Hamburg. Die Preise steigen seit Jahren, nun ziehen auch die Kreditzinsen kräftig an. Was Experten Käufern in der Hansestadt raten.
Erst stiegen nur die Immobilienpreise, jetzt auch die Kreditzinsen. Der Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses wird immer teurer – und für viele scheinbar unerschwinglich. Doch es gibt noch Möglichkeiten, eine Immobilie mit relativ wenig Eigenkapital zu erwerben – wenn auch mit Abstrichen bei Lage, Größe oder Ausstattung. Auch die Höhe der Kreditzinsen lässt sich beeinflussen.
Was bedeutet das für Immobilienkäufer? Finanzieren die Banken noch großzügig? Helfen KfW-Kredite? Kann im Hamburger Umland der Traum von den eigenen vier Wänden noch erfüllt werden? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Zinsanstieg beim Baugeld.
Immobilien Hamburg: Warum wird die Finanzierung immer schwieriger?
Es kommen zwei Faktoren zusammen, die vielen jetzt den Immobilienkauf unmöglich machen: stark steigende Zinsen und weiter deutlich steigende Immobilienpreise. Bisher wurden die steigenden Immobilienpreise in Hamburg durch sinkende Zinsen kompensiert. Doch seit Jahresbeginn hat sich die Situation grundlegend gewandelt. Der Zinssatz für Baufinanzierungen – auf 15 Jahre festgeschrieben - lag Anfang des Jahres noch bei 1,50 Prozent und hat sich seitdem mehr als verdoppelt. Gleichzeitig setzte sich der Preisanstieg im ersten Quartal ungebremst fort.
So ermittelte das Beratungsunternehmen Empirica für Hamburg im ersten Quartal bei Angebotspreisen in den Immobilienportalen einen Anstieg der Quadratmeterpreise bei Einfamilienhäusern um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen kletterten um 10,6 Prozent. „Wenn nur die Zinsen steigen würden, wäre ein langsamer Rückgang der Immobilienpreise eher zu erwarten“, sagt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender der auf den Immobilienmarkt spezialisierten Beratungsfirma Empirica AG. Doch viele würden wegen der steigenden Inflation jetzt noch auf den fahrenden Immobilienzug aufspringen. Ob diese Phase nur Monate anhält oder das ganze Jahr über, sei unklar.
Was sind die Gründe für den starken Zinsanstieg?
„Eine Hauptursache der Zinswende bleibt die Inflation, die unter anderem durch corona- und kriegsbedingte Produktions- und Lieferengpässe sowie Rohstoffknappheit angeheizt wird“, sagt Mirjam Mohr, Vorständin Privatkundengeschäft bei der Interhyp AG, Deutschlands größtem Vermittler privater Baufinanzierungen. Das Ende extrem günstiger Immobilienkredite sei besiegelt.
„Konditionen von vier Prozent und mehr für zehnjährige Finanzierungen sind bis Jahresende realistisch“, sagt Johannes Erdmann, Finanzierungsexperte bei Homeday Hyp, einem Tochterunternehmen des Maklers Homeday. Zinsen zwischen drei und vier Prozent gab es zuletzt im Jahr 2011. Seit 2012 sanken die Baugeldzinsen unter leichten Schwankungen und erreichten im März 2020 mit 0,62 Prozent bei einer zehnjährigen Zinsbindung ihren Tiefpunkt.
Wie wirkt sich die Zinsentwicklung auf potenzielle Käufer aus?
Sie können sich immer weniger Immobilie leisten. „Angesichts der in der vergangenen Dekade stark gestiegenen Preise werden sich viele privaten Käufer Immobilien bei weiter steigenden Zinsen nicht mehr leisten können“, sagt Erdmann. Auch die Verbraucherzentrale Hamburg bestätigt diese Einschätzung. „Viele Haushalte in Hamburg können den Kauf einer Immobilie nicht mehr stemmen“, sagt Baufinanzierungsexperte Dirk Scobel.
Denn das Finanzierungsbudget schrumpft durch die gestiegenen Zinsen dramatisch. Lag es im März 2020 noch zusammen mit dem Eigenkapital bei 580.000 Euro, so verringert es sich wegen der höheren Zinsen im Mai 2022 auf rund 380.000 Euro. Die Größe der Immobilie, die man sich bei einem Eigenkapital von 100.000 Euro und einer monatlichen Rate von 1200 Euro leisten kann, schrumpft auf ein Minihaus mit nur noch 56 Quadratmetern, was hier symbolisch zu verstehen ist (s. Grafik).
Aber hilft nicht, die monatliche Rate etwas zu erhöhen?
Ein paar Hundert Euro mehr im Monat, selbst wenn sie verfügbar wären, helfen hier nicht weiter. Selbst 500 Euro mehr im Monat reichen bei Weitem nicht, um zur Wunschimmobilie mit 111 Quadratmetern zu kommen. Um eine Immobilie in gleicher Größe wie im März 2020 zu finanzieren, die jetzt rund 650.000 Euro kostet, müsste man Eigenkapital und Finanzierungsrate verdoppeln.
Wie reagieren die Banken?
Auch bei den Geldinstituten hat ein Umdenken eingesetzt. Nur die Kaufnebenkosten aus dem Eigenkapital zu begleichen und die Immobilie zu 100 Prozent zu finanzieren gelingt immer seltener. „Der Anteil der 100-Prozent-Finanzierungen ist deutlich zurückgegangen“, sagt Braun. Die Banken werden kritischer. „Ein junges Paar ohne Kinder kann es schwerer haben als eine Familie mit Mitte 40 und schon abgeschlossener Familienplanung“, sagt Verbraucherschützer Scobel. Wer denkt, dass er beim Budget noch Spielraum hat, den machen manche Banken einen Strich durch die Rechnung.
Denn einige Institute haben nach Angaben aus Branchenkreisen die Lebenshaltungspauschalen in ihren Kreditberechnungen um 100 bis 200 Euro im Monat erhöht. Und auch für die Bewirtschaftungskosten von Immobilien werden aufgrund der Inflation und vor allem der höheren Energiepreise bis zu einem Euro mehr pro Quadratmeter angesetzt. Insgesamt ist damit die Finanzierung einer Immobilie schwieriger geworden.
Wie kann die Finanzierung dennoch gelingen?
Der gängigste Tipp, um die Konditionen des Darlehens zu verbessern: mehr Eigenkapital in die Finanzierung einbringen. Doch das ist oft leichter gesagt als getan. „Viele Eltern oder auch Großeltern wissen gar nicht, welche Chancen in ihren Immobilienwerten stecken. Ist eine weitgehend abbezahlte Immobilie in der Familie vorhanden, kann diese als Sicherheit in die Finanzierung der Kinder eingebracht werden. Banken belohnen diese Zusatzsicherheit mit günstigeren Zinsen, und die Rahmenbedingungen der Finanzierung werden verbessert“, sagt Udo Zimmermann, Spezialist für Baufinanzierungen beim Baugeldvermittler Dr. Klein in Buchholz.
Der Vorteil dieser Variante sei, dass die Eltern in keiner Weise selbst zum Kreditnehmer werden – ihre Immobilie wird lediglich als Eigenkapital angerechnet. Zudem müsse nicht die gesamte Immobilie eingebracht werden – auch ein Teilbetrag von beispielsweise 50.000 Euro ist möglich. „So können auch Geschwister gleich behandelt werden“, sagt Zimmermann. Doch Verbraucherschützer Scobel warnt vor solchen Konstruktionen. „Die Risiken sind zu groß, denn geht die Finanzierung der Kinder schief, kann auch die Immobilie der Eltern in Gefahr sein“, sagt Scobel.
Welchen Ausweg gibt es noch?
Die Berechnungen in der Grafik beziehen sich auf eine Immobilie in Hamburg mit Quadratmeterpreisen von fast 6000 Euro. Bezogen auf Einfamilienhäuser liegen die Quadratmeterpreise in den Landkreisen Herzogtum-Lauenburg, Segeberg und Lüneburg noch unter 4000 Euro. Aber auch das ist noch zu hoch, um mit dem vorgegebenen Budget von 1200 Euro Monatsrate und 100.000 Euro Eigenkapital ein kleines Häuschen (111 Quadratmeter) zu erwerben.
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Auch für die meisten Käufe im Umland müsste das Budget, also die monatliche Rate, von 1200 auf 1800 Euro aufgestockt werden. Lediglich im Landkreis Stade könnte man mit der vorgegebenen Rate noch ein Einfamilienhaus mit rund 110 Quadratmeter Wohnfläche erwerben. Dort liegen die Quadratmeterpreisen bei rund 2800 Euro.
Gibt es zinsverbilligte Kredite?
Die KfW-Bank gewährt für selbst genutzte Wohneigentum bis zu 100.000 Euro Kredit. „Bei der Vermittlung über die Förderbanken in Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es den Vorteil, dass dieses Darlehen nachrangig akzeptiert wird, was die Finanzierungskonditionen verbessern kann“, sagt Scobel. „Aber der Zins dieses Darlehens ist nur geringfügig besser als ein normaler Bankkredit.“
Wie hoch darf die monatliche Belastung sein?
„Der Betrag aus Zins und Tilgung sollte 30 Prozent des Einkommens nicht überschreiten“, sagt Scobel. „Rechnet man noch die Nebenkosten wie Heizung, Versicherung oder Müllabfuhr mit ein, dann nicht mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens.“ Der Verbraucherschützer warnt davor, bei der Immobilienfinanzierung bis ans Limit zu gehen. Auch Vorsätze, auf den Urlaub oder andere Ausgaben zu verzichten, seien keine langfristige Strategie. Scobel: „Das geht nur wenige Jahre gut.“