbau des alten Verwaltungstraktes soll laut Planung für etwa 111 Millionen Euro Platz für das Team der Stadtverwaltung geschaffen werden. Nun könnte das Unterfangen mit bis zu 200 Millionen Euro zu Buche schlagen. Bis 2031 plant die Stadt Investitionen mit einem Volumen von 730 Millionen Euro, davon allein für die Schulen 300 Millionen Euro und für Straßen, Parkplätze, ÖPNV und Parks 143 Millionen Euro. Die Baukosten treiben das Volumen nun spielend bis weit über die Milliarde Euro.