Kreis Pinneberg. Die hohen Immobilienpreise treiben viele Hanseaten ins Umland. Auf Städte wie Pinneberg rollen deshalb große Probleme zu.

Weil die Grundstückspreise in Hamburg explodieren und die Mieten steigen, ziehen immer mehr Menschen raus aus der Stadt. Besonders viele finden eine neue Heimat in den umliegenden Gemeinden. Von den sechs Kreisen nahe der Hansestadt ist der Kreis Pinneberg der beliebteste geworden. Im vergangenen Jahr zogen 5779 Menschen aus Hamburg dorthin.

Insgesamt wechselten 24.580 Hamburger ins Umland, der Wanderungssaldo liegt aktuell bei knapp 9000 Menschen – ein Rekord gegenüber den rund 7500 Menschen, die in den zwei Jahren davor jeweils mehr ins Umland abgewandert sind, als umgekehrt aus dem Umland in die Stadt.

Immobilien: Großer Druck im Kreis Pinneberg

Hauptgrund für diese Bevölkerungsbewegung sind die immer weiter steigenden Immobilienpreise. Gerade junge Familien, die mehr Wohnraum brauchen, entscheiden sich deshalb gegen das Leben auf engstem Raum und bauen ein eigenes Häuschen im Speckgürtel, wo es zwar auch teurer wird, die Preise aber noch immer weit unter denen in der Hansestadt liegen. Wer für seine Familie inzwischen 1500 bis 2000 Euro Miete im Monat zahlen muss, überlegt sich, dass mit einer solchen Summe sinnvoller ein Kredit für ein eigenes Häuschen abzuzahlen wäre.

Im Kreis Pinneberg ist der Druck auf den Wohnungsmarkt besonders hoch, und in der Kreisstadt ist er am stärksten, weil sie Hamburg sehr nahe liegt und dank öffentlicher Verkehrsmittel gut angebunden ist. Durch den Zuzug verschärfen sich aber die seit Jahren schwelenden Probleme: Zum einen gibt es auch im Kreis Pinneberg chronisch zu wenig günstigen Wohnraum, weil mit teurerem höhere Profite erzielt werden. Genossenschaften wie die Neue GeWoGe etwa mit ihren moderaten Mietpreisen können kaum noch Grundstücke kaufen.

Um die Entwicklung zu steuern, steckt die kommunale Politik viel Energie in die Entwicklung neuer Bebauungspläne, doch damit geht es wegen der Interessenverflechtungen sehr langsam voran, weshalb im großen Stil nachverdichtet wird. Das bedeutet: Wo vorher beispielsweise ein älteres Privathaus mit Garten stand, kommen nach dem Abriss oft zwei neue hin, auch mit zwei Etagen.

Zu wenige Kita-Plätze und Klassenräume in Pinneberg

Ziehen junge Familien dort ein, steigt in der Nähe der Bedarf an Kitaplätzen, und die Schulen platzen aufs Ganze gesehen aus allen Nähten. Weil Kommunen wie Pinneberg notorisch Geld fehlt, werden auf den Schulhöfen Container aufgestellt, was für alle Seiten unbefriedigend, belastend und nicht nachhaltig ist.

„Das Ärgerliche ist, dass wir nie Informationen über die Nachverdichtung haben“, kritisierte Pinnebergs Bürgervorsteherin Natalina di Racca-Boenigk (CDU) kürzlich im Schulausschuss. „Wir haben zu dem, was wann gebaut werden soll, nicht zugestimmt“, bemängelte auch Kai Vogel (SPD), und Manfred Stache (Grüne & Unabhängige) sagte im selben Ausschuss: „Wir werden in den nächsten Jahren einen Schülerberg haben. Das war absehbar, und das müssen wir in Zukunft vermeiden.“

1567 neue Wohnungen im Kreis Pinneberg

Laut Christian Böse, Sprecher des Statistikamtes Nord, wurde 2020 im Kreis Pinneberg der Bau von insgesamt 840 neuen Wohngebäuden mit 1463 Wohnungen genehmigt. Allein in der Stadt Pinneberg waren es 39 neue Wohngebäude mit 149 Wohnungen, wobei Aufbauten oder Erweiterungen von bestehenden Häusern nicht erfasst sind.

Fertiggestellt wurden 2020 im Kreis Pinneberg 1567 neue Wohnungen, davon 15 Prozent mit einem bis zwei Zimmern, 29 Prozent haben drei Zimmer, 22 Prozent vier und 33 Prozent fünf und mehr Zimmer. In der Stadt Pinneberg wurden 122 neue Wohnungen fertig, die meisten mit drei oder vier Zimmern. Ob Mehr-, Zwei-, Einfamilienhäuser oder Wohnungen in Pinneberg: Seit 2015/16 steigen allesamt rasant an.

Immobilien: Corona verstärkt Immobilien-Problem

Auch der Umgang mit der Corona-Pandemie, mit der eine völlig gewandelte Arbeitswelt einhergeht, schlägt sich in solchen Veränderungen nieder. In den Innenstädten leeren sich Büroflächen, weil immer mehr Menschen hauptsächlich zu Hause arbeiten, dafür mehr Zimmer brauchen und diese Bedingungen eher im Umland als in der Stadt finden, weil es dort nicht mehr bezahlbar ist.

Die Schattenseite dieser Entwicklung wird in fast jeder Sitzung der Stadtentwicklungsausschüsse deutlich und ist an vielen Kommunalhaushalten schmerzlich abzulesen. Auch die vergangene Sitzung des Schulausschusses in Pinneberg hat die dramatischen Folgen des Zuzuges gezeigt. Dort hält die Siedlungspolitik in keiner Weise mit dem Zustand der Infrastruktur Schritt, sondern viele Straßen sind löchrig und überfüllt, Schulen und Kitas haben viel zu wenig Räume und sind darüber hinaus dringend sanierungsbedürftig.

Verkehrswende im Kreis Pinneberg bleibt auf der Strecke

Hinzu kommt, dass der Staat den Bildungseinrichtungen immer mehr Aufgaben wie die Kitaplatz-Garantie, den Ausbau zur Offenen Ganztagsschule oder die Integration aufbürdet, sie aber nicht kontinuierlich finanziert. Außerdem ziehen die neuen Brandschutzverordnungen sehr hohe Kosten nach sich, auf denen die Kommunen ebenfalls größtenteils sitzen bleiben.

In Städten wie Pinneberg ist von der viel beschworenen Verkehrswende nichts zu erkennen. Beim Ausbau von Fahrradstrecken, die ja auch zur Infrastruktur gehören, tritt die Stadt seit Jahren auf der Stelle, da tut sich fast gar nichts. Erfahrungsgemäß würde der Bau neuer Fahrradwege oder -straßen mehr Menschen aufs Rad locken, das haben andere Städte eindrucksvoll bewiesen.

Ihren Antrag auf ein Moratorium, das vorsah, in den kommenden zehn Jahren keine großen Flächen mehr zu versiegeln, haben die Grünen & Unabhängigen zurückgezogen. Weil Anfang des kommenden Jahres zum ersten Mal ein fraktionsübergreifendes Gespräch mit dem Schul-, Stadtentwicklungs- und Umweltausschuss stattfindet, um die verschiedenen Belange zu verzahnen und abzustimmen.