Hamburg. Wohneigentum dürfte auch 2022 teurer werden. Doch es gibt Faktoren, die den Preisanstieg bremsen können – besonders in Hamburg.
Wer darauf gehofft hat, dass zwei Jahre Pandemie zu niedrigeren Preisen auf dem Immobilienmarkt führen würden, sieht sich getäuscht. Im Gegenteil. Seit 2019 sind die Preise für Wohnimmobilien in Hamburg um 17,4 Prozent gestiegen, wie die Daten des Verbandes der Pfandbriefbanken belegen. Dafür werden Immobilienkäufe und Kreditverträge ausgewertet.
Doch wie wird sich der Immobilienmarkt im dritten Pandemiejahr entwickeln? Wie weit können die Preise noch steigen? Steckt Hamburg schon in einer Immobilienblase? Wie entwickeln sich die Zinsen für Baufinanzierungen? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Immobilien: Wie werden sich die Preise in Hamburg und dem Umland entwickeln?
Selbst Makler scheuen sich inzwischen nicht mehr, das Wort Immobilienblase in den Mund zu nehmen. So rechnet der Makler Grossmann & Berger in diesem Jahr mit einem weiteren deutlichen Preisanstieg bei Bestandsobjekten. Danach würden die Preise für Einfamilienhäuser in Hamburg um 8,9 Prozent zulegen und für Eigentumswohnungen um 7,8 Prozent. „Vor diesem Hintergrund steigt in einigen Lagen das Risiko einer Immobilienblase, da sich in Hamburg und dem Umland zusehends die Kaufpreise von den Mieten entkoppeln“, sagt Lars Seidel, Geschäftsführer von Grossmann & Berger.
Mit einem noch stärkeren Preisanstieg wird im Umland gerechnet. „Die Nachfrage hier ist noch immer enorm hoch. Aber die Schere zwischen Wohnwünschen und Verfügbarkeiten klafft allerdings immer weiter auseinander“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsleiter bei Grossmann & Berger. So sollen sich 2022 Häuser aus dem Bestand im Umland um 11,9 Prozent verteuern und Wohnungen um 8,3 Prozent.
Immobilien in Hamburg: Wie realistisch sind diese Prognosen?
„Es gehört für Makler zum Handwerkszeug mit stetig steigenden Preisen zu operieren“, sagt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender der auf den Immobilienmarkt spezialisierten Beratungsfirma Empirica AG. „Aber ich erwarte jetzt in diesem Jahr in Metropolen wie Hamburg auch keine fallenden Immobilienpreise, zumal viele Käufer beim Immobilienerwerb eben nicht rational handeln. Aber sollten die Preise noch einmal wie im Vorjahr steigen, wird die Immobilienblase weiter aufgepumpt.“ Schon jetzt befindet sich Hamburg in der höchsten Stufe im Immobilien-Blasenindex von Empirica. Im Vergleich der sieben größten Metropolen wie Berlin, Frankfurt oder München ist Hamburg die erste Topmetropole, die das gefährlichste Niveau bei einer Immobilienblase erreicht hat. Bundesweit gehört Hamburg damit zu den zehn Prozent an Städten und Landkreisen, die in diese höchste Kategorie fallen.
Eine Immobilienblase droht, wenn der Normalverdiener sich die Immobilie nicht mehr leisten kann, weil die Kaufpreise schneller als die Mieten oder die Einkommen steigen und immer mehr Wohnungen über den Bedarf hinaus gebaut werden. Aber wann eine Immobilienblase platzt, kann keiner voraussagen. Gegenwärtig gibt es Faktoren, die den Immobilienboom weiter befördern, wie auch Faktoren, die für eine Abkühlung des Immobilienmarktes sprechen. Welche sich 2022 durchsetzen, lässt sich jetzt noch nicht abschätzen.
Immobilien: Welche Faktoren sprechen für weiter steigende Preise in Hamburg?
Es sind nach wie vor viele potenzielle und auch finanziell potente Käufer unterwegs, die mit Blick auf steigende Inflation, einen heiß laufenden Aktienmarkt und Negativzinsen für das Ersparte nach einer soliden Anlage suchen. „Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führt dazu, dass normale Immobilien wie Liebhaberobjekte gehandelt werden“, sagt Seidel. Durch die Covid-19-Pandemie hat die Bedeutung der eigenen vier Wände nochmals zugenommen, konstatiert der Verband der deutschen Pfandbriefbanken (vdp). Die steigende Inflation begünstigt den Eigentümer im Vergleich zum Mieter, weil die Kreditrate meist langfristig über zehn oder 15 Jahre festgeschrieben ist. Viele Mietverträge sind dagegen an den Verbraucherpreisindex gekoppelt.
Hamburg will 2023 die Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5 Prozent erhöhen. Das könnte die Nachfrage in diesem Jahr zusätzlich anheizen. Für die Banken bleibt die Immobilienfinanzierung eines der wenigen attraktiven Geschäftsfelder. Jeder Immobilienkäufer mit Bonität und verlässlichem Einkommen dürfte eine Finanzierung finden. Die Ausreichungen für Darlehen zur Wohneigentumsfinanzierung haben im Jahr 2021 ein Volumen von rund 270 Milliarden Euro erreicht, ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Bei dem hohen Niveau der Wohneigentumspreise agieren Banken und Kunden weiterhin sicherheitsorientiert“, sagt vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Nach den Zahlen des Baugeldvermittlers Dr. Klein nahmen die Hamburger im Schnitt im dritten Quartal 2021 einen Kredit über 495.708 Euro für ihren Immobilienkauf auf.
Welche Faktoren sind eine Gefahr für den Immobilienmarkt?
Die ungesunde Entwicklung am Immobilienmarkt zeigt sich vor allem darin, dass die Kaufpreise deutlich stärker zulegen als die Mieten. „Die Käufer spekulieren wie bei Aktien auf immer weiter steigende Preise, sonst würden sie auf diesem Niveau nicht mehr kaufen“, sagt der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann. Gefördert werde die Entwicklung noch durch die niedrigen Zinsen. „Bisher konnten steigende Kaufpreise durch immer weiter fallende Zinsen kompensiert werden“, sagt Braun. „Doch auf diesen Vorteil können die Käufer in diesem Jahr nicht mehr spekulieren.“ 90 Prozent der vom Baugeldvermittler Interhyp befragten Zinsexperten, zu denen Banken wie Postbank, ING oder HypoVereinsbank gehören, sehen in diesem Jahr steigende Baugeldzinsen. Das ist die größte Gefahr für den Immobilienmarkt.
„Für 2022 erwarten wir weiter zulegende Preise, aber einen langsameren Anstieg. Die hohen Kaufpreise und Nebenkosten erschweren den Kauf, gleichzeitig könnten die Zinsen leicht anziehen – das macht Immobilien weniger leistbar und wird den Nachfrageboom etwas abbremsen“, sagt Jörg Utecht, Vorstandsvorsitzender der Interhyp AG. Schon jetzt zeigt sich, dass die Preise für Eigentumswohnungen aus dem Bestand in Hamburg nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit steigen.
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Vom zweiten auf das dritte Quartal 2021 verteuerte sich der Quadratmeterpreis um 1,8 Prozent, wie aus Daten der Analyse- und Beratungsfirma F+B hervorgeht. Allerdings fällt der Preisanstieg in Hamburg noch doppelt so hoch aus wie im Bundesschnitt. Zumindest im Süden der Republik gibt es bereits klare Signale für fallende Preise bei Eigentumswohnungen auch im aussagekräftigeren Jahresvergleich: München minus 2,7 Prozent, Garmisch-Partenkirchen minus 12,4 Prozent, Heidelberg minus 2,2 Prozent.
„Ob diese Entwicklung die von vielen erwartete Abschwungphase einleitet, kann noch nicht sicher vorhergesagt werden“, sagt F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner. Nach seiner Einschätzung gibt es noch weitere Faktoren, die die Immobilienpreise bremsen können. Die nachlassende Fern- und Binnenwanderung bremst den Zuzug in die Metropolen. Das Wirtschaftswachstum wird durch explodierende Energiepreise und gestörte Lieferketten gebremst. Vor allem Bestandsobjekte können durch weitere Klimaschutzregulierungen an Wert verlieren.
Wie werden sich die Zinsen für Baufinanzierungen entwickeln?
Die Experten gehen für 2022 von steigenden Zinsen aus. „Ich rechne damit, dass die Zinsen für Baufinanzierungen in diesem Jahr um 0,50 bis 0,75 Prozentpunkte steigen“, sagt Max Herbst, Gründer der FMH-Finanzberatung. Wegen der hohen Inflation stünden Zentralbanken unter Druck, ihre Geldpolitik zumindest zu straffen, sagt Herbst. Damit dürfte auch das allgemeine Zinsniveau steigen.
Zwar bleiben bei allen Zinsbindungsfristen die Konditionen voraussichtlich unter zwei Prozent. Aber Angesichts der durchschnittlichen hohen Kreditaufnahme der Hamburger wirken sich schon kleinste Änderungen massiv aus. Bei einer zehnjährigen Zinsbindung und einem Kredit über 500.000 Euro bedeutet der Anstieg auf 1,66 Prozent monatliche Mehrausgaben von rund 300 Euro nur für die Zinsen. „Durch die kontinuierlich ansteigende Haushaltsverschuldung wächst das Risiko, bei sich ändernden äußeren Umständen in eine finanzielle Schieflage zu geraten“, sagt Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg.