Hamburg. Mieterverein, Partei und Initiativen fühlen sich beim Immobilienforum Hamburg ausgeschlossen. Wie der Senat auf Kritik reagiert.
Drinnen im Hotel Hafen Hamburg trafen sich die Entscheidungsträger aus Immobilienbranche und Wirtschaft, um in Konferenzräumen mit Elbblick über die Themen Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung zu sprechen. Vor dem Vier-Sterne-Hotel versammelten sich Demonstranten aus dem Recht-auf-Stadt-Netzwerk und der Initiative "Hamburg enteignet", die ein Volksbegehren für die Enteignung und Vergesellschaftung der großen, profitorientierten Wohnungsunternehmen anstrebt, um auf die Probleme von Wohnungssuchenden aufmerksam zu machen.
Als Hohn empfanden sie es, dass beim Immobilienforum Hamburg Vertreter aus Mieterorganisationen und stadtpolitische Initiativen nicht einmal eingeladen waren, der „absurde Eintrittspreis von 1595 Euro plus Steuer dafür, dass das große Geld und die konzernfreundliche Politik unter sich bleiben“ und dass mit einem Referenten der Consus Real Estate AG, die im Zentrum des Skandals um das Holsten-Areal steht, „sogar unseriöse Entwicklerfirmen“ teilnahmen.
Wohnen Hamburg: Immobilienforum sorgt für viel böses Blut
Tatsächlich standen auf dem Programm des Forums auch Vorträge über die Auswirkungen des demographischen Wandels auf Wohnungsnachfrage und Mobilität, oder darüber, was Hamburg im Jahr 2040 lebenswert machen sollte. Doch Rolf Bosse, Chef des Mietervereins zu Hamburg, moniert: „Auf dem Immobilienforum soll es um Zukunftsperspektiven für den Hamburger Immobilienmarkt gehen. Themen wie gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik sucht man aber vergeblich.“ Laut Agenda sei vielmehr darüber gesprochen werden, welche Geschäftsmodelle den meisten Profit versprechen.
Dabei verschärften sich die Probleme der Menschen aktuell drastisch, betont Bosse. Es fehlten in Hamburg bezahlbare Wohnungen, der Wohnungsbau sei bereits 2021 ins Stocken geraten. Jetzt kämen steigende Zinsen, explodierende Rohstoffkosten und Fachkräftemangel hinzu – und die hohen Preissteigerungen führten zu weiteren Belastungen. „Sollten die Teilnehmer des Immobilienforums angesichts dieser Gesamtsituation keine innovativen Vorschläge zur Behebung des dramatischen Mangels an bezahlbarem Wohnraum machen, droht die Spaltung unserer Stadtgesellschaft“, so Bosse.
Heike Sudmann spricht von der Fachtagung als "Provokation"
Auch Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft, nannte es eine „Provokation“, sich „in einer Zeit galoppierender Mieten und rückläufiger Zahlen auch im (sozialen) Wohnungsbau“ unter Ausschluss von Mietern und Mieterinnen über die Zukunftsperspektiven für den Hamburger Immobilienmarkt zu verständigen.
„Ich frage mich, warum der Senat diese rein privatwirtschaftlich ausgerichtete Veranstaltung durch die Anwesenheit hochrangiger Senatsvertreter und -vertreterinnen unterstützt?“, so die Abgeordnete. Vielleicht, setzte sie ironisch fort, um von Thomas Fründt von der Consus Real Estate AG zu erfahren, wie im Holsten Quartier der „lange Weg zur ausgewogenen Quartiersentwicklung“ beschritten wird?
Sudmann Kritik richtete sich gegen Finanzsenator Andreas Dressel, der auf dem Forum über „Die Rolle der Immobilienwirtschaft in Hamburg“ referierte, Staatsrätin Monika Thomas aus der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, die an einer Podiumsdiskussion teilnahm, und Oberbaudirektor Franz-Josef Höing, der einen Vortrag zum Thema „Hamburg 2030 – Positionen, Pläne, Projekte“ hielt.
"Auf dem Immobilienforum wird über unsere Köpfe hinweg geredet"
Auch Hanno Hinrichs von "Hamburg enteignet" nannte die Teilnahme einen „Schlag ins Gesicht für alle, die sich das Wohnen in Hamburg kaum mehr leisten können“. „Auf dem Immobilienforum wird über unsere Köpfe hinweg geredet. Aber Hamburg braucht keine Konferenz, auf der die Wohnungskonzerne gemeinsam mit der Politik beraten, wie noch mehr Profit aus unseren Wohnungen gezogen werden kann.“ Er forderte ein Ende „des falschen Bündnisses der Politik mit Bau- und Wohnungswirtschaft. „Wir brauchen stattdessen ein Bündnis, um die Mieten wieder zu senken und das Immobilienkapital aus unserer Stadt zu drängen.“
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Um die „riesige Empörung über die Skrupellosigkeit der Konzerne und die Untätigkeit des rot-grünen Senats“ zum Ausdruck zu bringen, zogen die Demonstranten nach der Kundgebung vor dem Hotel Hafen Hamburg zum Ristorante Portonova an der Alster. Dort ließen die Teilnehmenden des Immobilienforums den Tag kulinarisch ausklingen – für musikalische Untermalung sorgten die Demonstranten und die Band Raumfisch draußen vor der Tür.
„Anforderungen sozialer Bodenpolitik deutlich gemacht“
Auf die Kritik angesprochen heißt es aus der Finanzbehörde, Plattformen wie das Immobilienforum böten die Möglichkeit, sich mit Expertinnen und Experten über die Zukunftsfragen von Stadtentwicklung und Immobilienmarkt auszutauschen – insofern stehe die Sinnhaftigkeit solcher Veranstaltungen außer Frage. „Hamburg betreibt Wohnungs-, Boden- und Stadtentwicklungspolitik anders als andere Städte im kritischen Miteinander und nicht im frontalen Gegeneinander“, betonte Finanzsenator Dressel am Abend.
„Ich habe der Immobilienwirtschaft heute sehr deutlich die Anforderungen sozialer Bodenpolitik mit mehr Erbbaurechten vor Augen geführt. Und ich habe angemahnt, dass für mehr Akzeptanz und Konsens zwischen Immobilienwirtschaft und Stadtgesellschaft die Stadtrendite von Projekten mehr in den Fokus rücken muss – und eben nicht nur die eigene Rendite.“